Nicht mehr vorhandene Gebäude,  Wohnhäuser

Memminger Str. 52

Lageplan

Das Haus wurde nach einer längeren Auseinandersetzung mit Stadt, Landgericht und Regierung 1835 erbaut. 1924 von der Stadt erworben, diente es als Armen- und Odachlosenunterkunft. 1994 wurde es für den Bau der Südtangente abgebrochen.

Ein problematischer Bauplatz

Der Kreuzwirt Anton Zahn stellte am 15.03.1834 den Antrag auf Bau eines Schafstalls gegenüber seinem Gasthofs ‚Zum Kreuz‘. Das Grundstück hatte er von Dominikus Hinträger gekauft. Den Plan zum Einbau einer Wohnung in dieses Gebäude gab er auf.

Der Bauantrag führte zu einer heftigen Auseinandersetzung über eineinhalb Jahre hinweg zwischen Bauherrn, Nachbar, Stadt, Landgericht und Regierung. Hier wird exemplarisch deutlich, mit welchen rechtsstaatlichen Mitteln vor ca. 200 Jahren derartige Interessenskonflikte behandelt und gelöst wurden.

Die Gemeinde erklärte, das Grundstück gehöre der Kommune, die es zur Erweiterung der Kiesgrube erworben und Zahn nur zur Nutzung überlassen habe. Auch aus Gründen der Ortsansicht sollte das Gebäude weiter nach Westen gerückt werden. Zahn wurde aufgefordert, einen anderen Bauplatz vorzuschlagen. Der Nachbar, Schreiner Kempf aus Grafertshofen, wandte sich gegen den Bauplan. Das Haus käme ihm zu nahe und nehme ihm das Licht. Wenn der Stall schon früher gestanden hätte, hätte er sein Haus nicht dort gebaut. Auch war er gegen die Nutzung als Schafstall, weil hierdurch der Weg ins Dorf stark verunreinigt würde. Zahn erklärte, er könne keinen anderen Standort für den Bau finden, da er sonst dem Haus des Schreiners Kempf (St.-Wendelin-Str. 6) zu nahe käme. Dennoch legte er einen neuen Lageplan vor, bei welchem er das Gebäude weiter nach Norden in Richtung Kiesgrube rückte. (A) Der Liquidations-Geometer Hofbeck erstellte einen Lageplan, nach welchem der Neubau weiter nach Westen zu dem Nachbargebäude Kempf hin situiert werden sollte. (B) Der Magistrat war aber mit dieser Lage nicht einverstanden, da hierdurch die Entwicklung der Kiesgrube beeinträchtigt würde. Man bot Zahn aber an, den Neubau bis vor an die Memminger Straße zu rücken und hierüber einen Grundstückstausch auszuführen. (C) Noch am selben Tag nahm Zahn dieses Angebot an.

Das LG Roggenburg stimmte dem Antrag zu, widerrief ihn aber zwei Tage später. Der Neubau käme der Landstraße zu nahe und könne so nicht gestattet werden. Zahn zeigte Verständnis für die Entscheidung des LG Rogg. und würde den Stall auch lieber an die Stelle bauen, die er ursprünglich wollte. Die Stadt legte dem LG Rogg. daraufhin einen neuen Lageplan mit geänderter Gebäudestellung vor. Das LG Rogg. wies aber auch diesen Plan zurück, weil hierüber noch kein Beschluss gefasst worden sei und forderte eine Erklärung, wohin sich die Kiesgrube entwickeln solle, wenn das Kies hier erschöpft sei. Auch gegen die im Plan dargestellte Wohnung erhob das Landgericht Bedenken, weil: Das vorhabliche Einbauen einer Wohnung in diesen Stall scheint ferner das seinerzeitige Entstehen eines neuen Leerhauses1 in Aussicht zu stellen. Der Magistrat stimmte jetzt dem Standort gemäß Vermessungsplan Hofbeck zu (B), wenn die Zufahrt von der Dorfstraße nach Grafertshofen aus genommen werde. Sie sah die Zukunft der Kiesgrube hierdurch aber beeinträchtigt und propagierte weiterhin den Standort an der Memminger Straße. Der Bau sollte nach Angabe Zahns von bereits vorhandenem Bauholz aus dem Abbruch eines Stadels gebaut werden. Die Stadt sah hier keine Gefahr eines Leerhauses.

