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Die Weißenhorner Barchentschau

18. Dezember 2021

Über die Weißenhorner Barchentschau im 16. Jhdt. hat Eduard Wylicil um 1955 einen Artikel geschrieben, der heute noch aktuell ist und die Geschichte beschreibt. Er wird hiermit unverändert dargestellt.

Barchent ist ein Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle, das auf verschie­dene Art hergestellt wird, aber meist in die leinene Kette den Wollschuss erhält. Durch Aufrauen des Baumwollschusses wird der Barchent pelzartig und dadurch wärmehaltend. Als zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Baumwolle ins Land kam, erzeugten die Ulmer den Barchent, dessen Herstellung während des ganzen Jahrhunderts ihr Geheimnis blieb und dessen reißender Absatz die Wirtschaftlichkeit Ulms unge­mein stärkte. Im 15. Jahrhundert hatte die Weißenhorn be­nachbarte Reichsstadt – ohne die Wollweber zu nennen – allein 70 bis 90 Leineweber, wozu noch 300 bis 600 selbstständige Weber auf dem Lande kamen, ungerechnet der Ge­sellen, und die vielen mitarbeitenden Familienmitglieder und Dienstboten. Nach Sebastian Münsters Kosmographie (1558) wurden in Ulm an Leinwand und Barchent jährlich mehr als 100.000 Stück hergestellt. Neben diesen Zahlen seien nur einige vergleichsweise für Weißenhorn genannt. Im 16. Jahrhundert wird einmal die Zahl der Weißenhorner Weber in Stadt und Land mit 69 angegeben. In der ersten Hälfte des17. Jahrhunderts wurden in Weißenhorn jährlich durchschnittlich 5.000 Stück Barchent erzeugt. Das Maximum betrug 1618 über 16.000, das Minimum 1642 knapp 200 Stück. Die Stadt mit ihrer Umgebung war zu klein, um gegen Ulm aufzukommen, aber immerhin groß genug, den Ulmern eine unbequeme Konkurrenz zu machen. Dabei kamen den Weißenhornern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Beziehungen ihrer Herrschaft, der Fugger, zustatten.

Kapitalkräftig war Weißenhorn allein nie. Als die Stadt einen Handel und geschworene Schau aufrichten wollte, musste sie 1479, um das Leinwand- und Golschenwirken in gewünschtem Umfang einzurichten, 400 fl bei dem Ulmer Bürger Sebastian Lieber aufnehmen. Da die Stadt die Summe aus eigenen Mitteln nicht aufbringen konnte, genehmigte der damalige Landesherr, Herzog Georg in Bayern von der Landshuter Linie, die Geldaufnahme. 1480 wurde in der Stadt die Golschenschau (Tuchschau) eingerichtet. Der Chronist Nikolaus Thomas schreibt: „… dieweyl Ludwig von Hasperg pfleger hie ist gewesen, hat sich die golschen­schaw und plaich angefangen, er was dem gemaynen man, a(u)ch der gantzen stat ain nutzlicher man.”

Über die Entstehung der Barchentschau berichtet ;Tho­man: „Anno domini 1516 ward die barchat schaw hie an­gefangen, die weber waren nit fast reich, verdarben fül. Darnach 1521 da waren lützel weber, die da würckten, für oder fünf, an die schaw, darnach ward eß ain wenig besser, angesehen’ unsere herren, die Fucker, verlegten die schaw mit voll und namen den barchat allen an”. Thoman lässt damit für uns offen, wer die Barchentschau eigentlich eingerichtet hat, die Stadt oder die Fugger. Auffallenderweise finden sich im Salbuch von 1480 neben den Bestimmungen über die Leinwand- und Golschenschau auch solche über die Barchentschau: „Item von Barchet roth zu schauen, gibt man von jedem Stück der Statt …..Item von Barchet weiss zu, schauen, gibt man von jedem Stück der Statt … . Item vom Barchet, den man ungeschaut auf die Blaich legen will, gibt man, von jedem Stück zu zaichen oder Stupfgeld 6 Häller.” Während die Beträge für die Leinwand- und Gol­schenschau im Salbuch eingetragen sind, fehlen sie aber bei der Barchentschau, was nicht dafür spricht, dass die Bar­chentschau schon in Übung war. Die Beschau hatte den Zweck, die Stücke auf ihre Fehler zu prüfen, und wenn sie für richtig befunden wurden, mit der Stadt Zeichen als Markenware zu versehen. Die Beschauer werden nach dem Salbuch von Bürgermeister und Rat gesetzt und entsetzt.

