Die Interimskirche
Die Geschichte der Stadtpfarrkirche ist der Übersicht halber in Abschnitte unterteilt:
Einsturz der Stadtpfarrkirche am 22.02.1859
Die Interimskirche
Planung und Bau der neuen Stadtpfarrkirche (in Bearbeitung)
Die neue Stadtpfarrkirche (in Bearbeitung)
Glocken, Uhren und Orgeln (in Bearbeitung)
Erbauung einer Nothkirche zu Weihsenhorn
Nachdem die alte Kirche eingestürzt war, stand man vor dem Problem: Wohin mit den Gottesdiensten? Die Religion war damals noch wesentlich tiefer in der Gesellschaft verankert, die Gottesdienste waren gut besucht, 1000 Besucher waren keine Seltenheit. Daher fanden sonntags gleich mehrere Gottesdienste statt, auch werktags zumindest einer oder auch mehrere gleichzeitig, wie auch am Unglückstag.
Zuerst behalf man sich damit, die Gottesdienste in die Hl.-Geist-Kirche, St. Leonhard oder die Filialkirche Grafertshofen auszulagern. Diese Gotteshäuser waren aber recht klein, so dass sie für die vielen Gläubigen nicht ausreichten.
Daher stellten die Gemeindebevollmächtigten schon am 26.04.1859 den Antrag, eine Interimskirche zu erbauen, die mindestens 2/3 der Einwohner aufnehmen könne, weil die Hl.-Geist-Kirche und die St.-Leonhards-Kirche zu klein für die Gottesdienste wären. Die Baukosten würden aus Spenden zinslos vorfinanziert, die man bereits gesammelt habe. Die Stadt müsse nur den Mindererlös nach dem späteren Abbruch der Kirche übernehmen. Als Bauplatz wurde der Hauptplatz vor dem Oberen Thor, entlang dem Kraygebäude (zwischen Rathaus und Pfaffenturm) außerhalb der Stadtmauer vorgeschlagen. Der Magistrat lehnt den Vorschlag ab, weil man in den vorhandenen Kirchen mehrere Gottesdienste abhalten könne. Die Stadt habe auch wegen der anstehenden Bauvorhaben, Schulhausbau und Rathausbau, keine Finanzmittel zur Vorfinanzierung. Außerdem werde die Stadt auch zu den Kosten der Bundesfestung Ulm herangezogen. Die G.B. hielten die Gründe des Magistrats zwar nicht für stichhaltig, beschlossen aber dennoch, dass zur weiteren Ausführung vorläufig nichts geschehen solle.
Die Planungsarbeiten für den Kirchenneubau stellten sich aber problematischer und langwieriger als angenommen heraus. Als 1 1/2 Jahre nach dem Einsturz immer noch nichts wesentliches passiert war, blieb nichts anderes übrig, als doch den Bau einer Interimskirche anzugehen.
Im Rahmen einer gemeinsamen Beratung am 29.10.1860 von Magistrat, G.B. und Kirchenverwaltung über den Neubau der Pfarrkirche stellte Bgm. Klöpfer den Antrag auf Erbauung einer Interimskirche, da ein Neubau noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen werde. Besonders wegen der „Verwahrlosung“ der Jugend seien die jetzt getrennten Gottesdienste nicht gut. Bei der Abstimmung gab wegen Stimmengleichheit die Stimme des Bürgermeisters den Ausschlag für die Zustimmung.
Am 12.11.1860 beauftragte die Stadt Maurermeister Deibler mit der Planung einer Notkirche.
Diese sollte Platz für 1600 Personen bieten, somit 300 Personen mehr als die alte Kirche1.






Da die Stadt die erforderlichen Kosten nicht aufbringen konnte und auch keinen geeigneten Bauplatz besaß, bot Zimmermeister Valentin Gaiser an, die Kirche auf seine Kosten und auf seinem Grundstück an der östlichen Promenade zu erbauen und der Stadt für 6 Jahre für zusammen 4500 fl zu verpachten. Als Gegenleistung forderte er das Baumaterial der eingestürzten Kirche und das Kirchengestühl. Dieses war gerade erst einmal ein halbes Jahr vor dem Einsturz, im August 1858, eingebaut worden. Große Teile des Gestühls hatten den Einsturz auch relativ gut überstanden. Es wurde betont, dass Gaiser nicht die Kosten für Glocken übernimmt. Die Pacht sollte im Voraus bezahlt werden, 1000 fl bei Baubeginn, 2000 fl nach dem Aufrichten und 1500 fl nach Vollendung des Baus. Gaiser übernahm auch den Bauunterhalt und die Elementarversicherung. Die erforderliche Brücke über den Stadtgraben gehe auf Kosten der Kommune. Der Magistrat stimmte dem Vorschlag zu mit der Änderung, dass das Gestühl nach Abbruch der Interimskirche wieder in das Eigentum der Stadt zurückfalle.
Die heutige östliche Promenade war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bebaut und bestand noch aus der alten Stadtbefestigung mit Doppelgraben. Daher mussten für alle entstehenden Bauplätze Brücken über diese Gräben angelegt werden. Für den Bau der Notkirche wurde eine Teilverfüllung der Gräben erforderlich. Außerdem mussten für die vielen Gottesdienstbesucher auch leistungsfähige Zuwege angelegt werden. Der Bau der Interimskirche förderte erheblich den Ausbau der östlichen Promenade zu Bauplätzen.


Die Stadt wollte sich dieses Vorgehen vom Landgericht genehmigen lassen, denn die Gemeinden standen damals noch in Finanzfragen unter der Kuratel des Landgerichts. In diesem Zusammenhang wurde vorgebracht, dass die Jugendlichen häufig den Kirchenbesuch schwänzten und vorgäben, in einer anderen Kirche gewesen zu sein, was nicht immer nachprüfbar wäre. So sei „der Unsittlichkeit Thür und Thor geöffnet„.
Die kgl. Regierung in Augsburg ließ sich Zeit und lehnte das Vorhaben am 14.02.1861 unter Berufung auf eine Stellungnahme des bischöfl. Ordinariats ab, nach welcher befürchtet wird, der Kirchenneubau würde sich noch weiter herauszögern, wenn eine Notkirche zur Verfügung stehe. Erst wenn der Kirchenneubau unwiderruflich gesichert sei, könne der Interimskirche zugestimmt werden. Außerdem vertrat das Ordinariat die Meinung, aus Kostengründen sollte für den Kirchenneubau nicht der Plan des Arch. v. Voit, sondern der des Arch. Stengel zur Ausführung kommen. Das LG Roggenburg war aber auf der Seite der Stadt und schrieb an die Regierung, diese Entscheidung nochmals zu bedenken.
Um die Angelegenheit zu beschleunigen, erklärte Valentin Gaiser, er werde auf die Verwendung der alten Steine aus der Stadtpfarrkirche verzichten, sofern dies eine Entscheidung erleichtere. Eine Gruppe von Privatleuten erklärte sich bereit, die Pacht der Kirche vorzufinanzieren, solange die Zustimmung der Regierung noch ausstehe. 15 Privatpersonen zeichneten zusammen die erforderlichen 4500 fl, wobei Gaiser selbst 1500 fl übernahm. Am 30.03.1861 erging die Genehmigung der Regierung zum Bau der Interimskirche und die Erlaubnis, die Pacht aus Kommunalmitteln zu bezahlen. Das Ordinariat werde aber die Genehmigung zur Abhaltung von Gottesdiensten erst erteilen, wenn der Bau der Kirche unwiderruflich sei. Da die Grundstücksfrage durch Erwerb eines Teils des Stadtgrabens von Graf Fugger schon geklärt sei, könne die Regierung die Genehmigung jetzt erteilen.
Für die Notkirche wurde das geborgene Kirchengestühl und die Altäre verwendet. Schon am 03.04.1861, wurde für die Interimskirche beim Orgelbauer Othmar Sauter, Mindelheim, eine Orgel mit 10 Registern für 32 fl im Jahr gepachtet. Für Transport und Aufstellung wurden weitere 22 fl vergütet. Am 29.10.1861 erbat Sauter eine Pachterhöhung auf 50 fl im Jahr und eine Erhöhung der Transportpauschale auf 33 fl. Er trug vor, dass das Kapital der Orgel in Höhe von 1000 fl sich so nur mit 3,2% verzinse, die Orgel aber durch den Gebrauch an Wert verliere. So halte er eine Verzinsung von 5% für gerechtfertigt. Beim Transport habe er 33 fl von Mindelheim nach Weißenhorn bezahlt, an Verpflegung und Auslösung seiner Gehilfen vor Ort habe er 40 fl aufgewandt und der Rücktransport der leeren Kisten habe noch einmal 11 fl gekostet. So habe er einen erheblichen „pekuniären“ Nachteil erlitten. Der Magistrat gewährte 15 fl Aufschlag auf die Pacht, die Kirchenverwaltung zahlte 50 fl für den Transport.
Am 11.05.1861 wurden die Auffüllarbeiten für den Stadtgraben bei der Interimskirche verakkordiert. Das Auffüllmaterial wurde der Kiesgrube an der Memminger Str. entnommen. Die kgl. Baubehörde Illertissen überprüfte den Bau und nahm ihn am 21.05.1861 ab.
Am 16.06.1861 fand der erste Gottesdienst in der Notkirche statt.
Am 07.12.1861 schlossen die Stadt und Valentin Gaiser einen Vertrag, in welchem die Mehrkosten beziffert wurden, die durch einen aufwändigeren Ausbau entstanden waren. Insgesamt wurden die Baukosten nun mit 10.000 fl angegeben. Man einigte sich auf einen Aufschlag auf die Pacht von 1000 fl. Die Regierung stimmte der Aufzahlung von 1000 fl zu.
Der Stadtmagistrat betonte insbesondere die hohen Verdienste, die Gaiser sich um den Bau der Interimskirche erworben hatte: „Zimmermeister Gaiser, ein Mann edlen Charakters, hat die Interimskirche so hergestellt, daß selbe nichts zu wünschen übrig lässt, und hat sogar unter Aufwendung von Zeit, Mühe und Kosten mehrere im Plane und Kosten-Voranschlage nicht enthaltene Arbeiten geliefert, die Interimskirche mit einem schönen mit Kupferblech eingedeckten kleinen Thurme und mit einem Blitzableiter versehen, den auf der Empore befindlichen Musik Chore eingetäfelt und mit einer eigenen Eingangsthüre versehen, und hiedurch die Kirche von Innen und Außen so hergestellt, daß selbe die Bewunderung sowohl der Einwohner als der auswärtigen Besucher erregt, und auch die technische Prüfung zur vollsten Zufriedenheit bestanden hat.“
Da der Kirchenneubau aber nicht innerhalb der geplanten Bauzeit hergestellt werden konnte, wurde ein längerer Verbleib der Interimskirche erforderlich. Gaiser beantragt daher am 23.07.1866 eine Vergütung von 1000 fl für das erste und 500 fl für jedes weitere Jahr der längeren Pachtzeit. Man einigte sich letztlich auf 750 fl für das erste und 600 fl für jedes weitere Pachtjahr.
Am 28.11.1869 fand in der neuen Stadtpfarrkirche der erste Gottesdienst statt. Hiermit hatte die Notkirche ausgedient. Acht Jahre lang durfte sie die Gläubigen zur Heiligen Messe versammeln. Die Interimskirche wurde kurze Zeit danach abgerissen. Die Gegenstände, Altäre, Ausstattung, Bauteile und vermutlich auch Baumaterialien wurden öffentlich versteigert. Auf diesem Wege kamen einige Altarbilder und Kunstwerke aus der alten Stadtpfarrkirche in den Besitz des Heimatmuseums.
1872 wurde das Grundstück mit fünf zusammengebauten Wohnhäusern neu bebaut.


- Bei der Darstellung der alten Kirche wurde deren Kapazität mit 2000 Personen angegeben. ↩︎