Dennoch verweigerte das Landgericht weiter die Baugenehmigung. Zahn stellte jetzt einen neuen Bauantrag, in welchem er sein Haus nun so weit nach Westen rücken wollte, dass es außerhalb der Erweiterung der Kiesgrube zu stehen käme. Die Stadt sah sich durch diese Lage aber weiterhin behindert und stimmte dem Bauplan nicht zu.

Zahn war es nun offenbar leid und beantragte unmittelbar durch Vorsprache beim LG Roggenburg einen Ortstermin, um die Angelegenheit zu klären. Das LG Rogg. ordnete einen Ortstermin für den 30.10.1834 an. Als Ergebnis des Ortstermins wurde vom LG Rogg. entschieden, dass Zahn Bedarf für einen Schafstall habe, der von ihm gewählte Platz gegenüber seiner Wirtschaft der günstigste sei und die Kommune kein Recht habe, auf diesem Platz für ihre Kiesgrube zu bestehen. Der Bedarf für diese Kiesfläche entstünde auch erst in vielen Jahren. Nach dem Gesetz sei dies kein Grund zu einer Enteignung. Hinsichtlich einer Wohnung in diesem Gebäude wurde eine Genehmigung aber nur dann in Aussicht gestellt, wenn der Neubau an das Hauptgut (Kreuzwirtschaft) gebunden werde und nicht selbstständig veräußert werden dürfe.

Der Magistrat legt gegen diese Entscheidung des LG Rogg. Berufung bei der Regierung von Schwaben ein. Die Kiesgrube sei in 8-10 Jahren erschöpft und der festgelegte Abstand des Gebäudes zur Grube von 6′ (1,75m) zu gering. In einer 16-seitigen Rekursschrift legte die Stadt ihre Auffassung dar.

Die Regierung entschied am 31.01.1835: Da jedoch die Differenz in dieser Bauangelegenheit am entgegenstehendsten dadurch ausgeglichen werden könnte, wenn Bräuer Zahn einen Theil des vor seinem Hause liegenden Hofes abtretten würde um den Weg nach Grafertshofen zu verlegen und, wenn eine Baulinie 10 Fuß von seinem Hausecke auf die vorstehende Ecke des nächsten Hauses an der Vorstadt gezogen wird, das neue Haus rce: den Stadel gemäß dem Plan bei a.b.c.d. erbaut werdern würde, wodurch die vorüberziehende Vizinalstraße nicht im geringsten beeinträchtigt wäre, so hat das k. Landgericht vor Eröffnung obiger Entschließung vorerst noch die Betheiligten auf diese Bauausführung hinzuweisen, und womöglich auf diesem Wege diese Differenz zu beseitigen.

Mit dieser Entscheidung war aber nun Zahn nicht einverstanden. Er erklärte gegenüber der Gemeinde, er beraube sich dadurch seiner Aussicht und des Vorplatzes vor seiner Wirtschaft. Er sei jetzt aber damit einverstanden, den Stadel, wie vom Magistrat am 01.08.1834 vorgeschlagen, seinem Wirtschaftsstadel gegenüber zu bauen. Der Magistrat ging auf diesen Vorschlag ein und ließ hierüber einen Lageplan fertigen. (D)

Zahn legte nach dieser Übereinkunft am 18.03.1835 einen neuen Bauplan vor, in dem er jetzt aber auch eine Wohnung im ersten Stock vorsah.

Am 23.03.1835 nahm Zahn nochmals eine Änderung seines Bauplanes vor, indem er die westliche Giebelwand und die nördl. Seite außer der Wohnung jetzt aus Fachwerk bauen wollte. Hierfür bekam er die Genehmigung des Landgerichts.

Doch noch war die Auseinandersetzung nicht beendet. Herrschaftsrichter Carl erklärte am 18.05.1835, er werde von Zahn die Schafzucht übernehmen. Er möchte den Stall anders ausführen, so dass er den Belangen der Schafzucht besser entspreche. Es solle keine Wohnung, sondern nur noch eine Schlafstelle für den Schäfer eingebaut werden. Zahn gab an, er werde mit Carl die Schäferei gemeinsam betreiben und er habe ihm hierzu das Holz des abgebrochenen Stalles überlassen.