Bei dem Lehensherrn der Herrschaft Weißenhorn, König Ferdinand, bemühte sich im Jahre 1553 die Reichs­stadt Ulm darum, dass der König die Fugger dazu bringen möchte, den Barchenthandel aufzugeben. Ulm wäre bereit, auch finanzielle Opfer zu bringen, um in seinem Gebiet allein den Barchenthandel zu beherrschen. Kommissare des Königs verhandelten seit dem 01.10.1553 in Günzburg mit Anton Fugger und Ulmer Gesandten. Auf das Ulmer Angebot von  6000 fl Abstandssumme ging Anton Fugger aber nicht ein, son­dern er verlangte 15.000 fl. Die Tagfahrt blieb ohne Ergebnis, eine neue wurde auf den 03.11.1553 anberaumt. Unterdessen hatte die Stadt Weißenhorn von den Verhandlungen er­fahren. Sie bat die Fuggerische Herrschaft, mit Ulm keine Abmachungen zu treffen, die die Stadt Weißenhorn nur schädigen konnten. Anton Fugger teilte ihr mit, dass er dem Wunsche des Königs nicht ausweichen könne, stellte aber der Stadt anheim, zu der nächsten Verhandlung ihre Abge­sandten zu schicken. Daraufhin brachten Bürgermeister und Rat mitsamt dem .ganzen Handwerk der Barchentweber in der Stadt und den Herrschaften alle ihre Beschwerden schriftlich und mündlich in Günzburg am 03.11.1553 vor und erreichten, dass die Verhandlungen abermals verschoben wurden und zwar auf den 27. Dezember.

Die königlichen Kommissare übermittelten die Be­schwerdeschrift nach Wien, um weitere Weisungen von dort abzuwarten. Der Weißenhorner Bürgermeister Erasmus Knapp und mit ihm Abraham Münch von Augsburg reisten nach Wien, um dort die Interessen der Stadt wahrzunehmen. Der Bericht, den sie dort schriftlich einreichten, gibt uns wertvolle Aufschlüsse über die Geschichte des Barchenthan­dels in Weißenhorn:

Noch ungefähr vor 40 Jahren wurden in Weißenhorn nur Golschen gewirkt und zur Schau ge­bracht. Die Weber hatten davon eine ziemlich gute Nah­rung. Daneben fingen einige Webermeister an, Barchent zu wirken. Mithilfe Jakob Fuggers wurde eine Barchent­schau eingerichtet. Als Zeichen wurden bei dieser Ochse, Löwe (Leo), Traube und Brief verwandt, was noch 1553 in Übung war. Damals vor 40 Jahren war der Bezug der Wolle (Baumwolle) von den Handelszentren Augsburg, Memmingen und auch Ulm mitunter beschwerlich, die Nachfrage überstieg das Angebot. Auch der Vertrieb und Ver­schleiss von Weißenhorn aus ließ sich zunächst nicht günstig an, weshalb die Weißenhorner Weber im Einvernehmen mit ihrer Stadtverwaltung bei der Stadt Ulm den Antrag stellten, sie in die dortige Barchentschau aufnehmen und wirken zu lassen.

