Fuggerstr. 2b – ehemaliger gräfl. Marstall
4. Dezember 2021/Lageplan
Nach dem Kauf der Schmidtschen Herberge und der Anlage des Fuggergartens mit Sommerschlösschen baute man um 1700 ein Marstallgebäude für die Pferde und Kutschen. Im Laufe von 300 Jahren wechselte die Funktion mehrfach, bis heute ein Ladengeschäft darin ansässig ist.
Vorgängerbau
Die Vorgängerbebauung bestand aus einem Doppelhaus mit zwei getrennten Einheiten (x3 und x4). Einwohner sind hier ab 1475 verzeichnet, die Eigentümer vor 1475 sind archivalisch nicht feststellbar. Ab 1511 sind hier keine Einwohner mehr genannt. Die letzten Einwohner waren Martin und Hainrich Wagner, wobei Hainrich (wohl der Sohn) bereits 1492 auf der Memminger Str. 19 ein neues Haus gebaut hatte. 1505 zog auch Martin in die Memminger Str. Nach dem Tod der Witwe wurden beide Anwesen verkauft oder vererbt. Es ist anzunehmen, dass das Gebäude um 1510 vom Nachbar Hauptplatz x2 (Schmidtsche Herberge) aufgekauft und abgebrochen wurde. Somit gehörte das Grundstück um 1594 zur Verkaufsmasse an die Fugger, als diese die Schmidtsche Herberge erwarben um auf diesem Gelände ihr Sommerschlösschen Kammerlanderstr. 3 zu errichten. Die Namen der Einzeleigentümer können bei Interesse dem beil. Datenblatt entnommen werden.
Neubau des Marstalls
Die Erbauungszeit des Marstalls ist nicht überliefert. Auf einer etwas laienhaften Zeichnung des Fuggergartens durch den Gärtner J. Micheler aus dem Jahr 1811 ist das Gebäude mit einer Fachwerkwand oder Bretterverkleidung auf der Nordseite dargestellt. Das Walmdach und die Gestaltung lassen auf eine Erbauung in der Barockzeit, wohl um 1700 zeitgleich mit der Erweiterung des Fuggerschlösschens 1690 kommen. Die umfangreichen Keller des Gebäudes wurden als Fasslagerhaus für das fugg. Bräuhaus errichtet und genutzt.
1823 ist das Gebäude als Fasshaus mit Braubierkeller unter einem Dach in einem Liegenschaftsverzeichnis beschrieben. 1831 wird in einem Bauakt Alois Nies, vorher Schweizereibeständer auf Fuggerstr. x, ab 1831 Marstallpächter auf Fuggerstr. 2b genannt.
Nach der Mediation 1848 zogen sich die Fugger aus Weißenhorn zurück und verkauften alle ihre Liegenschaften mit Ausnahme der Wälder. So wurde auch das Fasshaus mit Ankündigung im Ulmer Landboten vom 14.03.1863 im Zusammenhang mit dem Bräuhaus zur Versteigerung angeboten. Josef Goßner, Sohn des 1845 verstorbenen Hasenwirts Josef Goßner, ersteigerte das Bräuhaus und den Marstall.
1881 baute Goßner in den Garten eine Kegelbahn und eine Gartenschänke mit Biergarten.
Um 1900 kaufte Kajetan Kempfle aus Langenhaslach das Bräuhaus und wurde somit auch Eigentümer des Marstalls. Er hatte sein dortiges Anwesen verkauft und brachte seine ledige Schwester mit nach Weißenhorn, die dann Alois Sälzle vom Rössle heiratete. Da somit alles Verwandtschaft war, wurden die Keller der Gebäude Fuggerstr. 2b und Reichenbacher Str. 5 1907 untereinander verbunden. 1912 wurde hier ein Kanal angelegt. Kempfle verkaufte den Marstall noch vor der Inflation [1917 an den landwirtschaftlichen Verband Schwaben?], ging mit 1 Million Goldmark Vermögen in die Inflation und verlor fast alles.
