Handel,  Öffentliche Gebäude und Einrichtungen,  Verwaltung und Behörden

Quo vadis Schranne?

Die Schranne ist das älteste erhaltene Gebäude in Weißenhorn. Sie ist von außen her ordentlich in Schuss, im Inneren hat sich aber seit 200 Jahren nicht viel verändert. Mehrfach wurden schon Versuche unternommen, das Gebäude zu reaktivieren. Das sollte doch einmal gelingen, oder? Vielleicht helfen die folgenden Informationen, um das Interesse wieder zu wecken!

Lageplan

1. Bedeutung und Funktion der Schranne

Als ‚Schranne‘ wird im süddeutschen Raum traditionell der Getreidemarkt bezeichnet. Das Wort leitet sich vom italienischen ‚scranna‘ ab, was dort ‚Richterstuhl‘ bedeutet, mittelhochdeutsch aber auch für Verkaufsbänke für Brot und Fleisch verwendet wurde.

Die Schranne ist das älteste im Kern erhaltene Gebäude der Stadt. Sie bildete über mehrere Jahrhunderte hinweg das politische und wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Ein Datum für die Stadtgründung ist nicht überliefert, die erste urkundliche Erwähnung war 1160. Erbaut wurde die Schranne als Rathaus und Kaufhaus nach dendrochronologischer Datierung 1356/57. Die Stadt Weißenhorn muss damals schon eine solche Bedeutung gehabt haben, dass der Bau eines derart großen und aufwändigen Gebäudes gerechtfertigt war. Mit dem Bau der Schranne korrespondiert auch eine Urkunde aus dem Jahr 1387, in der Herzog Stephan von Bayern der Stadt zu ihrem bestehenden Marktrecht das freie Geleit für die Zufuhr von Nahrungsmitteln, Getränken und Vieh auf den Markt ohne Zollerhebung gewährt 1 .

Nach heutigem Sprachgebrauch würden wir von einem ‚Multifunktionsgebäude‘ sprechen. Im – ursprünglich offenen – Erdgeschoss wurden an Markt- oder Schrannentagen Waren, vornehmlich Lebensmittel, verkauft. Hier waren die Marktstände wenigstens ein wenig vor der Witterung geschützt. Im Obergeschoss waren der Ratssaal, der Bürgersaal, ein Arrestraum und das Zimmer des Stadtschreibers untergebracht. Die Dachgeschosse dienten als Lagerraum für Getreide. Diese Funktionen behielt die Schranne bis Mitte des 19. Jahrhunderts bei, wobei das Gebäude den geänderten Nutzungsbedingungen jeweils geringfügig angepasst wurde.

Anfang des 19. Jhdt. schien die Schranne nicht mehr allen Bedürfnissen zu genügen, weshalb über einen Neubau nachgedacht wurde. Dieser Neubau konnte aber nicht verwirklicht werden, was sich heute als Glücksfall darstellt. Die Tatsache, dass an dem Gebäude die letzten 200 Jahre keine grundlegenden Umbauten mehr stattfanden führte dazu, dass wir jetzt ein Baudenkmal vor uns haben, welches noch in großen Teilen den spätmittelalterlichen Charakter besitzt und seit dem Spätbarock mehr nicht heutigen Ansprüchen angepasst wurde, ein in dieser Form einzigartiger und unbedingt erhaltenswerter Fall.

2. Die Schranne als Handelsplatz

Im Jahr 1387 verlieh Herzog Stephan von Bayern der Stadt den sog. Marktgerechtigkeitsbrief 2, der die Grundlage für den Markt und den Handel darstellte. Auch in den Stadtordnungen von 1474 und 1479 waren detaillierte Vorschriften über die Durchführung der Jahr- und Wochenmärkte enthalten 3

1556 wurde der alte Marktplatz hinter der Schranne in Bauplätze aufgeteilt und verkauft. Der Markt wurde auf den neu entstandenen Kirchplatz verlegt (siehe Kapitel 4). Die Schranne selbst wurde 1584 tiefgreifend umgebaut und erweitert. So wurde der Bau um eine Achse nach Westen erweitert und erhielt einen völlig neuen, jetzt über 4 Achsen reichenden Dachstuhl (siehe Kapitel 5). Nach dem Umbau und der Verlegung des Marktplatzes war offenbar 1585 eine neue Polizeiordnung erforderlich, die den Handel streng regelte4.

Die Schrannenordnung, die den Handel auf der Schranne regelte, wurde mehrmals den geänderten wirtschaftlichen und organisatorischen Bedingungen angepasst. Nachgewiesen sind Schrannenordnungen aus den Jahren 1712 [A 143/2], 1857 [A 144/21] und zuletzt 1926 [II, 842-11]. Im Übrigen wurde der Marktverkehr in anderen Verordnungen geregelt. 5

Während früher der Handel mit Getreide und Feldfrüchten einzig von der Stadt geregelt wurde, entstanden Anfang des 20. Jhdt. Bestrebungen zur Privatisierung und Kommerzialisierung des Handels. Wegen der fast flächendeckenden Erschließung des Landes durch die Eisenbahn konnten Produkte günstiger transportiert und auf anderen Märkten angeboten werden, wo höhere Preise erzielbar waren. Diese Tendenz ging natürlich auch nicht an Weißenhorn vorbei. Als erster örtlicher Händler trat der Kaufmann Julius Langenstein in dieses Geschäft ein und erbaute 1910 einen Lagerschuppen am Eisenbahnweiher 6 .

Eine wesentliche Veränderung trat 1916 ein, als die Bayerische Zentral-Darlehenskasse (Vorgängerorganisation der heutigen BayWa) ein genossenschaftliches Lagerhaus Am Eisenbahnweiher 7 errichten wollte 7. Der Wunsch nach Einrichtung eines solchen Lagerhauses wurde seitens der Stadt aber kritisch beurteilt und als Konkurrenz für das Geschäftsleben und die Schranne angesehen. Die Privatisierung des Getreidehandels konnte aber nicht aufgehalten werden und führte letztlich 1937 unter den Zentralisierungsbestrebungen der neuen Machthaber zur Aufgabe des städt. Getreidehandels. 8


3. Rathaus und Selbstverwaltung

Zur Erbauungszeit der Schranne im 14. Jhdt. war das Selbstverwaltungsrecht der Stadt noch nicht weit fortgeschritten. Überhaupt fand auch keine Verwaltung nach heutigem Verständnis statt. So fanden sich im OG der Schranne auch nur zwei Räume, ein Saal und ein Versammlungsraum, über deren Ausstattung und Nutzung keine Quellen vorhanden sind.

Mit der Stadtordnung des Herzog Ludwig aus dem Jahr 1474 und deren Bestätigung durch Herzog Georg den Reichen im Jahr 1479 erhielt die Stadt klar beschriebene Rechte 9. Diese neue Bedeutung des Rats führte wohl auch zum Umbau des Gebäudes im Jahr 1483, bei welchem der Versammlungsraum zu einer Bohlenstube mit neuem Kamin umgebaut und eine Flurzone vorgelagert wurde.

