Gewerbe,  Handel,  Nicht mehr vorhandene Gebäude,  Wohnhäuser

Illerberger Str. 20 – Sägewerk Molfenter

Lageplan

Das Sägewerk Molfenter war das erste größere Industrieunternehmen, das sich in Weißenhorn ansiedelte.

Der Wagnermeister Johann Nepomuk Laupheimer ersteigerte 1863 die ehem. Fugg. Meierei Fuggerstr. x und richtete dort eine Werkstätte ein. Diese entwickelte er zu einem Dampfsägewerk. Als der Betrieb in dieser Lage an die Grenzen seiner Entwicklungsmöglichkeiten stieß, siedelte er 1889/90 an die Illerberger Str. aus. Es war dies der erste Betrieb, der aus der Stadt wegen Platzmangel aussiedelte.

1889 stellte Joh. Nep. Laupheimer auch einen Bauantrag für eine stattliche Unternehmervilla. Diese ist der einzige Bau des Unternehmens, der heute noch steht. Gleichzeitig wird das Werksgelände eingezäunt. Im Bereich der Villa bestand die Einzäunung aus einem eisernen Zaun, der übrige Bereich wurde durch einen dichten Holzlattenzaun abgegrenzt. Das Grundstück umfasste den gesamten Bereich zwischen Illerberger Str. im Süden, Maria-Theresia-Str. im Norden, Herzog-Ludwig-Str. im Osten und Herzog-Georg-Str. im Westen mit einer Gesamfläche von ca. 44.000 m². Hiervon wurden ca. 26.000 m² betrieblich genutzt, der Rest war als Streuobstwiese angelegt.

Joh. Nep. Laupheimer starb 1896. Die erstehelichen Söhne Martin und Ludwig führten zunächst den Betrieb zusammen mit ihrer Stiefmutter Rosa, geb. Renk, weiter. Im Zuge der Erbauseinandersetzungen kam der Betrieb in finanzielle Probleme. Am 29.10.1900 wurde die Dampfsäge im Zuge einer Zwangsversteigerung um 57.000 M an Samuel Molfenter verkauft.1 Molfenter nutzte die Gunst der Lage und ließ um 1900 den ersten Gleisanschluss in Weißenhorn bauen. Hierdurch konnte er die Hölzer direkt auf seinem Betriebsgelände be- und entladen, ohne im Bahnhof auf Fuhrwerke umladen zu müssen. Der Gleisanschluss hatte sogar eine eigene Gleiswaage. Das Langholz wurde auf Spezialfuhrwerke verladen und mit 14 betriebseigenen Pferden vom Wald herangefahren. Im Betrieb waren überwiegend Arbeitskräfte aus Gra­fertshofen tätig2.

1905 verkaufte die Stadt den Feldweg zw. Fl.Nr. 1756 und 1757 an die Gebr. Molfenter. Der Weg verlief zwischen den Betriebsgrundstücken und hatte wegen des zwischenzeitlichen Baus der Maria-Theresia-Str. keine Verkehrsbedeutung mehr.

Der Betrieb wurde ständig erweitert, 1905 durch einen Abortanbau und eine Remise, 1906 durch die Verlängerung eines Teils der Sägehalle und eine Verlängerung der Stallung sowie 1907 durch die Einzäunung des Grundstücks. Molfenter setzte diesen Zaun auf die Grundstücksgrenze, ohne einen späteren Straßenausbau zu berücksichtigen, was zu einer jahrelangen Auseinandersetzung führte.

Es lässt sich mangels Plänen nicht genau nachverfolgen, welche Bauten zu welcher Zeit errichtet wurden. 1938 wurde die Kessel- und Maschinenanlage umgebaut. Hierbei wurde eine neue Dampfmaschine angeschafft.

Bei einem Luftangriff am 13.09.1944 während des II. Weltkriegs wurde das Sägewerk durch Brandbomben geschädigt, aber unmittelbar danach wieder aufgebaut; bereits am 30.09.1944 war das Gelände schon wieder recht aufgeräumt. Die Holzlagerhalle entlang der Herzog-Georg-Str. war zerstört, das Material wurde südlich der Straße gelagert. Die Sägehalle war zerstört und ohne Dach.

Unmittelbar nach dem Krieg wurde kräftig investiert und mehrere Neubauten und Erweiterungen entstanden (siehe Datenblatt).

1961 wurde ein Büro in Flachdachbauweise an die Villa angebaut. 1964 wurde eine moderne Fabrikationshalle errichtet. Der Gleisanschluss wurde aufgegeben, auf dem Luftbild 1971 ist er nicht mehr vorhanden.

