Das Pfarrhaus Fuggerstr. 2a
12. Juli 2021/Lageplan
Das heutige Pfarrhaus wurde 1922 im Bereich des ehemaligen Fuggergartens errichtet. Es ist im neobarocken Stil gehalten und verkörpert sehr gut den damaligen Zeitgeschmack. Über den Fuggergarten ist im Buch ‘Weißenhorner Profile’ von 2010 ein separates Kapitel enthalten.
Vorgeschichte der Bebauung
Das Grundstück des heutigen Pfarrhofs war bis ~1865 Teil des fuggerschen Besitzes und gehörte zum Fugg. Sommerschlösschens. Es war zuletzt mit Nebengebäuden unbekannter Zweckbestimmung bebaut. Als sich die Fugger ab 1848 aus der Stadt infolge der Mediation zurückzogen, verkauften Sie allen Grundbesitz in der Stadt. So wurde auch der Fuggergarten aufgeteilt und verkauft, der größte Teil des Garten ging um 1862 an den Zimmermann Valentin Gaiser (1819-1891) mit dem Sommerschlösschen (Kammerlanderstr. 3) und den umliegenden Grundstücken. Gaiser richtete hier eine Zimmerei mit Baugeschäft ein.
Um 1865 erwarb oder pachtete der Eigentümer des Gasthauses Rössle (Reichenbacher Str. 5), Josef Kurz, von den Fuggern im Zuge der Aufgabe des Schlossgartens und dessen Parzellierung einen Teil des Gartens und richtete dort einen Biergarten ein. Der Biergarten des Rössles wurde um 1880 für das Fugg. Bräuhaus (Kirchplatz 6) umgewidmet und erweitert. Im Kataster sind ein Gebäude für den Ausschank und eine Kegelbahn zu erkennen. Aus den bisher erarbeiteten Quellen ist nicht zu klären, ob bzw. von wann bis wann der Biergarten zum Rössle (RB05) oder zum Bräuhaus (KP06, FG02b) gehörte. 1866 ist eine Zuodnung zum Rössle erwähnt, 1881 liegt ein Bauantrag für einen Biergarten vom Bräuhaus vor; evtl. wurden auch zwei Biergärten parallel betrieben. Erst ab ca. 1905 waren beide Gaststätten verwandtschaftlich verbunden, so dass eine gemeinsame Nutzung möglich erscheint. Kajetan Kempfle kaufte 1905 das Bräuhaus, damit auch das Gebäude Fuggerstr. 2b, den ehem. Marstall der Fugger. Kempfle war aus Langenhaslach und hatte sein dortiges Anwesen verkauft. Er brachte seine ledige Schwester mit nach Weißenhorn, die dann Alois Sälzle vom Rössle heiratete. Da somit alles Verwandtschaft war, wurden die Keller unter dem Marstall und dem Rössle miteinander verbunden. Kempfle verkaufte den Marstall noch vor der Inflation [1917 an den landwirtschaftlichen Verband Schwaben?], ging mit 1 Million Goldmark Vermögen in die Inflation und verlor fast alles. Der Biergarten wurde zur Errichtung des Pfarrhauses aufgegeben.
Der Pfarrhausneubau 1922
Es ist nicht dokumentiert, aus welchem Grund man mit dem Pfarrhof am Kirchplatz unzufrieden war, auf jeden Fall suchte man um 1920 nach einem neuen Standort für das Pfarrhaus. Bereits im Jahr 1892 war mit der Bebauung der nördl. Fuggerstr. begonnen worden; nach dem Abbruch des Dampfsägewerks Laupheimer 1 der ehem. Fugg. Schweizerei, wurde 1902 die Bebauung der Fuggerst. abgeschlossen. 1917 wurde der ehem. Marstall, Fuggerstr. 2b, an die Bay. Zentral-Darlehenskasse in München verkauft, die hier eine Niederlassung der Schwäb. Warenvermittlung (Vorläufer der BayWa) einrichtete. Im März 1922 ließ man dieses Grundstück von Luitpold Gaiser schätzen, um es gegen ein Grundstück der Pfarrpfründestiftung an der Günzburger Str. (Günzburger Str. 33) einzutauschen. Die Grundstücke wurden mit 106.000 M annähernd wertgleich geschätzt.
