Gaststätten und Brauereien,  Private Gebäude

Der Gasthof Rössle – Reichenbacher Str. 5

29. Juli 2021/No Comments

Der Gasthof Rössle zählt auch zu den alten Traditionsbrauereien in Weißenhorn. Er wurde 1651 eröffnet und sah viele schöne Feste in seinen Mauern. Die Gaststätte war bis ca. 2005 in Betrieb. Zurzeit wartet das Gebäude auf eine sinnvolle Nutzung. Wer will das Gebäude nutzen?

Vorgängerbebauung

Das Rössle – eigentlich Zum weißen Rössle – wurde 1651 erbaut. Es war das Zunftlokal der Leinenweber. Die Vorgängerbebauung bestand aus 2 hintereinanderliegenden Gebäuden und ist in einem gesonderten Beitrag behandelt.

Neubebauung 1651

Anton Kröz, Sohn des Hans Krez, hat 1636 von der Vorgängerbebauung beide Hausteile erworben, so dass ihm nun das ganze Gebäude gehört. Im Jahr 1651 wird er im Steuerbuch erstmals als ‘Preu’ (Bräuer) erwähnt. Das Rössle wird das erste Mal als Brauerei erwähnt. Nachdem auch der Steuerwert von 500 auf 700 fl heraufgesetzt wurde, kann dies mit dem neuen Braurecht und einem Neubau zusammenhängen. Das rückwärtige Gebäude wird 1651 letztmals erwähnt. Es liegt nahe, dass Anton Kretz das Gebäude gekauft und an dieser Stelle eine Brauerei errichtet hat.

1660 wird Johann Krötz, Sohn des Anton Krötz, als Eigentümer benannt. Die Liegenschaft wird jetzt als Behausung, Bräuhaus, Stadel und Hofraum beschrieben und mit 1100 fl taxiert. Es liegt nahe, dass das Gebäude zu dieser Zeit entweder neu gebaut oder saniert wurde, zudem noch um die Nebengebäude erweitert wurde. 1682 gehört ihm auch ein Stadel in der Schulstraße. Johann Krötz übernimmt 1692 das Haus Schulstr. 1 von Michael Müller, gibt es aber schon 1696 wieder an ihn zurück. Wahrscheinlich war Müller in finanziellen Schwierigkeiten, so dass das Eigentum an dem Gebäude kurzzeitig an Johann Krötz überging. 1693 wird Hans Kröz Witwe auf der Schulstr. 1 als Eigentümerin genannt. Johann Kröz muss demnach um diese Zeit gestorben sein. Am 04.04.1700 erwirbt Hans Krötz’ Witwe Catharina das Haus Hauptplatz 3 und zieht dorthin. Das wird auch der Zeitpunkt der Übergabe des Rössle an ihren Sohn Bartholome sein. 1706 sind Bartholomäus Kröz mit Ehefrau Ursula bei einem Wert von 1190 fl im Steuerverzeichnis genannt.

Catharina Krötz stirbt am 07.08.1707, das restliche Erbe wird aufgeteilt. Balthas Stigele als Erbschaftspfleger verkauft das Anwesen an Anna Kretz, Tochter des Bartle Krez, Bräuhaus, Stadel und Hofraithen, für 2226 fl 40 kr. Am 10.01.1729 heiratet Eugenius Widemann, Bruder des Sonnenwirts Matheus Widenmann, die Jungfrau Anna Kröz. Hierzu findet sich folgender Eintrag:

Der ehrbare Junggesell Eugenius Wideman heuratet die Jungfrau Anna Krözin, weiland Herrn Bartholomäus Krözen des inneren Rates sel. Zu Weißenhorn hinterlassene Tochter. Der Bräutigam, Bierbräuerhandwerks von Günzburg gebürtig bringt neben seinem wohlerlernten und erwanderten Bierbräuerhandwerk und einer ehrlichen Ausfertigung 1300 fl Bargeld. Die Braut bringt neben standesmäßiger Ausfertigung die von ihrem Vater sel. ererbte Wirtschaft zum weißen Rössel neben Stadel, Hofraithen, item ein Städele und Hofgarten, 1 Krautstrangen, 6 Tagwerks Mahd, 4 1/2 Jauchert Acker, Roß und Vieh, Geschüff und Geschürr, abzüglich der Schulden von 1800 fl vermög Erbsteilung. Sie leben in Gütergemeinschaft. Der Bruder des Bräutigams, Sonnenwirt Mathias Widemann, ist Trauzeuge für den Bräutigam.

