
Die Günzburger Straße – Teil 1
Wegen Ihrer Länge und der unterschiedlichen Entwicklung der Abschnitte erfolgt die Behandlung der Günzburger Str. in Abschnitten.
Teil 1 – Vom Unteren Tor bis Hausnummer 28


Teil 2 – Von Hausnummer 29 bis Hegelhofen
Teil 3 – Von Hegelhofen bis Attenhofen
Inhalt
Benennung
Die Benennung folgt der geografischen Lage als nach Günzburg führender Fernverbindung. Diese Bezeichnung hatte die Straße von alters her, schon vor der Vergabe von Straßennamen im Jahr 1921.
Lage und Größe
Die Straße beginnt am Unteren Tor und führt bis zum nördlichen Ortsausgang von Hegelhofen. Ab dem Kreisverkehr am Krankenhaus ist die Günzburger Str. als Staatsstr. ST 2020 klassifiziert. Die Straße setzt sich in Attenhofen mit der Bezeichnung Römerstraße fort. Die Länge der Straße beträgt in Weißenhorn 800 m, in Hegelhofen 450 m, zusammen 1250 m.
Der Teil 1 umfasst den ältesten Bereich der Straße vom Unteren Tor bis zum Gebäude Günzburger Str. 28 mit einer Länge von ca. 270 m.
Ausbau
Der älteste Vorgang im Stadtarchiv über diese Straße stammt aus dem Jahr 1849. Damals war die Straße noch wassergebunden befestigt und wies nur teilweise Entwässerungseinrichtungen auf, was bei schlechtem Wetter stets zu Pfützen und Schlamm führte.
Der Bereich vor dem Unteren Tor ist fotografisch recht gut dokumentiert. Daher lassen sich folgende Phasen ableiten: Vor 1900 (noch keine el. Straßenbeleuchtung) war den Häusern eine Pflasterfläche mit Rinne vorgelagert, das Wasser versickerte in sog. Sinkkästen. Um 1910 hatte zumindest Uhrmacher Öfner (Bahnhofstr. 2) vor seinem Haus, wohl auf private Initiative, einen Gehweg anlegen lassen. Dafür war aber das Pflastervorgelege mit der Rinne entfernt worden. Am 28.10.1910 beschloss der Magistrat zwar, die Obere Vorstadt zu kanalisieren, die Gemeindebevollmächtigten gaben aber nur die Kanalisation der östl. Promenade frei. Die Ausarbeitung eines Kanalisationsprojekts wurde zuerst wegen des I. Weltkriegs und in den 20er-Jahren wegen der wirtschaftlichen Situation zurückgestellt. Trotzdem wurde in den 20er-Jahren die Günzburger Str. mit Gehwegen und Randsteinen versehen, zunächst nur abschnittsweise, indem die Grundstückszufahrten ohne Randsteine blieben. In den 30er-Jahren wurden die Randsteine dann vollständig verlegt.





Der Straßenbelag war zuerst wassergebunden und wurde dann im Verlauf der 30er-Jahre durch Teer ersetzt. Die Kanalisation der Günzburger Str. wurde gem. Beschluss vom 23.12.1930 als Notstandsarbeit ausgeführt. An der Teerung der Günzburger Str. nördlich der Zollstraße durch das Bezirksamt 1937 beteiligte sich die Stadt mit 4.690,55 RM.
In diesem Zustand bestand die Günzburger Straße bis 1985. 1986 wurde die Straße saniert und komplett neu hergestellt. Hierbei erhielt die Straße ausgewiesene Parkbuchten. Auch die Bepflanzung wurde ersetzt.




Historische Entwicklung
Die Günzburger Str. gehört zu den ältesten Straßen der Stadt und war vor dem Ausbau der Kaiser-Karl-Str. zur Hauptverkehrsstraße vom Hauptplatz bis zum Krankenhaus auch die wichtigste Nord-Süd-Verbindung.
Eine römische Straßenführung und Besiedlung ist nicht auszuschließen und wurde besonders von Heimatforscher Hans Burkhart nachhaltig behauptet, konnte aber bis jetzt nicht durch entsprechende Fundstücke bewiesen werden. Archäologische Funde im Straßenbereich waren 1911 bei Günzburger Str. 32 der Fund von 2 Reihengräbern mit Grabbeigaben (2 Schwerter (Sax), Messergriff, Gürtelschnalle, Reste von Lederzeug, Keramik). Man vermutete ein allemannisches Reihengräberfeld aus dem 6.-7. Jhdt. 1978 wurde bei Günzburger Str. 28 ein Bronzelöffel gefunden, welcher vom Germanischen Nationalmuseum dem 15.-16. Jhdt. und wegen des Kölner Stadtwappens einem Kölner Hersteller zugeordnet wurde.
Vor Anlage der Bahnhofstraße lag vor dem Unteren Tor der Stadtgraben, über den eine Brücke führte. Diese ist in einem Bauplan von 1839 zum Abbruch des Unteren Zollhauses noch als Bestand eingetragen.