Nachdem am 27.07.1507 die Stadt Weißenhorn für 50.000 fl von Kaiser Maximilian an Jakob Fugger den Reichen ‚verkauft‘ wurde, änderten sich die Bedingungen für die Stadt erneut. Um das Jahr 1511 wurde die Stadtverwaltung, die sog. Stadtschreiberei, aus der Schranne heraus in das Gebäude Mariengasse 1 verlagert, welches dann bis 1690 als Sitz der Stadtverwaltung diente 10. Von 1690 bis 1769 war die Stadtschreiberei im Haus Hauptstr. 5 untergebracht, danach im Gebäude Kirchplatz 7 11.

In der Schranne war, zumindest ab 1584 nach der Vergrößerung des Gebäudes, auch ein Arbeitszimmer für den Stadtschreiber, das sog. ‚Steuerstüble‘. Es kann nicht gesagt werden, welche Verwaltungsarbeiten an welchem Ort und in welchem Zeitraum verrichtet wurden. 1856 wurde die Stadtkanzlei vom Standort Kirchplatz 7 in das heutige ‚Alte Rathaus‘ Kirchplatz 2 verlegt. Es konnte noch nicht geklärt werden, wie lange die Schranne letztlich als Sitzungsraum des Stadtrats genutzt wurde. Erst seit der Sanierung des Rathauses 1952 ist ein Ratssaal im Gebäude Kirchplatz 2 nachgewiesen.

Zu den Aufgaben der Stadt gehörte auch der einfache Ordnungsdienst, der von der Stadtpolizei versehen wurde. Diese hatte ihre Diensträume zwar in der Stadtmagistratur, in der Schranne wurde aber eine Arrestzelle vorgehalten, die in ihrem zuletzt benutzten Zustand noch vorhanden ist. Zahlreiche Wandkritzeleien der Arrestanten sind noch sichtbar.

4. Städtebauliche Situation

Die genaue städtebauliche Situation ist zwar noch nicht archäologisch erforscht worden, lässt sich aber anhand der Eigentümerlisten aus den Steuerbüchern zumindest strukturell recht gut rekonstruieren.

Demnach war der Bereich westlich der Schranne ursprünglich nicht bebaut und diente damals wohl als Marktplatz. Den Hauptplatz gab es zu dieser Zeit noch nicht, der heutige Kirchplatz war noch teilweise bebaut und ansonsten der Friedhof bei der Pfarrkirche.

Die Schranne hatte zur Erbauungszeit auch nur drei Längsachsen und war somit schmaler, so dass ein für damalige Bedürfnisse ausreichend großer Marktplatz vorhanden war.

1542 wurde der Friedhof bei der Stadtpfarrkirche aufgelassen und an den damaligen nördlichen Stadtrand verlegt, heute der sog. Alte Friedhof. Zwischen 1556 und 1575 wurde der Kirchplatz neu geordnet, die alte Bebauung, u.a. das damalige Frühmesshaus, wurde abgebrochen. Mit dem Umbau des Fuggerschlosses 1565, den neuen Bauten des heutigen Brauhauses (1565) und der Kray (heute altes Rathaus) 1576 erhielt der Kirchplatz seine neue Gestalt, die er bis zum Neubau der Stadtpfarrkirche 1862 im Wesentlichen auch beibehalten sollte. Seit dieser Zeit wird der Kirchplatz auch Marktplatz genannt.

Der alte Marktplatz hinter der Schranne wurde 1556 in Bauplätze aufgeteilt und verkauft 12 13. Der Marktplatz wurde auf den Kirchplatz verlegt. Die Schranne selbst wird 1584 durchgreifend renoviert und um eine Achse nach Westen in den Bereich des alten Marktplatzes vergrößert.

Anfang des 19. Jahrhunderts entstand der Wunsch nach einem neuen Rathaus und weiteren Handelsflächen. Um die erforderliche Baufläche in der Stadt zu erhalten kaufte die Stadt 1833 die Gebäude Seb.-Sailer-Str. x 14 und Martin-Kuen-Str. 2 15. Schon 1834 baute man das Haus Martin-Kuen-Str. 2 zu einem Aushilfs-Schrannen-Lokal um. Die Planungsüberlegungen für den Rathausneubau zogen sich von 1832-1858 hin und fanden nach dem Einsturz der Stadtpfarrkirche 1859 ein jähes Ende (siehe Kapitel 6). Die Pläne für das neue Rathaus wurden verworfen. Da man allerdings Verkaufsfläche für die Schranne benötigte, wurde zuerst 1860 zwischen der Schranne und der Hilfsschranne eine Überdachung eingefügt und 1872 die heutige Sommerschranne erbaut (siehe Kapitel 7). Seitdem hat sich die städtebauliche Situation hier nicht mehr verändert.

5. Baugeschichte der Schranne

1356/57      Erbauung (dendrochronologische Datierung) als dreischiffiger, zweigeschossiger Hallenbau, hierbei im EG offene Halle, im OG zwei größere Räume, offene Treppenanlage im Inneren des Gebäudes.

1483           Umbau des Gebäudes, Einbau einer Bohlenstube, Abtrennung der Flurzone, Einbau eines Kamins


1584           durchgreifende Renovierung des Gebäudes, Anbau einer vierten Achse auf der Westseite, komplette Erneuerung des Dachstuhles, Erweiterung des Kellers nach Westen, Einbau einer neuen Treppenanlage mit Zugang von Süden, Ausmauerung des Erdgeschosses mit Toröffnungen, Vertäfelung der Ratsstube und des Steuerstübles, Ausbau des Tanzsaales, Einbau weiterer geschleifter Kamine

1777           wegen Baufälligkeit umgebaut, das Erdgeschoss massiv ausgemauert, die Giebelseiten „wieder aufgemauert”, der Dachstuhl erneuert, das Äußere verputzt und oliv-grau nach Art einer Quaderung gestrichen, Konstruktive Erneuerung schadhafter Bauteile, Vermauerung der Toröffnungen, Einbau einer weiteren Treppe im Bereich des Steuerstübles, vollständige Veränderung der Fensterteilung

Der Akt A 218 des Stadtarchivs vermerkt hierzu: Das Rathaus ist ein ziemlich großes aber schon altes und ano 1585 neu erbautes mit einer ziemlich großen Rath Stüben – 2. Neben Stüblen – und einem weiten Vorgebau, worauf Marckts Zeiten die Loderer fail haben Vorsehers gebäude, welches hinterhalb zugleich das gewordene an archiv- und Schranne, ober der Stadtmaur aber 3 über einander gehende Korn Boden in sich hat. Dieses ziemlich ruinose und der aus weichungs gefahr deren Seiten Maüren nahe gestandene gebäude wirdet wircklichen reparieret, und darf schon wohl auf 2500 fl gewertet werden.

Die Baumaßnahmen wurden 1809 in einem Bestandplan dargestellt.