Die Baukommission erhob aber Bedenken gegen den Holzbau, weil auch eine Wohnung für den Schäfer eingebaut werde und sah sich durch die geänderten Verhältnisse nicht mehr an die Tauschzusage bzgl. des Bauplatzes gebunden. Das LG Rogg. sah in dem neuen Plan jedoch keine wesentliche Veränderung, hielt aber an der Forderung nach einer gemauerten Bauweise fest. Gegen diese Baubeschränkung legten Zahn und Carl eine 10-seitige Beschwerde bei der Regierung ein.

Die Regierung entschied, dass in vorliegendem Fall eine Ausnahme von der Forderung nach massiven Gebäuden gemacht werden könne. Die Destillierstube müsse aber ins EG verlegt, eingewölbt und mit der Schlafkammer des Schäfers zusammengefasst werden. In dieser Form wurde wieder ein neuer Bauplan eigereicht. Eine Baukontrolle am 18.12.1835 bestätigte die plangemäße Ausführung, allerdings sei in die Destillierstube eine Küche zu einer Pfründewohnung eingebaut worden.

Das Haus stand 165 Jahre

Das Haus wurde bis 1882 von der Familie Zahn genutzt. Am 28.04.1857 erwarb Josefa Zahn, Ökonomenswitwe, aus der väterlichen Verlassenschaft das Haus und baute 1871 eine weitere Pfründewohnung ein, die defacto auch schon früher bestanden hatte. 1875 ist Valentin Zahn hier gemeldet.

1882 ging das Haus in den Besitz des Fuhrmanns Joh. Nep. Bader über. Um 1914 geriet Bader in finanzielle Schwierigkeiten. Er bot sein Haus der Stadt zum Kauf an. Am 12.06.1914 beschloss der Stadtrat, die Stadt sei nicht in der Lage, das Anwesen zu kaufen.

Der Fuhrmann Rupert Bader wollte 1914 sein Wohnhaus MM52 verkaufen, um ein neues Haus zu bauen. Der Stadt war der geforderte Kaufpreis aber zu hoch. Alternativ bat er die Stadt um Zuteilung eines kostenlosen Bauplatzes, der ihm in der Roggenburger Str. 28 angeboten wurde. Durch die Ereignisse des 1. Weltkriegs konnte Bader sein Vorhaben nicht verwirklichen. Als er nach Kriegsende 1918 den Platz in der Roggenburger Str. bebauen wollte, hielt die Stadt den Platz aber doch nicht für sehr geeignet, weil dort drei Straßen zusammentreffen. Als Ersatz bot die Stadt ihm 1919 ein Grundstück in der Richard-Wagner-Str. 6 an, was er dann auch bebaute. Sein altes Haus MM52 verkaufte er an den Landwirt Georg Dukeck, von dem die Stadt dann 1924 das Haus doch kaufte.

Georg Dukek erweiterte 1921 das Ökonomiegebäude.

Am 04.07.1924 erwarb die Stadt das Haus MM52 mit den 2 Äckern für 3.200 RM, wovon 2.500 RM auf das Haus entfielen. Das Wohnungsbauamt regte 1926 den Einbau von Wohnungen in das städt. Gebäude an. Der Stadtrat lehnte dies im Hinblick auf den schlechten baulichen Zustand des Gebäudes ab. Stattdessen genehmigte man dem Seegrashändler Heinrich Haas (Memminger Str. 7) das Lagern von Seegras im Stadel.

1931 beschloss der Stadtrat dann den Umbau der Scheune zu 2 Landarbeiterwohnungen. Hiermit begann das Schicksal des Gebäudes als Obdachlosenunterkunft.

Die Bewohner wechselten häufig. Da die Namen für die Baugeschichte bedeutungslos sind, werden sie hier nicht alle erwähnt.

1994 wurde das Haus im Zuge des Baus der Südtangente abgebrochen. Die Bewohner wurden in Wohnungen im Sternberger Weg umgesiedelt.

Nach Abschluss des Straßenbaus wurde im Jahr 2000 das Restgrundstück an die Fa. Mercedes-Gutter (Memminger Str. 54) verkauft, die auf der Fläche einen Parkplatz für Gebrauchtwagen und eine Autowaschanlage erbaute.

  1. Als Leerhaus bezeichnete man damals ein Gebäude, das von fremden Personen, die nicht des Bürgerrecht der Stadt besaßen, bewohnt wurde. ↩︎

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