Während der Straßen- und Kanalbauarbeiten zum Ausbau der Günzburger Str. wurde ein Widerlager dieser Brücke gefunden.
Das erste Haus auf der westlichen Seite der Günzburger Str. war das Untere Pflasterzollhaus. Da die Hauptstraße bis zum oberen Tor gepflastert war, wurde hier der Pflasterzoll erhoben. Das Haus stellte eine Engstelle auf der Günzburger Str. dar und wurde daher 1840 auf Abbruch verkauft. Als Ersatz wurde an den Zwingerbereich des Unteren Tores ein neues Haus für den Pflasterzollpächter angebaut.
Bei dem Doppelhaus Günzburger Str. 25 u. 27 handelte es sich Jahrhunderte lang um das letzte Haus in Richtung Norden. Es ist schon im Steuerverzeichnis 1475 erwähnt. Bei den Nachbarbeschrieben ist zwischen 1614 und 1678 von einem Tor hier die Rede, danach heißt es nur ‚die Gemeind‘. Nimmt man den Beschrieb wörtlich, müsste hier ein Tor gewesen sein. Das hätte aber nur einen Sinn, wenn es sich auch in einer Mauer oder einem Zaun fortsetzen würde. Diese Frage konnte bislang nicht geklärt werden. Eine ähnliche Anmerkung aus dieser Zeit kommt auch bei der heutigen Reichenbacher Str. vor.
Auf der östlichen Straßenseite befand sich der auch schon 1465 erwähnte Ziegelstadel, heute Friedhofweg 2.
Die Bebauung im ältesten Teil der Günzburger Str. lässt sich bis zum Beginn der archivalischen Aufzeichnungen 1465 zurückverfolgen. Aus dieser Zeit hat sich aber leider keine Bausubstanz erhalten. Von den 28 Häusern wurden 15 im Laufe des 19. Jhdts. erneuert, und ab 1950 wurden 21 Häuser abgebrochen oder wesentlich modernisiert und nur teilweise durch Neubauten ersetzt, wobei sich die 7 ab dem Jahr 2000 entstandenen Neubauten gestalterisch deutlich von der Altbebauung absetzen. Obwohl der gesamte Straßenzug unter Ensembleschutz steht, hat die gestalterische Qualität der Bebauung doch stark gelitten. Das älteste noch vorhandene Gebäude ist die Hs.Nr. 1 von
1716, gefolgt von den Häusern GZ07, GZ08 und GZ24, die zumindest noch ansatzweise eine Bebauung des 19. Jhdts. zeigen.
Ab 1865 beginnt eine Bebauung in der Nikolaus-Thoman-Str.. Erst 1890 wird diese Straße zwischen den Häusern Günzburger Str. 14+GZ16 hergestellt und angebunden. Am Einmündungsbereich in die Günzburger Str. muss es danach Probleme mit dem Regenwasserablauf gegeben haben, den 1909 wird beantragt, im Einmündungsbereich Rohre zu verlegen.

Strukturelle städtebauliche Änderungen geschahen bis heute nur wenige.
Omnibus Oster
Seit ca. 1935 befand sich das Omnibusunternehmen Karl Oster in der Günzburger Str. Beginnend mit dem Haus Günzburger Str. 6 erweiterte sich das Unternehmen recht schnell und kaufte um 1940 das Haus GZ09 hinzu, um 1950 auch die GZ07. Das Haus Günzburger Str. 9 wurde vom Landratsamt Neu-Ulm 1949 für unbewohnbar erklärt und anschließend abgebrochen. 1953 errichtete Oster im rückwärtigen Teil Omnibusgaragen und nutzte die davorliegende Fläche als Betriebshof.


Wegen der zunehmenden Verkehrsprobleme des ständig expandierenden Betriebs wurde die Nutzung 2016 aufgegeben und der Betrieb ins Industriegebiet Südlicher Eschach ausgelagert.
Der Abbruch des Nachbarhauses Günzburger Str. 11 im Jahr 1987 vergrößerte die städtebauliche Lücke noch einmal. Seitdem klafft hier eine schmerzhafte Lücke, die baldmöglichst durch eine qualitätsvoll eingefügte Neubebauung geschlossen werden sollte.
Neubebauung Günzburger Str. 19
1970 wurde das landwirtschaftliche Anwesen Günzburger Str. 19 abgebrochen. Es entstand eine zurückgesetzte dreigeschossige Wohnhausbebauung, die sich hinsichtlich Bauflucht, Lage und Geschosszahl nicht in die Umgebung einfügt.

Schließung der Ulmer Str. (Zollstr.)
Die Einmündung der alten Ulmer Str. in die Günzburger Str. war ab ca. 1955 dem zunehmenden Verkehr nicht mehr gewachsen. Seit 1960 gab es Pläne zur Verlegung der Staatsstraße, die jedoch erst 1973 realisiert wurden. Die Schließung der Straße brachte eine spürbare Entlastung der Altstadt mit sich. (Siehe hierzu eigenen Beitrag).
Abbruch Gasthof Ochsen
2017 wurde der historische Gasthof Ochsen (Günzburger Str. 2) abgebrochen. Ein entsprechender Neubau erfolgte auf der bis dahin unbebauten Hoffläche, während der alte Baustandort nun als Parkplatz genutzt wird. Wenn sich auch der Neubau in die Umgebung einfügt, ist hierdurch doch die historisch gewachsene städtebauliche Struktur nachhaltig verändert worden.