Fachwerksanierung 1777, deutlich zu sehen die alten Sassen der alemannischen Verblattung im Oberrähm

1860 Da nach dem Einsturz der Stadtpfarrkirche 1859 von dem Neubauprojekt eines Rathauses Abstand genommen werden musste, war es erforderlich, den alten Bau soweit konstruktiv zu sichern, dass er gefahrlos weitere Jahre bestehen konnte. Durch den Kircheneinsturz war man vorsichtig geworden und ließ den kgl. Kreisbaubeamten Hoffman das Gebäude begutachten. Die von ihm vorgeschlagenen Reparaturen wurden vom Landgericht angeordnet und bis 21.02.1861 durchgeführt.

1890 stellt sich die Schranne auf einem historischen Foto mit verputztem EG und OG dar und mit gemalten Fensterornamenten. Es ist leider nicht überliefert, zu welchem Zeitpunkt die die auf dem Plan von 1809 dargestellte Fassadengestaltung geändert wurde und die 4 Gaubenreihen entfernt wurden.

1949-52      Am 24.06.1949 beschloss der Stadtrat, die Fassade der Schranne instandzusetzen und hierüber Angebote einzuholen. Hauptkonservator Prof. Schmuderer vom LfD hielt die Schranne für einzigartig und unbedingt erhaltenswert. Bis 1952 wurden die Fassaden restauriert. Hierbei wurde das Fachwerk im OG freigelegt. Die Wappentafel von 1777 wurde von der Schranne an die Fassade des Museums transferiert.

Dem Antrag des Sylvest Wegele, an der Schranne ein neues Hinweisschild auf seinen Gasthof Löwen anzubringen, wurde am 24.06.1949 entsprochen. Aber erst am 11.08.1952 wurde ein beurteilungsfähiger Plan vorgelegt. Dem Plan wurde zugestimmt. Der neue Ausleger des Löwen an der Schranne käme aber auf 500-800 DM. Das war Herrn Wegele zu viel. Das LfD gab einen Zuschuss von 150 DM, wenn die Stadt auch einen Zuschuss gäbe. Dies wurde von der Stadt aber abgelehnt.

Am 30.08.1956 ist um 10:30 Uhr in der Schranne ein Brand entstanden, der von der Feuerwehr schnell gelöscht wurde. Hierbei entstand zwar hoher Sachschaden bei dem gelagerten Getreide, das Gebäude wurde aber fast gar nicht vom Brand geschädigt. Als Brandursache wurde eine Überhitzung der Getreidetrocknungsanlage festgestellt.

In der Stadtratssitzung am 03.07.1959 wurde über den Verkauf der Schranne an die Volksbank beraten (s.u.). Dies wurde zum Anlass genommen, die Schranne genauer zu untersuchen. Ein Ingenieur der Fa. Happle und Stbm. Dosch untersuchten den Bau und stellten zahlreiche Baumängel fest. Man hielt auch einen Einsturz nicht für ausgeschlossen. Zur weiteren Begutachtung wurde das Denkmalamt eingeschaltet. Das Landbauamt Memmingen begutachtete daraufhin die Schranne. Das Dachstuhlgebälk sollte durch Drahtseile gesichert und nach innen gehängt werden. SR Happle bot seinen Statiker für eine Berechnung an. Es wurde angeführt, der Pächter B.C. Keller habe das Getreide zu hoch aufgeschüttet und die Konstruktion überlastet. Mehr geschah allerdings nicht.

Am 22.03.1965 besichtigte der Stadtrat den alten Sitzungssaal in der Schranne um ihn evtl zu reaktivieren. Eine Wiederherstellung zur Benutzung wurde aber als nicht vertretbar angesehen.

Um über die Zukunft der Schranne entscheiden zu können, wurde am 15.12.1966 Herr Ing. Speidel mit einem Gutachten über den baulichen Zustand des Schrannengebäudes für 440 DM beauftragt. Das Gutachten legte er am 06.06.1967 vor. Das Gutachten stellte eine grundsätzlich gesunde Bausubstanz fest. Es wurde die Neueindeckung und die Anbringung einiger Aussteifungen für erforderlich gehalten. Zudem sollte das gespaltene Mauerwerk im EG ersetzt und der Außenputz erneuert werden. Die Instandsetzung des Daches wurde am 09.07.1968 beschlossen, der Auftrag für die Neueindeckung aber erst am 13.07.1970 erteilt. An den Kosten der Neueindeckung der Schranne im Jahr 1971 von 27.432,46 DM beteiligte sich das LfD mit 5000 DM.

1976 wurde die Renovierung der Ostfassade der Schranne beschlossen und mit 14.351,97 DM Baukosten abgeschlossen. Im Jahr 1977 wurden die Nord- und Südgiebel renoviert.

1994           Erneuerung des Außenputzes im EG-Bereich und Anbringen eines Sanierputzes. Hierbei wurde die bauliche Struktur unter dem Putz sichtbar und dokumentiert.

abgeschlagener Putz im EG Schranne, 1994; Fotos: Sammlung Günther

6. Planungen zum Rathausneubau 1833-1859

Nachdem die Stadt 1833 die hinter der Schranne gelegenen Gebäude für den Zweck eines neuen Rathausbaus gekauft hatte, wurde 1833 ein Beschluss zu einem Neubau gefasst. Da man in diesem Zusammenhang auch ein neues Pfarrhaus bauen wollte und in dieser Sache nicht viel weiter kam, verliefen die Planungen im Sand. Erst 1845 griffen die Gemeindebevollmächtigten den Vorgang wieder auf und forderten den Magistrat zum Handeln auf. Mit Schreiben vom 23.09.1847 befürwortete das Landgericht Roggenburg den Neubau und forderte die Stadt auf, Pläne und einen Kostenvoranschlag fertigen zu lassen.

Am 29.07.1848 wurde Maurermeister Kerner ein Planungsauftrag erteilt. Diesem war die Aufgabe aber wohl zu groß, weswegen er den Auftrag nicht annahm. Am 17.08.1848 erhielt der Civil-Bau-Inspector (Architekt) Stengel in Augsburg den Planungsauftrag. Dieser fertigte einen Planentwurf, den er am 01.04.1849 vorlegte. Den Stadtvätern war dieser Entwurf aber etwas zu aufwändig war und bot auch nicht den für erforderlich gehaltenen Platz für den Schrannenverkehr.

Im Jahr 1849 wurden die Planungsarbeiten offenbar eingestellt. Da in der Mediation 1848/49 die Gerichtsbarkeit vollständig auf den Staat überging, fiel für die Fugger als Ortsherren ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor fort. Die Fugger entschlossen sich daher, sich vollständig aus Weißenhorn zurückzuziehen und alle Immobilien zu verkaufen. In diesem Zuge erwarb die Stadt u.a. die Schlösser und das Herrschaftsgericht Hauptstr. 8. Es ist anzunehmen, dass der hierzu erforderliche Kapitalaufwand dazu führte, die Rathausplanung nicht weiter zu betreiben.

Erst 1857 wurde über den Rathausbau weiter beraten. Dabei wurde der Stengel’sche Entwurf als zu aufwändig und unzweckmäßig abgetan. Zuerst entwickelte Maurermeister Kerner ein Raumprogramm mit Vorentwurf, den die Gemeindebevollmächtigten aber nicht für groß genug hielten.

Zwischenzeitlich hatte sich Maurermeister Deibler in Weißenhorn etabliert und sich als Planer einen Namen gemacht. Deibler legte am 12.11.1857 einen Entwurf vor, bei dem als Schrannenhalle eine eingeschossige offene Halle auf gusseisernen Stützen mit abgewalmtem Dach vorgesehen war.

Die offene Halle, angelehnt an die neue Münchener Schrannenhalle, hielt man aber für unpraktisch. So entwickelte Deibler einen weiteren Entwurf, der am 27.12.1857 von der gemeinsamen Planungskommission gebilligt wurde.

Nach diesem Beschluss fertigte Maurermeister Deibler danach die Reinzeichnung seines Entwurfs, der am 07.01.1858 beim LG Roggenburg zur Genehmigung eingereicht wurde.

Am 10.02.1858 hatte das LG Roggenburg die vorgelegte Planung genehmigt. Für die geschätzten Baukosten der Schranne von 36.000 fl erarbeitete die Stadt einen Schuldentilgungsplan, nach welchem die Summe bis zum Jahr 1865 abzuzahlen gewesen wäre. Der Plan des Maurermeisters Deibler mit Kostenvoranschlag und Schuldentilgungsplan u wurde von der Baukommission gebilligt und am 18.06.1858 zur Genehmigung beim LG Roggenburg eingereicht.

Wegen des Umfangs der Baumaßnahme hielt das LG aber eine ‘allerhöchste Genehmigung’ durch den König für erforderlich und leitete die Akten nach München weiter. Dem Innenministerium missfiel aber die vorgelegte Planung. Am 01.09.1858 gab es seine Stellungnahme ab:

Nach der beachtlichen Vorlage vom 25. des Monats soll das zu Weißenhorn neu zu erbauende Rathaus mit Schrannenhalle nicht alle Amtslokalitäten enthalten, so daß künftig die Amts- und Kassen-Lokalitäten in einem anderen Gebäude verbleiben, die Sitzungszimmer nebst Arrest aber in das neue Rathaus verlegt werden. Diese unzweckmäßige Einteilung kann bei einem noch überdies kostspieligen Neubau nicht gebilligt werden, vielmehr ist in Erwägung zu nehmen, dem Neubau eine solche Einrichtung zu geben, daß sämtliche Magistratlichen Lokalitäten darin untergebracht werden oder, wenn die damaligen magistratischen Amtslokalitäten zweckmäßig sind, sonach keine Verwendung erheischen der Neubau auf den Bau einer Schrannenhalle beschränkt werde. Sofern dem Ersteren der Vorzug gegeben wird, fällt das damalige magistratische Amtslokal der Gemeinde zu anderweiter Verfügung anheim und ist offen möglichst nutzbringender Verwendung oder Benutzung in Betracht zu nehmen.

Deibler überarbeitete die Pläne noch einmal. Die neuen Pläne wurden am 20.09.1858 dem Landgericht vorgelegt.

Doch auch diese Pläne vermochten scheinbar nicht voll zu überzeugen. Am 01.02.1859 gab die Regierung in Augsburg ihre Stellungnahme ab. Am 01.09.1858 bemängelte das Innenministerium, dass in dem Neubau nicht alle erforderlichen Amtslokalitäten untergebracht werden sollen und hielt die Planung daher für unzweckmäßig. Auch der Bau-Kunstausschuss kritisierte die Fassadengestaltung, machte selber Gegenvorschläge und leitete die Planung an Freiherr von Stengel zur Überarbeitung weiter. Nach dieser Überarbeitung ging Stengel von 52.000 fl Baukosten aus, was ca. 45% Mehrkosten bedeutete. Stengel kündigte seinen Besuch für den 25.02.1859 an, um die Angelegenheit zu besprechen.

Es kam aber völlig anders. Am 22.02.1859 stürzte die Weißenhorn Stadtpfarrkirche während eines Gottesdienstes ein. Hierdurch entstand eine vollkommen neue Situation. Bereits am 24.02.1859 beschloss das Baukomitee, das Projekt eines Rathausneubaus fallen zu lassen, da nach dem Einsturz der Stadtpfarrkirche hohe Kosten auf die Stadt zu deren Wiederherstellung benötigt würden. Freiherr von Stengel kam zwar am 25.02.1859, zeigte aber Verständnis für die Umstände und hielt seinen Entwurf zurück, so dass hiervon keine Unterlagen vorhanden sind.

Somit wurde aus dem Rathausneubau nichts. Stattdessen musste die alte Schranne noch einmal soweit repariert werden, dass sie noch ca. 10 Jahre bestehen könnte. Hieraus wurden jetzt 160 Jahre!

Der Rathausneubau und seine Vorgeschichte sind hier vereinfacht dargestellt und sind in einem separaten Artikel ausführlich behandelt.

7. Bau der Sommerschranne

Schon kurz nach dem Erwerb des Hauses Martin-Kuen-Str. xx von Matthias Bader wurde dieses Haus ab 1834 als ‘Aushilfs-Schrannen-Lokal’ genutzt. 16 Es verblieben aber auch noch Wohnungen in dem Haus.

Weil der Lagerplatz in der Schranne trotzdem offenbar nicht mehr ausreichte und aus dem Neubau einer Schrannenhalle wegen des Kircheneinsturzes nichts wurde, überbaute die Stadt den Raum zwischen der Schranne und dem ehem. Baderschen Haus 1860 mit einem Zwischendach. 17 1864 wurde dieses Dach mit Schiefer eingedeckt.

Nachdem die Wünsche für einen Rathausneubau mit Schrannenhalle nicht mehr finanzierbar waren, beschloss die Stadt 1872, zur dringend benötigten Lagerung der Sommerfrüchte (daher der Name Sommerschranne) ein Lagerhaus in einfacher Konstruktion damaliger Zweckbauten als Provisorium zu bauen. Der Bau erfolgte als ausgemauerter Fachwerkbau nach einem Prinzip, in dem zu dieser Zeit mehrere Lagergebäude errichtet wurden 18.


Um eine bauliche Nutzung der Schranne zusammen mit der Sommerschranne zu ermöglichen, wurde die westliche Mauer der Schranne auf eine Länge von ca. 15,50 m entfernt. Die Abfangung der Lasten der Mauer aus den oberen Geschossen erfolgte mit nur nach Gefühl dimensionierten Holzstützen. Diese konnten die Last offenbar nicht aufnehmen, was zu einer deutlichen Setzung des Gebäudes mit entsprechenden Verformungen führte. Diese Setzungen sind bis heute nicht abgeschlossen, weswegen eine statische Sicherung dringend erforderlich ist.

Auf der Westseite der Schranne wurde eine öffentliche Fahrzeugwaage hergestellt, welche 1982 stillgelegt wurde.