Da die Ulmer die Bedingung stellten, Herrschaft und Stadt Weißenhorn müssten sich schriftlich verpflichten, dass niemals eine Barchentschau zu Weißenhorn aufgerichtet werden dürfe, zerschlugen sich die Verhand­lungen. Daraufhin versorgte Jakob Fugger die Weber in Weißenhorn mit Wolle und übernahm dafür von ihnen den Barchent. Sein Nachfolger Anton Fugger zog seit 1535 den Barchent­handel in großem Stil auf. Er lieferte zu seinem wie seiner Untertanen Vorteil ausschließlich und alle Baumwolle. Den Webern kaufte er ihre sämtlichen Barchenterzeugnisse ab und vertrieb diese auf eigene Rechnung. Das Textilgewerbe in Weißenhorn blühte in jener Zeit mächtig auf, es wurde durch Anlegen von Bleichen mit Bleichhäusern, Bau zweier Garnsiedehäuser etc. wieder viel von dem Verdienst zur Ver­größerung der Produktion investiert. In ihrem Bericht von 1553 geht die Stadt Weißenhorn dann grundsätzlich auf die Rechtsverhältnisse ein. Die Fugger könnten den Handel und Verschleiß anderen übergeben, wenn diese die Baumwolle besorgen und die Ware abnehmen. Es stehe auch im Be­lieben der Fuggerischen Herrschaft, ihre Untertanen außer­halb der Stadt der Weißenhorner Barchentschau zuzuführen oder wegzunehmen. Keineswegs könnte sie aber über die Barchentschau der Stadt verfügen, diese Einrichtung gehöre zu den städtischen Rechten.

Die 1553 begonnenen Verhandlungen zwischen Anton Fugger und der Reichsstadt Ulm führten erst am 05.09.1555 zum Abschluss eines Vertrages. Fugger verpflichtete sich, seinen Barchenthandel in der Herrschaft Weißenhorn auf­zugeben und auch anderen im Handel mit Barchent weder in Weißenhorn noch sonst in deutschen Landen Vorschub zu leisten. Der Stadt Weißenhorn und ihrem Weberhandwerk werden aber ihre diesbezüglichen Ordnungen und Rechte, so vor allem die Barchentschau, das Barchentweben und Handeln ausdrücklich vorbehalten. Als Abstandssumme be­kam das Haus Fugger im Jahre des Vertragsabschlusses 3.000 fl und zu Michaeli 1557 8.000 fl. Die noch lagernde Baumwolle Anton Fuggers hatten die Ulmer und Weißen­horner zum Preis von 20 fl für den Zentner abzunehmen. Auch regelten Bestimmungen die Schulden der Weber, eben­so wurde vereinbart, dass für die an Weißenhorn noch zu liefernden 100 Zentner Baumwolle statt barem Geld Tuch genommen und verschleißt werden konnte. Wenn die Fugge­rischen Untertanen auf dem Land, die bisher nach Weißen­horn gearbeitet hatten, nach Ulm wirken und zur Beschau kommen wollen, müssen sie – so wurde im Vertrag festgestellt – sowohl dabei wie bei der Versorgung mit Baumwolle genauso wie die Ulmer Bürger behandelt werden.

Obwohl Weißenhorn nach dem Abtreten der Fugger vom Barchenthandel die Barchentschau geblieben war, strebte es 1574 eine Erweiterung seiner Privilegien an. Ulm erblickte darin eine schwere Schädigung seines eigenen Han­dels und es hob ein Streit an mit Berichten und Gegenberich­ten an den Kaiser. Die Ulmer beriefen sich auf ihre von Kaiser Maximilian 1. 1513 erteilten Privilegien, sowie auf den Vertrag von 1553 mit Anton Fugger. Die schwierige Lage der Ulmer Barchentweberei begründete die Stadt Ulm mit der Erschwerung der Baumwollbeschaffung infolge der Eroberung von Zypern durch die Türken, so dass Knappheit an Leinengarn bei ihr wie in Biberach entstand. Zwecks Schlichtung des Streites wurden nun Vertreter der Städte Augsburg und Donauwörth als kaiserliche Kommissare auf­gestellt. Die Ulmer beschuldigten die Weißenhorner, dass sie ihren Barchent betrügerisch unter den Ulmer mischten oder gar als solchen verkauften. Die Weißenhorner dagegen be­haupteten, dass sie ihren Barchent jederzeit mit ihrer Stadt Zeichen versehen in den Handel brächten, die Ulmer aber betrügerischerweise wahrscheinlich das Weißenhorner Zeichen abschneiden und durch ihr eigenes ersetzen würden. Die Ulmer seien schwere Nachbarn und mit Aushörung der Sachen den Weißenhornern weit überlegen. In einem Weißenhorner Konzeptschreiben, das vielleicht nicht aus­gefertigt wurde, wird erwähnt, dass die Weißenhorner Ware geringer im Preis sei, aber dafür auch in der Qualität mit der Ulmer nicht zu vergleichen wäre. Das war auch der Grund, weshalb Weißenhorn die Erweiterung seiner Privi­legien anstrebte. Die Weißenhorner wollten bessere Quali­täten für die eigene Schau unter ihrem Zeichen herstellen dürfen. Ulm, das schon 1538 seinen Bürgern verboten hatte, mit Erzeugnissen der Weißenhorner Schau Barchenthandel zu treiben, war aber nur bereit, das Wirken von noch ge­ringeren Qualitäten wie bisher zuzugestehen. Bessere mussten nach Ulmer Auffassung auf die Ulmer Schau gebracht werden, so dass sie unter Ulmer Zeichen auf den Markt gekommen wären. 1581 hatte sich Weißenhorn an den Kaiser um Schlichtung gewandt, 1588 bat es einen Erzherzog um Fürsprache. Alle Anstrengungen blieben aber erfolglos. Die Ulmer widerstanden dem Wunsche ihrer Konkurrenten nach Erweiterung der Weißenhorner Privilegien erfolgreich. Resigniert vermerkte der Weißenhorner Stadtschreiber am Schluss des Aktes über den Streit: „Darüber ein Ers.Rath, weylen die Statt Ulm mit Gwalt und Gelt Ihme zu mächtig, für dissmahl alles darbey bewendten lassen.