Am 22.03.1729 kann Eugen Widemann auch den restlichen Anteil der Ursula Krötz (Mutter der Anna Krötz) von den Pflegern für 2540 fl erwerben. Das Erbe der Ursula Krötz wurde bis 1735 von Pflegern verwaltet. Insgesamt wurden also für das Rössle 4766 fl bezahlt, eine für diese Zeit sehr hohe Summe, welche die Bedeutung der Brauereiwirtschaft zeigt. Die Kaufsumme beinhaltet natürlich auch das Inventar, nicht nur den reinen Gebäudewert.

1736 baut Eugen Widemann das Bräuhaus neu. Der Wert des Anwesens wurde auf 1250 fl heraufgesetzt. 1755 ist Eugen Widemann gestorben, seine Witwe steht im Steuerbuch, und 1757 steht Mathias Widemann im Steuerbuch. Es ist nicht dargestellt wer dieser Mathias Widemann ist. Der Sonnenwirt Mathias Widemann war bereits 1753 gestorben. Naheliegend wäre, hier den Sohn des Eugen zu sehen.

Am 14.01.1779 kauft Franz Glatz, Sohn des Johannes Glatz (Seb.-Seiler-Str. x), das weiße Rössel, Wert 1000 fl. Franz Glatz verkauft 1781 das Rössle und zieht nach Holzheim, behält sich aber für den Fall seiner Rückkehr das hiesige Bürgerrecht vor. 1784 wird Mathias Klotz, Hasenwirt, als neuer Eigentümer des Rössle genannt. Er betreibt das Rössle als Zweitbetrieb. Am 03.11.1793 übergibt Mathias Klotz das Rössle an Johann Klotz, vermutlich sein Sohn. Dessen Sohn Mathias wird 1798 geboren (+1856) und übernimmt am 14.01.1826 die Wirtschaft. Der Hasen wird 1814 verkauft.

Um 1818 wurde die gegenüberliegende Brauerei zum Grünen Baum aufgegeben und das Grundstück geteilt. Klotz konnte das Bräuhaus (späteres Haus RB02) dazu erwerben und für seine Brauerei nutzen.

Ab 14.01.1826 werden Anton und Magdalena Weißenhorn die neuen Eigentümer des Rössle. Am 14.10.1837 wird das gegenüberliegende Bräuhaus Reichenbacher Str. 2 wieder verkauft, und zwar an den Spengler Johann Wörsing. Im Akt A 126-W5 wird notiert, Wörsing habe das Haus RB02 für 1225 fl vom verstorbenen Rösslewirt Kast gekauft. Demnach muss das Rössle vor 1837 an Kast verpachtet worden sein. 1832 ist Kast noch nicht im Einwohnerverzeichnis enthalten. Es wird angenommen, dass Anton Weißenhorn wohl um 1833 gestorben war und die Wirtschaft danach an Kast verpachtet war bis der Sohn Anton Weißenhorn die Brauerei übernehmen konnte.

1850 baut der Gastwirt und Bierbrauer Anton Weißenhorner, Rößlewirt, (wohl der gleichnamige Sohn) auf dem Acker seines Schwagers, des Bleichers Joseph Kurz, an der Roggenburger Str. einen Lagerbier-Keller. 1859 möchte der Rößlewirt Anton Weißenhorn an seinen Stadel im Hof eine Remise in Fachwerk anbauen. Zwischenzeitlich überlegt er es sich aber anders und reicht einen neuen Plan mit massivem Anbau an seinen Stadel und einen Anbau an seinen Viehstall ein, welchen er in diesem Zuge komplett renovieren möchte.

Anton Weißenhorn stirbt 1861 mit 45 Jahren an Typhus. Demnach muss es sich bei ihm um den Sohn des Anton Weißenhorn handeln, der 1826 das Rössle kaufte. Am 16.04.1863 kauft der Bleichereibesitzer Josef Kurz aus dem Nachlass seines Schwagers Anton Weißenhorn das Rössle mit dessen Brauerei, Tavern- und Branntweinrecht. Er beantragt eine Übertragung dieser Rechte an sich. Diese wird ihm vom Magistrat gewährt, allerdings mit der Auflage, dass er einen fachkundigen Werksführer für diese Arbeiten einstellt.