Im Jahr 1921 stand das Anwesen Memminger Str. 10 zum Verkauf. Der Stadtrat beriet am 28.01.1921 darüber, ob das Gebäude für einen Pfarrhof geeignet sei und wollte hierüber ein Gutachten anfertigen lassen. Der Beschluss wurde aber nicht vollzogen.
Am 31.03.1922 beschloss der Stadtrat, ein neues Pfarrhaus zu bauen, sofern das alte für > 420.000 M verkauft werde und der Neubau nicht teurer als 600.000 M komme. Außerdem müsse ein Grundstückstausch zwischen Pfründe und Schwäb. Warenvermittlung erfolgen. Der Kaufmann Jos. Egner bot 435.000 M für den alten Pfarrhof. Der Kaufpreis wurde in Raten bis zum 01.01.1923 vereinbart. 2
Am 07.04.1922 wurde im Stadtrat ein Vorentwurf des Weißenhorner Baumeisters Luitpold Gaiser beraten. Nach diesem war das Gebäude um einiges größer als der realisierte Plan und sollte auch weiter nach Osten situiert werden, in der Flucht des Nachbargebäudes Fuggerstr. 4.
Der Stadtrat beschloss, die Mehrkosten zwischen dem Verkauf des alten Pfarrhofs und dem Neubau auf die Stadtkasse zu übernehmen. Dies wurde als gutes Geschäft angesehen, nachdem der alte Pfarrhof rund 100.000 M an Reparaturkosten brauchen würde und ein Landesdarlehen für den Neubau von Doppelwohnhäusern in Höhe von 42.000 M auf den Pfarrhofneubau übertragen werden könne. Ebenso wurde ein Gemeindedarlehen in gleicher Höhe für den Pfarrhofneubau gewährt. 3
Die Stadt war zwar für den Bau und den Unterhalt des Pfarrhofs zuständig, nicht jedoch für das Grundstück. Die Pfarrpfründestiftung musste daher schauen, Geld für das gewählte Grundstück zu bekommen. Dies geschah durch den Verkauf des Grundstücks Fl.Nr. 1806 (GZ33) an die Spitalstiftung. Von dieser kaufte die Stadt später das Grundstück und entwickelte es zum ersten Gewerbegebiet der Stadt.
Die Regierung von Schwaben teilte am 26.04.1922 aber mit, dass für die vorgelegte Planung ein Landesdarlehen nicht gewährt werden könne. Das Haus wirke durch seine Verhältnisse sehr schlecht. Es wurde empfohlen, sich von einem guten Architekten, der mit der heimischen Bauweise vertraut sei, einen Entwurf ausarbeiten zu lassen, der den Forderungen gerecht werde, die man an ein Bauwerk von 1/2 Million Bauaufwand stellen könne. Bessere Grundrisslösung, ruhigere Fassadengestaltung und Weglassen der durch nichts veranlassten Mansarddachform, können, abgesehen von einer Kostenminderung, ein Bauwerk schaffen, dass das Stadtbild verschönert. In einer Fußnote schlug das Bezirksamt den Arch. Franz Xaver Huf, München, vor, der in Anbetracht seiner bisherigen Tätigkeit im Bezirk bestens empfohlen werde 4 5 Huf plante auch den Bau des Claretinerkollegs und erhielt auch hier beim Pfarrhaus den Auftrag für die endgültige Planung. 6
Schon nach einem Monat, am 02.06.1922, war der Bauplan fertig und wurde vom Stadtrat genehmigt, die Baugenehmigung erfolgte 2 Wochen später am 16.06.1922. Die Beamtenortsgruppe prangerte in einem Leserbrief am 22.11.1922 in den Lokalblättern den Bau an, da der alte Pfarrhof in unüberlegter Weise zu einem zu geringen Preise verkauft worden sei. Die Stadt rechtfertigte sich in einem Artikel, welcher vom Stadtrat am 02.12.1922 gebilligt wurde.
