
Kaiser-Karl-Str. 19 – der erste Kindergarten
In der Kaiser-Karl-Str. 19 wurde 1933 der erste – in heutigem Sinne – Kindergarten erbaut. 1961 wurde das Gebäude umgebaut und erweitert, musste aber 2003 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Heute befindet sich hier eine verdichtete städtische Bebauung.
Vorgeschichte
Der Apotheker Böhm (Memminger Str. 10) baute an der Blumengasse 8 vor 1823 ein Gartenhaus, welches bereits im Urkataster eingentragen ist.

Der Küfermeister Joh. Nep. Hinträger stellte 1847 im Namen seiner Mutter Witwe Theres einen Bauantrag. Sie hatte von Apotheker Böhm den Garten an der Heerdgasse (Kaiser-Karl-Str.) erworben und beabsichtigte, das vorhandene Gartenhaus als Wohnhaus für sich und ihre Familie umzubauen. (Siehe hierzu den Beitrag Blumengasse 8 ) Das Gebäude ging zu einem nicht dokumentierten Zeitpunkt an den Glaser Joseph Heckel (ab 1868 auf Östl. Promenade 10) über. Ab 1888 ist Heckel nicht mehr auf ÖP10 genannt, vermutlich hat er zu dieser Zeit das Haus in der Blumengasse erworben.
Am 28.05.1901 vermachte Heckel sein Gartengrundstück zwischen Kaiser-Karl-Str. und Blumengasse einschl. des darauf stehenden Hauses Blumengasse 8 der Stadt mit der Zweckbestimmung für eine Kinderschule. Diese Bezeichnung für einen Kindergarten war durchaus noch bis in die 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein verbreitet.
Die Stadt ließ das Gelände 1902 einzäunen, nutzte es jedoch nicht sofort zweckbestimmt, sondern verpachtete es zunächst bis 1912 an den benachbarten Gärtner Paul Ziegler (Blumengasse 4). Der Pachtvertrag wurde dann bis 1920 verlängert.
Es ist aber dennoch möglich, dass das Haus Blumengasse 8 als Kleinkinderbewahranstalt genutzt wurde. In den Einwohnerverzeichnissen 1906, 1922 und 1932 ist nur die Stadt als Eigentümer von BL08 angegeben, keine weiteren Bewohner, aber auch keine Bezeichnung der Nutzung als Kinderschule. 1911 ist die Anschaffung einer Schaukel für die Kleinkinderbewahranstalt dokumentiert. Diese hätte man auf dem Grundstück Hauptstr. 8 aus Platzgründen gar nicht aufstellen können. 1914 wurde beschlossen, Kindern von Kriegsteilnehmern den Beitrag zur Kinderbewahranstalt zu erlassen. Am 14.09.1917 bekam die Oberin der Institutsschule nach Antrag den ganzen Heckel’schen Garten zur Errichtung eines Gemüsegartens und zur Haltung von Kaninchen überlassen. Paul Ziegler stimmte der vorzeitigen Kündigung des Pachtvertrags zu. Diese Fakten deuten auf die Nutzung des Gebäudes und des Garten für die Institution hin.
Bau des Kindergartens
1933 wurde dann endlich über den Neubau einer Kinderbetreuungseinrichtung auf dem Heckel’schen Grundstück beraten, ein Bauantrag gestellt und das Gebäude errichtet. Die notwendigen Geldmittel wurden von privater Seite gegen 4%-ige Verzinsung vorgeschossen und von der Stadt ab 1936 in Jahresraten bis zu 1.000 RM getilgt.

Auch im Kindergartenwesen bekam die Stadt die Folgen der nationalsozialistischen Ideologie zu spüren. Die frühe Indoktrination der Kinder mit dem NS-Gedankengut war erklärtes Ziel der Machthaber. Mit Ministerialerlass vom 29.12.1937 wurde von den NS-Machthabern die Aufhebung der Klosterschule und des Kindergartens, zeitgleich mit Aufhebung des Claretinerkollegs, verfügt.
So wurde schon am 07.10.1938 über die Überführung der Kinderbewahranstalt in einen NSV (Nationalsozialistische Volksfürsorge) -Kindergarten beraten. 1939 wurde der Kindergarten gekündigt. Es ist nicht beschrieben, ob und wie der Kindergarten ab dann betrieben wurde. Am 22.10.1943 wurde das Kindergartengebäude der NSV überlassen und von dieser weiterbetrieben.
Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 (Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen) vom 10. Oktober 1945 verbot der Alliierte Kontrollrat die NSV und beschlagnahmte ihr Eigentum. Damit wurde der Kindergarten geschlossen. Da die Kinderbewahranstalt noch nicht wiedereröffnet wurde, beschloss der Stadtrat am 22.10.1943, in deren Saal eine Wärmestube für Flüchtlinge einzurichten.
Auf Beschluss des Stadtrates v. 28.3.1947 wurde der Kindergarten wieder als städt. Anstalt unter klösterlicher Leitung geführt. Am 4. Juni 1947 konnte er eröffnet werden.
Doch die Klosterschwestern litten langsam unter Überalterung und fehlendem Nachwuchs. Sie kündigten daher schon im Juli 1953 die Aufgabe des Lehrbetriebs an. 1957 wurde es Ernst: Die Franziskanerinnen kündigten den Betrieb der Mädchenmittelschule und des Kindergartens zum 01.08.1957. Stadtrat und Bürgermeister konnten die Schwestern noch zu einer Verlängerung um ein Jahr bewegen. Am 16.12.1957 stellte der Stadtrat fest, wenn sich die Franziskanerinnen zum 31.08.1958 aus der Schule zurückzögen, müsse die Schule geschlossen werden. Es sollen nochmals Verhandlungen geführt werden. Im März 1958 kam die Nachricht, die Mädchenmittelschule bleibe unter klösterlicher Leitung bestehen, da sich wieder klösterliche Lehrkräfte gefunden hätten. Dies galt auch für den Kindergarten. Bis 1977 und dem Weggang von M. Erlafrieda Baur stand schließlich der Städt. Kindergarten in der Obhut der Dillinger Franziskanerinnen.
Im Jahr 1954 wurde der Kindergarten durch den Anbau eines Spielsaales erweitert. Doch genügte der alte Bau nicht mehr den zeitgemäßen Anforderungen und wurde wegen der steigenden Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen auch zu klein.





Umbau und Erweiterung
1961 fertigte Stadtbaumeister Lieb ein Plan zum Umbau des Kindergartens. Der alte Bau wurde um eine Gruppe erweitert und das steile Satteldach durch ein flaches Satteldach mit damals moderner Eterniteindeckung ersetzt. So erhielt das ganze Gebäude einen völlig neuen, modernen Charakter. Am 06.01.1963 wurde der Kindergarten eingeweiht.












Das alte Stadelgebäude wurde 1980 abgebrochen, aber Ende der 80er-Jahre durch ein neues Spielhaus ersetzt.



Im Jahr 1998 wurden am Kindergartengebäude stärkere bauliche Mängel festgestellt. Die Tragfähigkeit konnte langfristig nicht gesichert werden. Außerdem wurden beim Umbau 1962 Asbestzementplatten verbaut, die man aus gesundheitlichen Gründen in einem Kindergarten nicht belassen wollte. Die Sanierungskosten hätten die Neubaukosten überstiegen. Da ohnehin Bedarf nach weiteren Kindergartengruppen bestand, entschloss sich die Stadt, im Zusammenhang mit dem Neubau der Grundschule Nord dort einen neuen 4-gruppigen Kindergarten zu bauen und den Altbau aufzugeben.
Der Kindergarten wurde 2003 abgebrochen. Das Grundstück wurde nach städtebaulicher Neuplanung verkauft und mit einer Wohnanlage bebaut (siehe weiterführende Baugeschichte).