Der landwirtschaftliche Verband Schwaben kaufte den Marstall und die Bay. Zentral-Darlehenskasse in München baute das Gebäude 1917 in ein Lagerhaus für landwirtschaftliche Produkte um. 1922 wollte die Stadt das Grundstück zum Bau eines neuen Pfarrhauses erwerben. Am 14.03.1922 erfolgte eine Schätzung des Baumeisters Luitpold Gaiser zum Zweck des Tauschs der Grundstücke der Schwäb. Warenvermittlung in der Fuggerstr. gegen ein Grundstück der Pfarrpfründestiftung an der Günzburger Str., um für den Pfarrhof mehr Platz zu bekommen. Die Grundstücke wurden mit 106.000 M annähernd wertgleich geschätzt. 1927 wollte die Stadt den Pfarrhof frei stellen und erwarb daher vom landw. Verband auch den Marstall für 4.500 RM. Man brach das Gebäude aber nicht gleich ab, sondern nutzte es interimsweise als Bauhof. Der städt. Zimmerstadel, der Vorgänger des Bauhofs, befand sich bis 1875 in der Reichenbacher Str. im Bereich der heutigen Hausnummern 12-14, dann am heutigen Standort in der Illerberger Straße.
Dem Käser Wassermann aus Schießen wurde 1927 die Einlagerung von Käse im Eiskeller des Bräuhausstadels gegen eine monatliche Gebühr von 5 RM gestattet, im Jahr 1928 wurde der Eiskeller im dem Käser Andreas Beck für 5 RM/Monat zur Verfügung gestellt. 1929 beschloss der Stadtrat, auf das Gesuch des Kaufmanns Jakob Brändle um pachtweise Überlassung eines Teils des früheren Bräuhauskellers, den Stadel öffentlich zu verpachten, soweit er nicht für städt. Zwecke benötigt werde. Am 12.12.1932 wurde der Bräuhausstadel für 12.000 RM an den Käsereibesitzer Andreas Beck verkauft; auch Sälzle (RB05) bot für den Stadel, den Zuschlag erhielt aber Beck. In einer Nebenbestimmung erhielt die Pfarrpfründe das Recht, eine Teilfläche des Grundstücks bis zum 01.01.1939 zu überbauen. Für den Bauhof wurde 1933 ein weiterer Schuppen an der Illerberger Str. errichtet.
Am 28.04.1936 beantragte die Kirchenverwaltung in Ausübung des notariell verbrieften Rechtes den Anbau eines Sitzungszimmers. Die Baukosten wurden auf 3.152,30 RM veranschlagt. Der Anbau erfolgte und führte zu der noch heute bestehenden verworrenen Eigentumssituation unter diesen Gebäuden. 1941 wurden die Keller unter dem Gebäude zu Luftschutzkellern umfunktioniert.
1946 baute der Käser Beck einen Laden in das Gebäude ein. 1969 wurde eine Laderampe angebaut.
1977 wurde der Laden erweitert und nahm nun das Kindermodengeschäft Nowak auf. Die Laderampe wurde abgebrochen und es wurden Schaufenster eingebaut. Der Innenraum wurde zu einem großzügigen Laden umgestaltet.
1994 sollte das Gebäude zu einem Wohn- und Geschäftshaus umgebaut werden. Das Projekt wurde allerdings verworfen. 1995 wurde die unmittelbar vor dem Gebäude stehende Linde gefällt und durch eine Akazie auf der Freifläche vor dem Haus ersetzt.
2005 wurde das Kindermodengeschäft aufgegeben und die Schlegelsche Buchhandlung, vorher im gegenüberliegenden Haus Fuggerstr. 1 ansässig, wechselte nach hier. Nachfolgend konnte die Stadt das Gebäude im Rahmen der Altstadtsanierung erwerben.