Im Jahr 1866 ist in einem Bauantrag für eine Torfremise ein Vermerk über den nördlich angrenzenden Fuggergarten enthalten “Garten zu Hs.Nr. 261 [Fuggerschlösschen], jetzt Schenkanlage zu Hs.Nr. 168 [Rössle]”. Es wurde wohl von den Fuggern ein Teil des Gartens erworben (oder angepachtet) und hier ein Biergarten installiert. Im selben Plan ist auch im Norden des Stadels eine Schenk und ein Pissoir eingezeichnet, was diese Annahme verfestigt. Ein Durchgang sollte die Erreichbarkeit des Biergartens sichern. 1

Am 30.10.1879 heiratet Peter Sälzle, Brauer aus Attenhofen, die Tochter Therese, geb. Kurz und übernimmt das Rössle. Der Biergarten des Rössles wurde um 1880 für das ehem. Fugg. Bräuhaus umgewidmet und erweitert. Im Kataster sind ein Gebäude für den Ausschank und eine Kegelbahn zu erkennen. Der Biergarten wurde 1922 zur Errichtung des neuen Pfarrhauses aufgegeben.

1882 baute Peter Sälzle einen Torfstadel in seinen Garten, dieser befand sich hinter dem Gebäude Reichenbacher Str. 9. Vermutlich verkaufte Leopold Vogt, der 1881 das Haus RB09 neu erbaut, seinen Stadel an Peter Sälzle, der ihn abbrach und anschließend in Abschnitten neu bebaute (Abbruch 2009). 1884 wurde die Gaststube vergrößert. 1886 erhöhte die Rösslebrauerei das Kühlhaus und baute ein zweites Kühlschiff an.

1907 tritt Alois Sälzle die Nachfolge seines Vaters Peter als Rösslewirt an. Zusammen mit seinem Schwager Kajetan Kempfle vergrößerte er die Keller unter dem Rössle und verband sie mit den Kellern Fuggerstr. 2b. Am 12.02.1909 wurde die Gastwirtschaftskonzession für Alois und Wilhelmine Sälzle erteilt, bis dahin war also noch der Vater Peter Inhaber der Konzession.

Um 1905 kaufte Kajetan Kempfle das Bräuhaus Kirchplatz 6, damit auch das Gebäude Fuggerstr. 2b. Kempfle war aus Langenhaslach und hatte sein dortiges Anwesen verkauft. Er brachte seine ledige Schwester mit nach Weißenhorn, die dann Alois Sälzle vom Rössle heiratete. Da somit alles Verwandtschaft war, wurden die Keller der Gebäude Fuggerstr. 2b und Reichenbacher Str. 5 untereinander verbunden.

Bauliche Entwicklung im Bereich des Gasthofs Rössle; Arch. B. Günther

Sälzle bewirbt seine Gaststätte im Adressbuch.

Im Jahr 1930 fand eine grundlegende Renovierung des Gebäudes statt. Schon 1927 hatte Alois Sälzle auf eine elektrische Brauereikühlanlage Modell Linde umgestellt, nun wurde die Gaststube erneuert und das Haus bekam einen neobarocken Schweifgiebel. Die Fenster des Erdgeschosses wurden mit Rundbogenblenden versehen. Das neue Hauszeichen (Fass mit Ähren und Geräten) ist bez. 1930. Es wurde leider bei der Fassadenrenovierung 2009 nicht wieder hergestellt.

Alois Sälzle starb 1936 kinderlos und verkaufte an die Bürger- und Engelbräu, Memmingen (B&E). Die Brauerei wurde eingestellt. Von nun an begann der Niedergang der Traditionswirtschaft, verbunden mit häufigen Pächterwechseln. Ab 01.04.1939 war Monika Eder geb. Eckle, Bräumeistersehefrau, Pächterin, bereits am 29.04.1939 gefolgt von Therese Gramlich und nur einen Monat später von den Eheleuten Jauch aus Aichstetten.