Die Abrechnungen über die Barchentschau, die für 1600 bis 1646 vorliegen, zeigen zunächst einen blühenden Barchenthandel, der 1618 mit 16.732 Stück seinen Höhe­punkt erreicht. Der spätere Durchschnitt von 5.000 Stück sank kriegsbedingt seit 1636 ab und wies 1642 einen Tief­stand mit 182 Stück auf. 1605 hatte auch der Markt Baben­hausen eine Barchentschau aufgerichtet und trieb Handel mit Ulm, was den Weißenhornern angesichts des alten Ulmer Verbots nicht möglich war. Jedoch traf dies Weißenhorn in den Jahren der Konjunktur nicht schwer. Der Weißenhorner Handel wurde – mindestens seit den 1600 beginnen­den Abrechnungen, wahrscheinlich aber schon seit dem Aus­scheiden der Fugger 1557 – von der Stadt selbst geführt, mit dem Stadtschreiber als Faktor in fester Besoldung. In den Abrechnungen werden weiter als mit dem Vertrieb beschäftigt aufgeführt: Die drei Bürgermeister, die Beschauer, der Aufstoßer, der das Umgeld einziehende Darleger, der Büttel, ja sogar Frau und Mägdlein des Stadtschreibers.

Ab 1636 werden die Abrechnungen mager und summarisch, 1637 hat nicht mehr die Stadt; sondern der wohl allein noch kapitalkräftige spätere Bürgermeister Hans Christoph Wag­ner als Privater den Vertrieb der 1.186 Stück Barchent. Später war es ein Konsortium von 5 Männern, an der Spitze Bürgermeister Wagner, die den Barchenthandel allein be­trieben. Es kam dann auch zum Streit mit der Fuggerischen Herrschaft; das Wagnersche Konsortium hatte seinen Han­del ohne Genehmigung der Herrschaft aufgenommen und ebenso 1.000 fl ohne Erlaubnis bei den Augustinern in Memmingen geborgt.

Der Wagnerische Vorgang der Missachtung der Herrschaft wie der städtischen Vorschriften machte Schule. 1667 verhandelten einige Bürger nach Wagners Vor­bild in Weißenhorn nicht beschauten Barchent nach Ulm. Die Stadt, die von der Fuggerischen Herrschaft, mit der sie im Streite lag, nicht unterstützt wurde, wandte sich direkt an die oberösterreichische Regierung. Diese gab der Stadt Recht. Wir müssen allerdings heute objektiv feststellen, dass die übergangene Fuggerische Herrschaft zuständig gewesen wäre.

Später bekamen die Weißenhorner ihre Wünsche auf Erweiterung ihrer Barchentschau um die Golschen- und Leinenschau erfüllt. Das geht aus der Privilegienbestätigung Kaiser Josephs 1. von 1706 hervor. Damals war aber der Höhepunkt der Weißenhorner Barchentweberei schon über­schritten.

Heute geht in Weißenhorn längst kein Webstuhl mehr.

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