Nachdem der Getreidehandel ab den 30er-Jahren fast vollständig in private Hände gefallen war, wurde die Sommerschranne vom Bauhof als Lagergebäude genutzt. Diese Nutzung dauert bis heute an.

Während die Sommerschranne lange Zeit wegen ihrer Lage, Dimension und Gestaltung als Zweckbau als städtebaulicher Fremdkörper angesehen wurde der entfernt werden sollte, mehren sich nun seit einiger Zeit auch Stimmen, die die Sommerschranne gerade deswegen als Zeitzeugnis ansehen und sich für einen Erhalt aussprechen, auch wenn das Gebäude nicht als Baudenkmal gelistet ist. Mehrfach gab es in der Vergangenheit die Forderung nach einem Abbruch der Sommerschranne, um die Fläche als innerstädtischen Parkplatz zu nutzen. Da man aber bei einem Abbruch das 15 m lange Loch in der Westwand des EG der Schranne irgendwie statisch sicher und gestalterisch ansprechend hätte verschließen müssen, wurde dieser Wunsch nicht realisiert.

8. Spätere Planungen und Nutzungsüberlegungen

Nachdem aus dem Rathausneubau nichts wurde, begnügte man sich mit der Schranne im alten Zustand und integrierte weitere Nutzungen in das Gebäude. Da man aber immer noch von einem Abbruch des Gebäudes ausging, investierte man nichts mehr in das Gebäude, z.B. für den Einbau einer zeitgemäßen Heizmöglichkeit oder sanitärer Anlagen. Es erfolgte lediglich 1899 der Anschluss des Gebäudes an die Stromversorgung. Diese bauzeitliche Elektroinstallation besteht bis heute!

1. Nutzung als Turnraum

1847 wurde in Weißenhorn ein Turnverein gegründet. Um auch im Winter einen Turnbetrieb durchführen zu können, stellte man 1863 dem Verein Räumlichkeiten im gerade von den Fuggern erworbenen Kornkasten An der Mauer 4 zur Verfügung. Weil das Gebäude aber verkauft und zu einer Malzfabrik umgebaut wurde, musste der Verein hier schon bald ausziehen und fand im Tanzsaal der Schranne eine neue Übungsstätte. Die aus heutiger Sicht primitiven Aufhängevorrichtungen für die Reckstangen sind noch heute sichtbar. Bis zur Fertigstellung der neuen Turnhalle (jetzt Stadthalle) wurde der Turnbetrieb in der Schranne abgehalten. Die Einweihung der neuen Turnhalle fand am 20.06.1908 in Verbindung mit einem Gauturnfest statt, wofür dem Verein auch die Schranne zur Verfügung gestellt wurde.

2. Nutzung zu Ausstellungszwecken

Bis zum Bau der neuen Turn- und Stadthalle war die Schranne das einzige größere städtische Gebäude, welches als Versammlungs- oder Ausstellungsraum genutzt werden konnte. So wurden in der Schranne auch die in Mode kommenden Gewerbeausstellungen abgehalten, auf denen die Leistungsfähigkeit des örtlichen Handwerks demonstriert wurde. So fand im Jahr 1891 auch in Weißenhorn eine Gewerbeausstellung statt, auf der 51 Meister und 25 Lehrlinge ausstellten.

Über die Gewerbeausstellungen in der Schranne erscheint noch ein separater Artikel

3. Überlassung als Getreidelager

Trotz der anfänglichen Ablehnung des privaten oder genossenschaftlichen Getreidehandels durch die Stadt ließ sich diese Entwicklung nicht aufhalten. Zuletzt lehnte die Stadt am 02.09.1921 noch einmal die Vermietung der Schranne an die Vereinigte Schwäbische Warenvermittlung ab, genehmigte aber bereits am 09.09.1921 die Verpachtung an den Kommunalverband Neu-Ulm für 7.500 M/Jahr zur Getreidelagerung. Schon im nächsten Jahr wurde der Pachtpreis inflationsbedingt auf 15.000 M verdoppelt. Die Stadt versuchte zwar den Einfluss auf die Getreidepreise zurück zu gewinnen, was aber nicht gelang. 1938 wurden die Schrannenböden (Dachgeschosse) an die Heeresstandortverwaltung Ulm zur Mehleinlagerung für 22 RM/Monat vermietet.

1939 wurde die Schranne auf Ansuchen der Reichsstelle für Getreide an die Firma Christian Keller verpachtet. Diese Firma entwickelte sich in der Folge zum größten Landwirtschaftshandel in Weißenhorn und nutzte die Schranne dann bis zum Ende des Betriebs, vom Nachfolger noch bis 1975.

1949 wurde festgestellt, dass die Fa. B.C. Keller in der Schranne zu viel Getreide lagert, verbotenerweise auch Kunstdünger. Man legte der Firma nahe, ein eigenes Lagerhaus zu bauen. Durch die Überlastung des Gebäudes nahmen die schon vorher beschriebenen Verformungen weiter zu. Eine der mittleren geschnitzten Stützen hatte man schon 1906 aus der Schranne entnommen um sie im Heimatmuseum auszustellen, wo sie auch 1989 in die Neukonzeption einbezogen wurde. Zur statischen Sicherung wurden zu Beginn der 50er-Jahre zusätzliche Stützen im ehem. Tanzsaal eingebaut, die noch heute vorhanden sind. Auch die Lastbegrenzung aus dieser Zeit ist noch beschildert. Die Böden der Dachgeschosse wurden mit einem Kalk-Sägespänbelag als Rieselschutz versehen.

Letztmals wurde der Pachtvertrag Fa. Landhandel (Nachfolger der Fa. B.C. Keller) zur Nutzung der Schranne als Saatgutlager bis 30.04.1975 verlängert.

Ab 1976 wurde die Schranne als Austellungsfläche und Lager an die Fa. Brändle, Hauptstr. 19, vermietet.

4. Die Schranne als Werbeträger

Die exponierte Lage der Schranne in der Altstadt prädestinierte sie natürlich auch als Werbeträger. So befanden sich an der Schranne neben einem Briefkasten auch die öffentlichen Aushangstafeln. Besonders aber wollten diejenigen Betriebe, die in zweiter Lage ihre Läden hatten, auf sich aufmerksam machen.

Als erstem genehmigte man dem Cafetier Stiegele (Vorgänger des Gasthof Löwen, Martin-Kuen-Str. 5) 1921 den Antrag auf Anbringung eines Hinweisschildes auf sein Lokal. Ihm folgte 1924 der Kaufmann Schneider (Martin-Kuen-Str. 2) und 1926 der Friseur Michael Aumiller (Wettbach 16). Nach der Devise ‚Gleiches Recht für alle‘ musste die Stadt dann noch den Hinweisschildern auf den Schuhmacher Enzler, den Sattler Georg Köbel und den Autoführer Hans Hauf zustimmen.

1946 waren die Tafeln nicht mehr da, der Ausleger für den Gasthof Löwen wurde aber in Abstimmung mit dem Denkmalamt erneuert und steht heute selber unter Denkmalschutz.

5. Überlegungen zur Nutzung als Landratsamt

Bei den Bombenangriffen auf Ulm/Neu-Ulm am 17.12.1944 wurde das Landratsamt Neu-Ulm vollständig zerstört. Um den Verwaltungsbetrieb aufrecht erhalten zu können, wurde das Landratsamt in das Claretiner-Kolleg in Weißenhorn verlegt, dem man bereits 1941 den Schulbetrieb untersagt hatte.

Weil die Kreisverwaltung also schon in Weißenhorn war, bestimmte der Kreistag am 03.12.1948 Weißenhorn als Sitz des Landratsamtes. Die Vorgänge, die zu diesem Beschluss führten sollen an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden und einer gesonderten Aufarbeitung vorbehalten bleiben. Mit einer ‚Denkschrift‘ vom 25.11.1949 bewarb sich die Stadt offiziell um den Landkreissitz.

Auf Anregung von Stadtrat Heinle wurde 1950 neben den Standorten Bahnhofstr. 11 und Adolf-Wolf-Str. 28 auch die Schranne als Standort für das Landratsamt ins Gespräch gebracht. Der renommierte Architekt Helmut von Werz aus München 19 legte Vorentwürfe für den Neubau eines Landratsamtes in der Mitte der Altstadt vor, einmal unter Einbeziehung der Schranne und einmal unter Abbruch der Schranne. Die Entwürfe wurden vom Stadtrat zur Kenntnis genommen, es wurde aber nicht darüber abgestimmt. Es ist auch noch nicht erforscht, von wem Herr v. Werz mit den Entwürfen beauftragt wurde.

Durch entsprechende politische Intervention der Stadt Neu-Ulm kam das Projekt einer Verlagerung des Landkreissitzes aber nicht zum Tragen. Das neue Landratsamt wurde in Neu-Ulm gebaut und der Beschluss zur Verlagerung des Amtes nach Weißenhorn im März 1955 auch formell mit 30:11 Stimmen aufgehoben.

6. Abbruch und Neubau eines Bankgebäudes

Im Jahr 1959 war die Volksbank Weißenhorn auf der Suche nach einem neuen Standort. Neben dem Bauplatz in der Bahnhofstr. 11a – wo die Bank dann auch tatsächlich baute – fasste man auch die innerstädtische Schranne ins Auge. Der Bauausschuss stimmte dieser Idee am 05.06.1959 zu und schlug gleich vor, hier ein gemeinsames Rathaus und Bankgebäude zu errichten. Der Stadtrat wollte die Schranne aber zuerst untersuchen lassen. Wegen der dann festgestellten Schäden schied aber eine Sanierung aus und das LfD stemmte sich gegen den Abbruch.

7. Kunstgalerie

Der örtliche Kunsthändler Ruths wollte in der Schranne eine ständige Kunstausstellung nach Weißenhorn bringen und hatte hierzu auch zwei Kunstgalerien an der Hand. Die Umbaukosten der Schranne würden sich auf 20.000 DM belaufen. Der SR forderte differenziertere Darstellungen und erhielt am 08.04.1969 folgende Information von SR Horber:

SR. Horber berichtete dem Stadtrat, dass er am vergangenen Dien­stag fernmündlich zu einer Besprechung in das Ruths’sche Haus eingeladen worden sei. Dort seien Herr Kurt Fried, Ulm, der Grafiker Mayer Roland aus Ulm, Stadtbaumeister Lieb, Architekt Richter, Herr Steuerberater Kohmanns anwesend gewesen. Herr Fried habe dabei erklärt, dass die Schranne zu schade dafür sei, um dort Mehlsäcke und Viehsalz zu lagern. Vielmehr sol­le die Schranne einem anderen Verwendungszweck zugeführt werden. Fried habe erklärt, dass er bereit wäre, Kunstwerke aus seiner Sammlung als sog. Dauerleihgabe der Stadt zu über­lassen. Es sei auch die Stöhr-Sammlung zur Sprache gekommen. Herr Stöhr, Besitzer der Wella-Werke in Darmstadt, dränge auf eine Entscheidung. Es sei auch davon gesprochen worden, die Räume in der Schranne durch sog. Stirofor-Platten, die nicht so kostspielig seien, auszugestalten. Weiter habe man davon gesprochen, dass Weißenhorn den Fremdenverkehr damit fördern und jährlich mindestens 20.000 Besucher zu dieser Ausstellung nach Weißenhorn kommen würden. Man müsse auch an die unmittel­bare Nähe der Autobahn und andere Kunstwerke in unserem Raum, wie das Kloster Roggenburg und die Kirche in Witzighausen den­ken, die daneben noch viele Kunstinteressierte anlocken würden.

Im Verlaufe des Gesprächs habe er auch erfahren, dass Herr Ruths bereits in Wolfram-Eschenbach einen ähnlichen Versuch unternom­men habe, der jedoch eine restlose Pleite wurde. Dies habe Ruths jedoch damit begründet, dass zu dieser Zeit in Berlin die Mauer gebaut worden sei und er Kunstwerke aus dem anderen Teil Deutsch­lands ausstellen wollte. Horbers Ausführungen dazu sei­en gewesen, dass er sich selbstverständlich auch einen besseren Verwendungszweck für die Schranne vorstellen könnte. Für diese Zwecke sei jedoch jedes Wort zu schade, da die Stadt kein Geld dafür habe. Im übrigen wundere er sich, dass immer nur über das Telefon verhandelt und kein schriftlicher Antrag an die Stadt gestellt werde. Er habe den Anwesenden gesagt, sie sollen in einem Schreiben der Stadt darlegen, von welchen Überlegungen sie bei ihrem Vorhaben ausgehen, konkret vorschlagen, was dort ausgestellt werden soll und welche baulichen Maßnahmen notwen­dig sein werden und welche Kosten diese verursachen werden. 20

8. Verkauf an Kaufmann Erwin Knoll

Der Vorschlag des Kunsthändlers Ruths brachte wieder Bewegung in die Schrannendiskussion. Nachdem das Schrannendach 1971 saniert wurde, besichtigte der Bauausschuss am 28.09.1971 die Schranne und die Sommerschranne. Man hielt den Abbruch der Sommerschranne für einen städtebaulichen Gewinn, stellte aber fest, dass es mit dem Abbruch nicht getan sei, weil sowohl der Platz ausgebaut werden und das EG der Schranne geschlossen werden müsste. Hierzu sollte aber ein Konzept für die Nutzung der Schranne vorliegen. Zur Zukunft der Schranne hatten die Stadträte unterschiedliche Ansichten. Man könnte den gesamten Komplex abreißen und an einen Investor verkaufen, hielt dies aber mehrheitlich für unrealistisch wegen des Denkmalschutzes und der Verantwortung der Stadt für die historischen Gebäude. Für den Einbau eines Sitzungssaales müsste das gesamte Fachwerk abgebrochen und ersetzt werden. Wenn das LfD den Erhalt des Fachwerks fordere, wäre der Umbau nicht wirtschaftlich durchzuführen. Man solle Kontakt zum LfD aufnehmen. In der folgenden Sitzung stellte man fest, dass der Ausbau der Schranne zu teuer werde.

Der Textilkaufmann Erwin Knoll (Hauptstr. 22) stellte im Mai 1972 einen Kaufantrag für die Schranne und bot 150.000 DM. Eine Entscheidung wurde vertagt. Am 11.07.1972 entschied man sich gegen einen Verkauf.

9. Überlegungen zur Nutzung als Veranstaltungsgebäude oder Museum

Im Jahr 1973 bildete sich ein Zusammenschluss Weißenhorner Kaufleute, der sich ‘Leistungsgemeinschaft Weißenhorn’ nannte. Diese wollten die Schranne erwerben, um sie für Ausstellungen, Veranstaltungen und als Vereinslokal zu nutzen. Gleichzeitig zeigte auch der Museumsverein unter seinem Leiter und Kreisheimatpfleger, dem Verleger Anton H. Konrad, Interesse an der Schranne. Konrad versuchte, ein schwäbisches Volkskundemuseum mit Votivtafeln der Wallfahrt Maria Steinbach anzusiedeln.

Am 19.09.1973 fand eine gemeinsame Besprechung mit der Weißenhorner Leistungsgemeinschaft und dem Museumsverein über die Schranne statt. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass die Leistungsgemeinschaft die Sanierungskosten für die Schranne nicht stemmen könne. Es wurde dem Museumsverein der Vorrang gelassen. Konrad regte an, ein Kuratorium zu gründen, dass sich um die Nutzung und die Finanzierung, besonders um Zuschüsse und Spenden kümmern sollte. Es wurden Vorschläge entsprechender Personen erwartet. Der Leistungsgemeinschaft sollte die leerstehende alte Schule, Schulstr. 5, als ‘Haus für das Weißenhorner Wirtschaftsleben’ angeboten werden.

Die zu erwartenden hohen Sanierungskosten schreckten jedoch ab. Konrad stieß auch mit seiner Idee nur auf geringes Interesse und fand keinen Weg für eine sichere Finanzierung, so dass die Idee nicht weiter verfolgt wurde.

10. Landkreisgalerie

Ende der 80er-Jahre brachte der damalige Landrat, Franz Josef Schick, – ein sehr kunstinteressierter Mensch – die Idee ins Spiel, die Schranne zu einer Landkreisgalerie als Ausstellungsort im Landkreis tätiger Künstler zu entwickeln. Die Idee wurde seitens der Stadt sehr begrüßt, allerdings war das politische Klima zwischen Stadt und Landkreis zu dieser Zeit wegen des Baus der von der Stadt unerwünschten Müllverbrennungsanlage recht gespannt. Viele Bürger und Stadträte witterten hinter diesem Vorschlag den Versuch, sich auf diese Weise die Zustimmung der Stadt zu der Anlage zu ‚erkaufen‘. Die Verhandlungen kamen daher nicht über Vorgespräche hinaus, woraufhin der Landkreis die Idee der Landkreisgalerie in der ehemaligen Brauerei Oberfahlheim verwirklichte.

11. Projektstudien durch Studenten

Zweimal war die Schranne Gegenstand von Übungsarbeiten durch Studenten der Innenarchitektur an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Leider wurden diese Studienarbeiten nicht dokumentiert, so dass außer den damaligen Presseberichten keine Unterlagen mehr zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse der Semesterarbeiten müssen mit Vorbehalt als Studienarbeiten gewertet werden, die sowohl hinsichtlich Nutzung als auch baulicher Durchführung Aspekte der Realisierbarkeit und des Denkmalschutzes außer Acht lassen konnten.

Eine weitere Studienarbeit fertigte der Architekturstudent Christian Mayer von der FH Biberach/Riß im Jahr 2006. Diese Studienarbeit brachte zumindest interessante städtebauliche Ansätze für eine Neubebauung der Fläche der Sommerschranne.

Im Jahr 2005 machte Herr [Dr.] Bernhard Niethammer, jetzt Leiter des Freilichtmuseums Illerbeuren, die Schranne zum Thema seiner Magisterarbeit als Bauforscher an der TU Aachen. Die Arbeit wurde 2006 fertiggestellt und veröffentlicht.

12. Überlegungen der Stadt zur Nutzung

Nachdem die Stadt bereits 1989 ein verformungsgerechtes Aufmaß der Schranne in Auftrag gegeben hatte, entwickelte das Stadtbauamt 2001 ein Nutzungskonzept, welches eine gastronomische Nutzung des Erdgeschosses vorsah und die Räume des OG für Nutzungen vorsah, die auch unabhängig vom Gaststättenbetrieb genutzt werden könnten. Die Sommerschranne war zum Abbruch vorgesehen, an dieser Stelle sollte in einem Halb-Untergeschoss die Haustechnik mit Küche und WC eingebaut werden, darüber eine als Biergarten nutzbare Terrasse.

Auf der Basis dieses Konzepts wurde ein Exposé erstellt und ein Makler mit der Suche nach einem Kunden beauftragt. Außer einem Chinesen, einem Döner-Schnellimbiss und mehreren Spielhallenbetreibern stieß das Angebot auf kein Interesse.

Ab 2003 kam wieder etwas Bewegung in die Schrannenfrage. Wegen der guten Erfahrungen mit einer frühzeitigen Klärung der Grundsatzfragen für die Sanierung der Schlösser wurde auch für die Schranne dieser Weg begonnen. In Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt wurden weitere vorbereitende Untersuchungen ausgewählt und beauftragt. So wurde das verformungsgerechte Aufmaß um die Dachgeschosse ergänzt, das Dachtragwerk auf statische Schäden untersucht und die Holzteile der Ratsstube sowie die Putzoberflächen restauratorisch untersucht. Zusammen mit der bauforscherischen Arbeit des Herrn [Dr.] Niethammer wurde das Ergebnis am 27.11.2006 der Öffentlichkeit präsentiert.

Zwischenzeitlich war die Idee aufgekommen, die Stadtbücherei in die Schranne zu verlegen. Das Stadtbauamt untersuchte diese Idee auf seine Machbarkeit und präsentierte im Jahr 2007 eine Nutzungsskizze, bei der an Stelle der Sommerschranne eine Neubebauung des Platzes der Sommerschranne mit einem Verbindungsbau vorgesehen war. Der städtebauliche Ansatz war hierbei der gleiche wie im Studentenentwurf Christian Mayer.


Da die Stadt im Jahr 2006 konkret auch die Sanierung der Schlösser und des Hauptplatzes in Angriff nahm, wurden die Ideen zur Schranne aber nicht mehr weiter verfolgt, weil sowohl organisatorisch als auch finanziell kein Spielraum für eine Realisierung gesehen wurde.