Während des 2. Weltkriegs wurden die Keller der Wirtschaft, die ja nicht mehr als Lager benötigt wurden, zu Luftschutzkellern umgebaut. Am 06.06.1944 übernahm Josef Reiner, bisheriger Pächter der Bahnhofswirtschaft, das Rössle. In den Garten wurde eine heizbare kombinierte Kegel- und Schießbahn mit Gaststätte und offener Veranda gebaut. Die Schießbahn wurde vom Schützenverein genützt. 1952 wurde ein Teil des rückwärtigen Stadels (A 126-W 17 von 1859) abgebrochen und das Kegelzimmer an dieser Stelle verlängert. Außerdem wurde hier eine WC-Anlage eingebaut. 1957 wurde die offene Veranda der Kegelbahn geschlossen und zu einem Saal umgebaut. Auch der restliche Teil des rückwärtigen Stadels wurde der Kegelbahn zugeschlagen und zu einem Raum für die Sänger ausgebaut.

1959 ist Berta Hanold im Adressbuch als Gastwirtin eingetragen, 1964 ist es Theresia Nusser, auch noch 1968. 1977 ist es Nicola di Chiara, 1985 Helmut Podhorny, 1997 Janos Szabo.

1965 wird noch einmal die Fassade renoviert und die Renovierung auf dem Hauszeichen vermerkt. Ab 1978 wurde der Kegelbahnanbau als Tanzlokal genutzt und die Toiletten umgebaut. 1990 wurden die Zwischenwände des Tanzlokals herausgenommen und das Gebäude insgesamt als Diskothek genützt. Ein beantragter Spielsalon wurde nicht genehmigt, aber dennoch einige Zeit betrieben. Um 2000 wurde das vergoldete Rössle als Wirtshausschild abmontiert, um es angeblich zu restaurieren und im Schuppen zwischengelagert. Nach Übernahme des Gebäudes durch die Stadt war das Wirtshausschild aber nicht mehr vorhanden. Wahrscheinlich wurde es verkauft oder verschrottet. Die Diskothek wurde wegen massiver Nachbarproteste geschlossen. Die Gastwirtschaft Rössle wurde weiterhin genutzt.

Um 2005 wurde auch die Gaststätte geschlossen. Die Bürger- und Engelbräu Memmingen als Eigentümer versuchte das Gebäude zu verkaufen. Der Bauzustand verschlechterte sich zusehends. Auf Anordnung des Landratsamtes wurde das Gebäude 2008 gesichert und die Fenster teilweise vernagelt.

Im Jahr 2009 erwarb die Stadt das Gebäude mit Grundstück im Rahmen der Altstadtsanierung, um die städtebauliche Entwicklung zu sichern. Die Fassade des Rössle wurde saniert und mit neuen Fenstern versehen. Ein Interessent für das Gebäude wurde aber noch nicht gefunden. Es wurde auch ein Bebauungsplan aufgestellt, der eine Durchlässigkeit der Grundstücke zwischen Hauptplatz und Kammerlanderstr. mit einer verdichteten Wohnbebauung und Parkplätzen zum Ziel hatte. Dieser Plan wurde aber nicht umgesetzt, obwohl die Realisierung nach Erwerb der restlichen Grundstücke, besonders des ehem. Supermarktes Kammerlanderstr. 1, möglich gewesen wäre.

Die unbefestigte Hoffläche wurde als provisorischer Parkplatz freigegeben.

2024 wurde ein Architektenwettbewerb über die Nutzung des Geländes ausgelobt. Eine defintive Entscheidung für einen Entwurf und dessen Umsetzung wurde aber noch nicht getroffen.

  1. Aus den bisher erarbeiteten Quellen ist nicht zu klären, ob bzw. von wann bis wann der Biergarten zum Rössle (RB05) oder zum Bräuhaus (KP06, FG02b) gehörte. 1866 ist eine Zuordnung zum Rössle erwähnt, 1881 liegt ein Bauantrag für einen Biergarten vom Bräuhaus vor; evtl. wurden auch zwei Biergärten parallel betrieben. Erst ab ca. 1905 waren beide Gaststätten verwandtschaftlich verbunden, so dass eine gemeinsame Nutzung möglich erscheint. ↩︎

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert