Bahnhofstraße 10
Zweigeschossiges Wohnhaus mit Walmdach und Eckerkern, 1915 erbaut, Balkon 1923 geschlossen, 1994 Fassade vereinfacht
Im Zuge des Ausbaus der Bahnhofstraße als Zufahrt zum neuen Bahnhof wurden die Grundstücke links und rechts der Straße als Bauplätze verkauft. (siehe hierzu den Beitrag über die Bahnhofstraße) Nach Ablauf der Pachtverträge für die Gärten vor dem Unteren Tor beschloss der Magistrat, die Gärten nicht mehr zu verpachten, sondern die Grundstücke als Bauplätze zu parzellieren und zu verkaufen. Die Gemeindebevollmächtigten stimmen diesem Vorgehen am 25.11.1877 zu. Am 15.02.1878 wurden die Bauplätze versteigert. Es fanden sich aber nicht für alle Bauplätze sofort Kaufinteressenten.
Am 27.05.1898 wurden die Grundstücke BS10, BS06 und BS08 von der Stadt versteigert. Der Müller Joh. Klotz bot 800 M für BS10 und der Malzfabrikant Joh. Zimmermann bot 1025 M für die Grundstücke BS06 und BS08. In einem Nachgang bot der Bauunternehmer Luitpold Gaiser für alle Grundstücke zusammen 2000 M. Am 01.06.1898 beschloss der Magistrat, die Grundstücke an Gaiser zu verkaufen. Notariell wurden die Grundstücke am 29.04.1899 verkauft. Gaiser war bereits seit 27.05.1898 Besitzer dieser Grundstücke geworden und hatte sie zum Verkaufszeitpunkt schon mit dem Gebäude BS06 bebaut. Bezüglich des Grundstücks BS10 wurde im Vertrag auf das Vorhandensein des alten Entwässerungskanals des Promenadegrabens und auf den neu verlegten Abwasserkanal innerhalb des Grundstücks hingewiesen, die geduldet werden müssen.
Aber erst im Jahr 1914 fand sich für diesen Bauplatz ein Interessent, 36 Jahre nach der Ausweisung als Bauland! Der Rechtsanwalt Benedict Wellner baute das Haus dann im Jahr 1915.
In der Sylvesternacht 1921/22 um 03:15 Uhr wurde auf das Haus Bahnhofstr. 10 des Rechtsanwalts Wellner ein Bombenattentat verübt, bei dem erheblicher Sachschaden (250.000 M) entstand. In die offene Loggia wurde eine Bombe geworfen. Ein Täter konnte nicht ermittelt werden.
Von der Brandversicherung erhielt Wellner keine Leistungen, da ein Bombenwurf nicht zum Versicherungsumfang gehört. Das Innenministerium gewährte jedoch scheinbar einen Zuschuss zur Reparatur, weswegen das Ministerium für soziale Fürsorge keinen weiteren Zuschuss mehr gab. Die Stadt gewährte Herrn Wellner zusätzlich ein Wohnungsbaudarlehen aus Landesmitteln. Nach dem Attentat wurde die kleine Loggia im Obergeschoss zugemauert. Der Kostenanschlag des Baugeschäfts Gaiser belief sich auf 225.000 M (Inflationspreis!) für die Reparatur.
Scheinbar wollte (oder konnte) Wellner in diesem Haus nicht weiter wohnen, so dass bereits 1922 ein neuer Eigentümer auftritt. Der neue Eigentümer war der Kaufmann Franz Josef Schneider.
Das Haus besaß anfangs einen kleinen gemauerten Eckpavillon. Es konnte leider nicht ermittelt werden, wann dieser Pavillon abgebrochen wurde.
1954 wurde eine Garage erbaut und 1994 die Fassade renoviert. Dabei erhielt das Gebäude neue Fenster, die Fensterläden entfielen.