Die Hölzer wurden auf dem Betriebsgelände mit einem Seitenlader bewegt.

Als die Stadt Weißenhorn im Jahre 1968 einen Standort für den Neubau einer Realschule suchte, bot Herr Molfenter der Stadt die betrieblich nicht genutzte Fläche von ca. 18.000 m² für 23 €/m² zum Kauf an. Das Angebot wurde angenommen und dort die Realschule an der Herzog-Ludwig-Str. erbaut.

1969 trat Hans Eckhard Molfenter in den Betrieb des Vaters ein, die Firma wurde auf Molfenter & Sohn umbenannt. 1977 wurde das Warenangebot auf Teppiche und Tapeten erweitert, ein Jahr später noch einmal erweitert. Dies wurde in der Presse ausführlich gewürdigt.

1983 verkaufte die Familie Molfenter noch einmal eine Fläche an den Landkreis zum Bau der Freisportanlagen für die Realschule.

Die konservative Betriebsführung in Verbindung mit der sich schnell ändernden Marktsituation führte dennoch zu einer zunehmend schlechteren Geschäftssituation. Da nach den großen Lagerflächen kein Bedarf mehr bestand, strukturierte sich das Unternehmen um und errichtete um 1986 auf dem ehemaligen Lagerplatz einen Supermarkt. Hierzu wurde eine Holzlagerhalle abgebrochen und die Fläche zu Parkplätzen umgewidmet. Die Ansiedlung der Supermärkte ist im Beitrag ‚Herzog-Georg-Str. 1-6 – Weißenhorns Einkaufszentrum‚ behandelt.

1997 wurde ein weiteres Betriebsgebäude abgebrochen und an dieser Stelle ein Getränkemarkt errichtet.

Die Umstrukturierung des Betriebs setzte sich fort. Im Jahr 2007 wurden die restlichen Betriebsgebäude abgebrochen, der REWE-Supermarkt wurde erweitert, auch der erst 10 Jahre alte Getränkemarkt wurde aufgegeben und der Getränkeverkauf in den vergrößerten Supermarkt integriert.

Nach dem Tod des Firmeninhabers 2007 wurde bis 2010 das gesamte Gelände neu geordnet und verkauft. Der Betrieb wurde aufgelöst. Die Stadt Weißenhorn strebte den Bau einer neuen Mehrzweckhalle an und führte dazu einen Grundstückstausch durch. Zur Bebauung wurde der gesamte Gebäudebestand, bis auf die denkmalgeschützte Villa, abgebrochen.

Eine Besonderheit stellte die alte Dampfmaschine von 1938dar. Der neue Eigentümer wollte sie als Industriedenkmal erhalten und ließ sie an einen Ort östlich der Villa transferieren.

Westlich der Villa wurde eine neue Zufahrt zum REWE-Supermarkt und für die Mehrzweckhalle erstellt. Für die Anlegung der Zufahrt musste eine große Platane gefällt werden. Nach der Fällung stellte man fest, dass der Stamm bereits stark angefault war und der Baum ohnehin bald hätte gefällt werden müssen. Auch die in einer extra angelegten Verkehrsinsel verbleibende Platane überlebte die Bauarbeiten nicht und musste ebenfalls gefällt und durch eine Neupflanzung ersetzt werden.

Für die Unternehmervilla (Lageplan) entstand ein Sanierungskonzept eines Privatinvestors, welches sich aber nicht als tragfähig zeigte. 2010 wurde der Büroanbau von 1961 abgebrochen und die Dachkonstruktion mit Dacheindeckung saniert. Das alte Nebengebäude wurde erst 2013 abgebrochen. Mit großer zeitlicher Verzögerung wurde die Villa denkmalgerecht saniert und 2023 vollendet. Sie beherbergt heute ein Apart-Hotel.

  1. Die Molfenter-Familie war in Ulm im Holzhandel und der Donauschifffahrt tätig. Johannes und Anton Molfenter gründeten 1865 in Ulm ein Holz- und Sägewerk unter dem Namen Gebr. Molfenter. Samuel Molfenter dürfte der Sohn von Johannes oder Anton Molfenter gewesen sein, der sich hier in Weißenhorn zusammen mit seinem Bruder Jakob eine eigene Firma aufbaute. ↩︎
  2. Joseph Holl, Geschichte der Stadt Weißenhorn, Neudruck 1983 nach der Ausgabe von 1904, Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn ↩︎

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