Nach einem Jahr Bauzeit war der Pfarrhof fertig, wozu Stadtpfarrer Dekan Schmid am 22.06.1923 ein Dankesschreiben fertigte. Der Bau des Pfarrhofs fiel voll in die Inflation. Das Landesdarlehen musste wegen der immensen Kostensteigerungen mehrfach angepasst und erhöht werden. War man ursprünglich von 600.000 RM Baukosten ausgegangen, beliefen sich die Kosten letzten Endes auf 27.500.000,- RM. Für den Verkauf des alten Pfarrhofs bekam die Stadt dann im Jahr 1927 einen Ausgleich durch ein Aufwertungsgeld von 4.500 RM.
Weitere bauliche Veränderungen
Am 06.05.1927 kaufte die Stadt vom Landwirtschaftlichen Verband für Schwaben und der milchwirtschaftlichen Hauptgenossenschaft (vorm. schwäb. Warenvermittlung) den Bräuhausstadel (ehem. Fugg. Marstall, FG02b) für 4500 RM. Der Stadel sollte ursprünglich abgebrochen werden um den neuen Pfarrhof freizustellen. Zwischenzeitlich wurde das Gebäude aber als Bauhof genutzt. Der städt. Zimmerstadel, der Vorgänger des Bauhofs, befand sich bis 1875 in der Reichenbacher Str. im Bereich der heutigen Hausnummern 12-14. Die Stadt verkaufte den Bräuhausstadel letztlich für 12.000 RM an den Käsereibesitzer Andreas Beck; auch Sälzle (RB05) bot für den Stadel, den Zuschlag erhielt aber Beck. In einer Nebenbestimmung erhielt die Pfarrpfründe das Recht, eine Teilfläche des Grundstücks bis zum 01.01.1939 zu überbauen.
Die Kirchenverwaltung beantragte daher in Ausübung des notariell verbrieften Rechtes am 28.04.1936 den Anbau eines Sitzungszimmers. Die Baukosten wurden auf 3.152,30 RM veranschlagt. Der Anbau dieses Sitzungszimmers führte zu der noch heute etwas unklaren Eigentumssituation zwischen den beiden Gebäuden. Die Kirchenverwaltung beantragte die Übernahme der Baukosten durch die Stadt, da die Stadt die Baulast habe und den Stadel aus dem Aufwertungsgeld erworben habe. Der Anbau eines Sitzungszimmers sei notwendig, weil das Gesellenhaus (Kolpingstube im Stadttheater Wettbach 23) zugunsten der Hitlerjugend geräumt werden müsse. Falls die Kosten nicht übernommen würden, bitte die Kirche um einen Zuschuss von 2000 RM. Der Stadtrat versagte die Übernahme der Kosten bzw. einen Zuschuss mangels rechtlicher Verpflichtung und mangels Mittel. Es wurde aber eine kostenlose Materialentnahme aus der städt. Kiesgrube gewährt. Die Regierung bemängelte die verworrenen Besitz- und Grundstücksverhältnisse, da Flächen über- und unterbaut wurden, eine Klärung der Situation erfolgte aber bis heute nicht.
- Die Fa. Laupheimer erbaute 1890 an der Illerberger Str. 20 ein neues Dampfsägewerk und gab den Standort an der Fuggerstr. auf. Zusammen mit Flächen der Fa. Gaiser wurde der Bereich neu parzelliert und die Fuggerstr. angelegt. ↩︎
- Stadtarchiv II 623.10 ↩︎
- Der Bau der Doppelwohnhäuser war in der Richard-Wagner-Str. geplant. Weil Egner im alten Pfarrhof 2 große Wohnungen einbauen wollte, konnte auf den Bau von 1 Doppelhaus verzichtet werden. ↩︎
- Franz Xaver Huf (1878-1973) war ein deutscher Architekt, der sein Büro in München hatte. ↩︎
- Arch. Huf aus München, ein bekannter Vertreter des Heimatstils, wurde offiziell von der Regierung protegiert. Im Rahmen eines Neuentwurfs für den Brunnen am Hauptplatz empfahl das Bezirksamt als Genehmigungsbehörde wegen der Zeichnungen einen mit den Intentionen des Vereins für Volkskunst vertrauten Künstler, z.B. Arch. Huf, München, zu beauftragen. ↩︎
- Daneben erhielt Huf auch einige Aufträge für Wohnhäuser im Rahmen des städt. Wohnungsbauprogramms in der Richard-Wagner-Str. und der Hagenthalerstr. ↩︎