Nicht mehr vorhandene Gebäude,  Private Gebäude

Kaiser-Karl-Str. 1 – nichts steht mehr, oder noch nicht?

7. Dezember 2021/Lageplan

Von der alten Bebauung auf diesem Grundstück steht nichts mehr, aber eine Neubebauung an dieser Stelle wäre städtebaulich wünschenswert. Was war hier einmal und was könnte geschehen?

Vorgängerbebauung

Die Vorgängerbebauung hier begann 1581 und wurde um 1903 zugunsten eines Neubaus abgebrochen, der aber auch schon nicht mehr existiert.

Die erste Erwähnung des Gebäudes erscheint 1581 mit Conradt Felber. Das Haus ist also damals neu errichtet worden. Es gibt sogar ein Foto dieses alten Hauses von 1890. Das Haus war die meiste Zeit zweigeteilt.

Westlicher Hausteil, früher Hs.Nr. 161

Bei der ersten Teilung 1587 blieb Conrad Felber auf der westlichen Hälfte, die östliche wurde an Hans Saur verkauft. 1623 wurde die Haushälfte an Hans Höß jung verkauft. 1648 ging das Haus an seinen Sohn Hans Höß jüngst, der bereits 1636 die andere Hälfte von den Erben des Hans Fahrenschon erworben hatte und dem nun das ganze Haus gehörte. 1660 wurde das Haus wieder geteilt, Hans Höß blieb auf der östlichen Hälfte bis 1676. Jetzt wurde die Hälfte an die Witwe Susanna Lutzenberger für 115 fl verkauft, diese blieb bis 1696.

1696 wurde der Schuhmacher Jacob Bader für 150 fl Inhaber der Haushälfte, er übergab sie 1706 an seinen Sohn Lorenz Bader, Mesner. Aber erst am 13.04.1708 ist der Verkauf der Haushälfte genannt, und zwar für 112 fl durch die Stadt (E.E. Rat). Der Name Lorenz Bader erscheint bis 1773, es könnte auch ein namensgleicher Generationenwechsel innerhalb dieser Zeit stattgefunden haben. Auch die nächste Familie blieb lange auf diesem Haus. 1773 ist der Weber Joseph Moog genannt, ab 1786 seine Witwe Barbara und ab 1819 der Sohn Mathias Moog, ebenfalls Weber. 1831 ist seine Witwe genannt, bevor diese am 12.12.1840 an den Sohn Serafin Moog, Maurer, übergibt.

1840 wollte die Witwe Moog ihr Haus wegen Baufälligkeit reparieren und erweitern. Hierzu benötigte sie von der Gemeinde 72 Fuß² (6,13 m²) öffentlichen Grund. Der Magistrat stimmte dem Bau nicht nur zu, sondern fand die Reparatur auch höchst wünschenswert, weil hierdurch das “missgestaltete Wohnhaus” wesentlich verschönert werde. Die erforderliche Grundabtretung erfolgte unentgeltlich. Durch die ‘Baureparatur’ wurde die westliche Hälfte praktisch massiv erneuert und wirkte anders als die östliche Hälfte, die noch als Fachwerkbau dastand.

Am 26.10.1858 erwarben Johann und Anna Heckenberger die Haushälfte von Serafin Moog. Am 18.06.1872 kaufte der Eisenhändler Valentin Sälzle, der auf dem Nachbargrundstück Östl. Promenade 2 einen Eisenwarenhandel betrieb, die Haushälfte, brach sie 1880 teilweise ab und nutze den Bau als Eisenwarenlager.

Als die Stadt im Jahr 1902 einen Baulinienplan aufstellte um die Engstelle in der Kaiser-Karl-Str. zu beseitigen, kaufte Sälze die Restfläche und errichtete einen Neubau als Lager.

Östlicher Hausteil, früher Hs.Nr. 162

Die erste Teilung des Hauses erfolgte 1587, als die östliche Hälfte an Hans Saur ging. Im Jahr 1595 tauschten Ulrich Bayer (Kaiser-Karl-Str. 2) und Hans Saur aus unbekanntem Grund ihre Haushälften, so dass nun Ulrich Bayer hier wohnte. 1617 ist Ulrich Bayers Witwe genannt, danach geht die Hälfte an Mathes Sauer, Eigentümer von Kaiser-Karl-Str. 2. Mathes Sauer zugeschrieben, von Mathes Sauers Erben erkaufft. Hier liegen wohl verwandtschaftliche Beziehungen vor. Bis 1623 wurde die Haushälfte an Georg Steichele jung verkauft; Wert 160 fl; er wechselt 1629 auf Kaiser-Karl-Str. 2 (was ja auch dem Mathes Saur gehörte).

Als nächster Eigentümer folgte Hans Fahrenschon mit einem Wert von 195 fl. 1636 sind seine Erben genannt, der Wert steht nur noch mit 100 fl zu Buche, vermutl. wegen Auswirkungen des 30-jährigen Krieges. Hans Hess von der westlichen Haushälfte kaufte den Erben den östlichen Teil ab, so dass ihm nun das ganze Haus gehörte. 1651 sind Hans Hess jung und Hans Hess alt mit einem Wert von je 168 fl genannt.

1660 erscheint Hans Weickmann als neuer Eigentümer der östl. Haushälfte. Im Zeitraum bis 1668 wechselt er auf das benachbarte Haus KK04. Die hiesige Haushälfte wird von einem Hans Wiedemann übernommen. Hans Wiedemann stirbt am 14.08.1669 und hinterlässt seiner Frau Agnes sein Erbe. Drei Wochen später stirbt auch Agnes Wiedemann (die in erster Ehe mit einem NN. Pröß verheiratet war) und vererbt ihr Vermögen an ihren Schwieger- und Stiefvater Hans Wiedemann (sie hatte demnach ihren Stiefbruder geheiratet). 1674 kommt wieder ein Hans Wiedemann vor, vermutlich der nun volljährige Sohn. Er erwirbt die Haushälfte für 145 fl. 1692 sind Hans Wiedemanns Erben erwähnt, diese verkaufen an Jacob Bader, der 1696 als Eigentümer beider Hälften genannt ist.

Es ist nicht dokumentiert, wie lange Jacob Bader beide Hälften besessen hat, denn 1706 erscheinen auf der westlichen Hälfte sein Sohn Lorenz Bader und auf der östlichen Hälfte der Leineweber Jörg Jung, der bis 1736 im Steuerbuch steht. Es liegt aber auch ein Vertrag vom 02.11.1797 vor, in welchem der Weber Jacob Burkhart die Haushälfte für 300 fl von Bartle Kröz, Pfleger von Matheus Tauners Erben, erwirbt. Dieser Matheus Tauner ist allerdings nirgends verzeichnet.

Jacob Burkhart bleibt fast 50 Jahre hier, ab 1773 seine Witwe Marianne, die die Haushälfte am 02.11.1797 an den Taglöhner Josef Demmelmayer verkauft. Demmelmayer stirbt schon am 25.05.1799, die Haushälfte wurde von Johann Georg Helzel erworben. Als nächste Eigentümerin ist Maria Krautheim genannt, aber ohne einen Zeitpunkt der Übernahme, 1818 steht Maria Anna Krautheim im Einwohnerverzeichnis. Ab 1823 ist die Taglöhnerin Walburga Goßner Eigentümerin.

In den folgenden Jahren bis 1897 ist die Situation der Eigentümer und Bewohner undurchsichtig, viele Wechsel lassen auf einen schlechten Bauzustand schließen. Schon 1880 war die andere Haushälfte an den Eisenwarenhändler Valentin Sälzle verkauft worden, der die Hälfte zeitweise abbrach und sie als Eisenwarenlager nutzte.