13. Aktuelle Nutzung als Kleinkunstbühne

Nachdem die Schranne viele Jahre als Lagerraum der Fa. Brändle (Eisenwaren) gedient hatte und auch einige Jahre lang Weihnachtsmärkte durch die Papeterie Schrapp abgehalten wurden, traten im Jahr 2009 interessierte Bürger an die Stadt heran mit der Bitte, die Schranne als Veranstaltungsort für Kleinkunstaufführungen nutzen zu können. Sie stießen hiermit bei Bürgermeister Dr. Wolfgang Fendt und der Stadtverwaltung auf offene Ohren. Als Organisationsform wurde der Verein ‘Theaterspielkreis Attenhofen e.V.’ mit Volker Drastik als Vorstand gegründet. Um den morbiden Charme des Gebäudes für solche Veranstaltungen zu nutzen wurden keine Renovierungsarbeiten durchgeführt. Lediglich eine neue offene Elektroinstallation war aus Sicherheitsgründen erforderlich. Mit geringstem Aufwand wurden 2010 eine Bühne und eine einfache WC-Anlage eingebaut. Eine mobile Warmluftheizung ermöglicht eine Temperierung für eine Nutzung in der Übergangszeit.

In der Schranne finden nun unter dem Label ‘Kultur in der Schranne’ Veranstaltungen statt, die auf eine große Resonanz in der Bürgerschaft stoßen.

Seit 2023 findet im EG der Schranne unregelmäßig ein Markt mit lokalen Produkten statt.

Die aktuelle Situation wird hier nicht abschließend dargestellt

9. Fotostrecke

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  1. Stadtarchiv; U 15. ↩︎
  2. Urkunde U 15 ↩︎
  3. Stadtarchiv, U 377 und U 118.3 ↩︎
  4. Stadtarchiv, A 80.1 ↩︎
  5. Über das Marktwesen erfolgt noch ein separater Artikel ↩︎
  6. Die Firma Langenstein, Teilhaber Julius Langenstein und Anton Kling, stellte ab 1909 in der Günzburger Straße 15 landwirtschaftliche Geräte her. 1910 erbaute Langenstein einen Lagerschuppen am Bahnhof (Bauantrag 21/1909, 1937 zur Erweiterung der Bahnanlagen für das Lufttanklager abgebrochen) und errichtete ab 1914 die landw. Gerätefabrik Kling und Langenstein in der Maria-Theresia-Str. Der Stadel am Eisenbahnweiher wurde an andere Händler verpachtet. ↩︎
  7. II, 602-1/EW07.1916 ↩︎
  8. Über die Geschichte des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten erscheint noch ein gesonderter Artikel ↩︎
  9. Stadtarchiv U 118.3 ↩︎
  10. Stadtarchiv B 83-146: ab 1511 sind dem Haus Mariengasse 1 keine Eigentümer mehr zuzuordnen. Es ist daher anzunehmen, dass das Haus ab 1511 als Stadtschreiberei genutzt wurde. Als solche ist das Gebäude bis zur Errichtung einer neuen Stadtschreiberei in Hauptstr. 5 am 14.01.1690 bezeichnet (B 92-42). ↩︎
  11. Stadtarchiv B 99-61: Ursula Keuffel, als Witwe des A. Keuffel, vertauscht das Haus Kirchplatz 7 mit der Stadt gegen das Gebäude Hauptstraße 5, in dem vorher die Stadtkanzlei untergebracht war ↩︎
  12. Stadtarchiv B 84-60: Bernhart Bayr verkauft oder übergibt das Haus Hauptstr. 13 (Hasen) um 1556 an Conrad Claus. Er erwirbt das Haus Sebastian-Sailer-Str. 1 und den Bauplatz hinter der Schranne, wo er 1559 das Haus Sebastian-Sailer-Str. x erbaut. Die beiden Gebäude gehören fortan dem gleichen Eigentümer, wobei das Haus SS01 vermutlich untergeordnet oder als Stadel genutzt wurdeStadtarchiv B 84-60: Bernhart Bayr verkauft oder übergibt das Haus Hauptstr. 13 (Hasen) um 1556 an Conrad Claus. Er erwirbt das Haus Sebastian-Sailer-Str. 1 und den Bauplatz hinter der Schranne, wo … Continue reading ↩︎
  13. Stadtarchiv B 84-61: Ludwig Gempfher, Schreiber und Vogt in der Herrschaft und Grafschafft Achbug (?), erwirbt das Haus Martin-Kuen-Str. 2 und den Bauplatz hinter der Schranne und errichtet über beide Grundstücke einen Neubau. Ludwig Gempfher, später auch Glöpfer geschrieben, zog wohl nach Weißenhorn, denn später ist sein Titel als Vogt nicht mehr erwähnt. Da er mit 10 fl Steuer veranlagt wurde, ist von einem Neubau auszugehen ↩︎
  14. Stadtarchiv A 218-1: Die Stadt hat das Anwesen des verschuldeten Leopold Jann für 1553 fl im Versteigerungswege erworben und vertauscht nun die südliche Teilfläche mit dem Haus des Glasers Georg Miller (Seb.-Sailer-Str. x). Hierdurch hatte die Stadt nun die beiden hinter der Schranne gelegenen Häuser zum Bau eines neuen Rathauses erworben. Miller baut auf dem Grundstücksteil des Stadels ein neues Wohn- und Geschäftshaus (MK02, Hs.Nr. 34/2) Stadt hat das Anwesen des verschuldeten Leopold Jann für 1553 fl im Versteigerungswege erworben und vertauscht nun die südliche Teilfläche mit dem Haus des Glasers Georg … Continue reading ↩︎
  15. Stadtarchiv A 114-9 ↩︎
  16. Stadtarchiv A 114/10: Die Verwendung des vormals Bader’schen Hauses als Aushilfs-Schrannen-Lokal. ↩︎
  17. Stadtarchiv A 115/40 ↩︎
  18. Nach diesen Bauprinzipien wurden in der Stadt z.B. gewerbliche Zweckbauten für das Baugeschäft Gaiser (Kammerlanderstr. 3), das Sägewerk Molfenter (Illerberger Str. 20) sowie den städt. Bauhof (Illerberger Str. 11) errichtet. Außer dem Gebäude des Bauhofs existieren die anderen Gebäude nicht mehr. ↩︎
  19. Helmut von Werz war ein Sohn des k.u.k. Generalmajors Emanuel Werz, der am 17. März 1918 durch Kaiser Karl I. als Edler von Ostenkampf in den erblichen österreichischen Adelsstand erhoben wurde. H.v.Werz kam mit 16 Jahren nach München, machte am Alten Realgymnasium Abitur und studierte Architektur an der TH München. 1936 trat er in das Architekturbüro von Bruno Biehler ein. Im Jahr 1946 gründete er in München-Bogenhausen ein eigenes Architekturbüro. Das Architekturbüro wurde nach Helmut von Werz’ Tod weitergeführt und trägt inzwischen den Namen Brechensbauer Weinhart + Partner Architekten ↩︎
  20. SR 07a/69-092 ↩︎

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