Am 19.10.1897 kaufte der Kaufmann Mathias Durchschein von Kaiser-Karl-Str. 12 die Haushälfte für 1900 M. Er beantragte 1902 den Umbau des Gebäudes. Das gefiel der Stadt nicht so sehr, weil sie das alte Haus lieber abgebrochen gesehen hätte, um die Engstelle an der Straße zu beseitigen. Das Bezirksamt Neu-Ulm vermerkte zu dem Bauantrag des Mathias Durchschein, es handle sich um eine Bauhauptreparatur, die die Festsetzung einer Baulinie voraussetze. Die Stadt ließ daraufhin Baumeister Gaiser einen Baulinienplan aufzustellen, dieser datiert auf den 15.11.1902. Ziel der Stadt war es, die Engstelle in der Kaiser-Karl-Str. von damals nur ca. 4,25 m zu verbessern, das Haus KK01 abzubrechen und eine dann 7,50 m breite Durchfahrt zu ermöglichen. Der Plan wurde am 18.12.1902 mit den anliegenden Grundstückseigentümern besprochen, die keine Bedenken vorbrachten. Mathias Durchschein erschien trotz zweimaliger Vorladung nicht. Am 12.01.1903 erfolgte die Bekanntmachung der Baulinienfestsetzung im Rothtal-Boten. Dennoch begann M. Durchschein ohne Genehmigung mit dem Bau.

Am 02.07.1903 wurde festgestellt, dass der Kaufmann Mathias Durchschein an seinem Haus Hauptreparaturen ohne Baugenehmigung begonnen hat. So sollen die Nord- und die Ostseite erneuert werden. Der Bau wurde daraufhin eingestellt und Durchschein zur Vorlage von Bauplänen aufgefordert. Dies geschah, ihm wurde allerdings signalisiert, dass sein Vorhaben nicht der Baulinie entspreche und daher nicht genehmigungsfähig sei. Ihm wurde empfohlen, das Haus an die Stadt oder an den Nachbarn Sälzle zu verkaufen. Die Durchführung der Baulinie ist im öffentlichen Interesse sehr erwünscht, doch wäre es unbillig, den Durchschein die Kosten der Durchführung allein tragen zu lassen.

Neubau Eisenwarenlager

Die Stadt versuchte nun, die Haushälfte zum Abbruch zu erwerben. Am 26.07.1903 bot Mathias Durchschein seine Haushälfte für 1900 M der Stadt zum Kauf an. So viel hatte er auch im Ankauf bezahlt. Der Eisenwarenhändler Sälzle, Besitzer der anderen Haushälfte, zeigte Interesse an der bebaubaren Restfläche und bot dafür 1000 M. Die Stadt war bereit, 300 M für die Restfläche zu zahlen, die zur Straßenverbreiterung gebraucht wurde. Mit diesen 1300 M war Durchschein aber nicht einverstanden, er reduzierte aber seine Forderung auf 1700 M. Nachdem Sälzle sein Angebot auf 1300 M erhöht hatte, ging der Verkauf dann für 1600 M am 08.08.1903 über die Bühne.

Im Jahr 1905 stellte Sälzle dann einen Bauantrag, die Umfassungswände zu erneuern und die Stockwerke zu erhöhen. Er brach die alte Haushälfte ab und baute unter voller Ausnutzung der Baulinie sein Eisenmagazin neu. Hierdurch entstand der eigenartige abgeschrägte Baukörper. Während des Neubaus fanden archäologische Grabungen statt, wobei man einige Urnen fand, deren Fund und Lage aber leider damals nicht dokumentiert wurden.

1906 wurde der Kaufmann Friedrich Georg Sälzle, Sohn des Valentin Säzle, Eigentümer des Grundstücks, 1922 die Geschwister Sälzle als Erben.

Am 28.08.1925 stellte die Deutsch-Amerikanische-Petroleum-gesellschaft den Antrag auf Genehmigung einer Dapolin-Pumpanlage an der Ecke Kaiser-Karl-Str. / Östl. Promenade. Dieser Antrag wurde nach Augenscheinnahme genehmigt gegen eine Anerkennungsgebühr von 50 RM/Jahr. So entstand die erste Tankstelle in Weißenhorn! 1928 wurde die Tankstelle erweitert und die Anerkennungsgebühr auf 200 RM erhöht. 1929 wurde die Anlage erneuert und am 07.11.1933 in die Schulstr. 22 verlegt.

Bis 1932 war das Eisenwarengeschäft an den Kaufmann Karl Gansler übergegangen. Anfang der 50er-Jahre gab Gansler die Eisenwarenhandlung auf, in das Gebäude Östl. Promenade 2 zog das Möbelgeschäft Paul Silberbaur. Das Lagergebäude wurde wechselnd als Lager genutzt, stand aber auch öfters leer.

Im Jahr 1975 erwarb die Stadt das Lagergebäude um es abzubrechen und die spitzwinklige Einmündung der östlichen Promenade in die Kaiser-Karl-Str. verbessern zu können. Dies geschah und wurde im Zuge der Sanierung der östlichen Promenade 1979-81 nochmals abgeändert.

Eine weitere Anpassung der Straßenführung erfolgte beim Ausbau des Hauptplatzes 2010.

Gedanken zu einer Neubebauung

Die Engstelle an der Kaiser-Karl-Str. beschäftigte die Stadt über 100 Jahre lang. Beim Verkauf des Fuggergartens durch die Fugger sicherte sich die Stadt in diesem Bereich um 1862 Grundstücke, um die spätere Kaiser-Karl-Str. verbreitern zu können. 1902 erließ die Stadt einen Baulinienplan zwischen Kammerlanderstr. und Ulmer Str., um eine großzügige Straßenbreite zu ermöglichen. Im nördlichen Abschnitt zwischen Ulmer Str. und Spitalweg wurden 1904 die Pappelbäume gefällt und der damalige Hohlweg aufgefüllt. Schon zu Beginn der Motorisierung Anfang des 20. Jahrhunderts merkte man, dass die alte Stadtdurchfahrt durch das Altstadtoval mit den beiden Stadttoren auf Dauer nicht dem Verkehr gewachsen sein werde. 1905 wurde nach Aufstellung eines Baulinienplanes daher das Haus Kaiser-Karl-Str. 1 abgebrochen und die Straße, damals noch Kappengasse geheißen, von 4,25 m auf 7,50 m verbreitert. In den Jahren 1927 und 1932 wurde die Kaiser-Karl-Str. als Notstandsarbeit als zeitgemäße Straße hergestellt, ausgebaut und mit Kugelakazien und Rotdornbäumen als Allee angelegt. 1949 wurde die Straße als Durchgangsstraße ausgebaut und als eine der ersten Straßen in der Stadt geteert.

Doch bereits in den 60er-Jahren stellte man fest, dass am südlichen Ende für eine Straße mit Gehwegen zu wenig Raum vorhanden ist. 1972 konnte das Gebäude Kaiser-Karl-Str. 9 erworben und abgebrochen werden. 1978 wurde ein Bebauungsplan aufgestellt, um eine Verbreiterung der Straße zu sichern. Langsam gelang es der Stadt, die erforderlichen Gebäude zu erwerben und abzubrechen. So konnte 1997 auch das Haus Kaiser-Karl-Str. 5 gekauft und abgebrochen werden. Nur bei dem Haus Kaiser-Karl-Str. 7 konnte sich die Stadt nicht entschließen, ihr Vorkaufsrecht auszuüben, um durch Abbruch des Gebäudes die Engstelle in der Kaiser-Karl-Str. völlig zu beseitigen.

Andererseits merkte man, dass durch den Abbruch dieser Gebäude auf der Westseite der Kaiser-Karl-Str. ein städtebaulicher Abschluss zum Hauptplatz hin fehlt. Bereits bei der Sanierung des Gebäudes Östl. Promenade 2 im Jahr 1977 hatte man vorgesehen, hier einen Abschluss herzustellen und den Treppenhausanbau entsprechend ausgeführt.

Leider hat sich bis heute noch niemand an diese exponierte, aber städtebaulich diffizile Bebauung dieses Grundstücks gewagt. Im Jahr 2010 trat ein Interessent auf, dessen erster Entwurf einer viergeschossigen Bebauung mit Pultdach nicht die Zustimmung der Stadt fand. Man hielt die 4 Geschosse und das Pultdach nicht für eine gute Lösung und wollte eine mehr der Umgebung angepasste Bebauung. Ein zweiter Entwurf wurde als möglicher Lösungsansatz gesehen, trotzdem unterblieb die Realisierung.

So wartet das im Eigentum der Stadt stehende Grundstück noch heute auf eine anspruchsvolle Lösung, die der städtebaulichen Bedeutung an dieser Stelle gerecht wird.

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