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Memminger Str. 4, die Georgenwirtschaft

Die ehem. Georgenwirtschaft ist eine der ältesten dokumentierten Gastwirtschaften in Weißenhorn, sie bestand von 1556-1919.

Vorgängerbebauung

Die Eigentümer vor 1465 sind archivalisch nicht feststellbar. Die Chronologie beginnt mit Jacob Deckr (auch Dekr, Deckher , Docker), der 1492 von Michel Dekr abgelöst wird. Ab 1499 gehört ihm auch das Haus Hauptstr. 19. 1502 kauft Ulrich Mayr das Haus zu seinem Besitz MM06 hinzuerworben hat.

In einem unveröffentlichten Manuskript von Wylicil vermerkt dieser für das Jahr 1503 Diepold Schwarz, Bürgermeister, Gastgeber beim Jörgenwirt. Die Angabe ist nicht gesichert, eine Quellenangabe fehlt. Nach den Steuerbüchern 1496-1517 gab es keinen Diepold Schwarz in der Oberen Vorstadt, nur in der ‘Stadt größeren Orts’, (d.i. der Bereich westl. d. Hauptstraße). Es gibt keine Hinweise auf einen Doppelbesitz.

Die Eigentümerfolge bis 1518 ist unsicher, bei Interesse können die bekannten Fakten dem beiligenden pdf-Datenblatt entnommen werden. Für die Jahre 1518-1548 liegen ohnehin keine Aufzeichnungen vor.

Neubebauung 1553

1553 erscheint Hans Schlegel als Eigentümer. Aus der erhöhten Steuerlast von 7 fl 9 kr 7 h kann geschlossen werden, dass das Haus neu erbaut wurde. 1556 wird Schlegel als Wirt bezeichnet. Vor 1556 fehlen solche Zusätze, so dass man annehmen kann, dass die Wirtschaft hier schon länger bestanden hat, spätestens wohl seit dem Neubau 1553. Die Georgenwirtschaft war immer nur Gaststätte und nie Brauerei. Zwischen 1575 und 1604 wechselt die Wirtschaft fünfmal den Besitzer. 1575 ist Hans Öxlen als Eigentümer genannt, der Sohn des früheren Lammwirts Hans Öchslein. Bernhard Roth jung, Sohn des Bräuhausbesitzers Kirchplatz 6, Anton Roth, ist von 1604 an auf der Georgenwirtschaft, er geht nach dem Tod seiner Mutter 1614 auf das Bräuhaus zurück und überlässt seinem Sohn Bernhard Roth jung 2 die Georgenwirtschaft. Der bleibt bis 1636 auf St. Georg, gefolgt von Georg Bader. Dieser besaß außer diesem Gebäude noch das Haus Memminger Str. 1 und die hintere Hälfte von MM03, ab 1651 auch MM07 und MM08. Er war also recht wohlhabend und einflussreich. 1636 wird die Wirtschaft zum ersten Mal Jörgenwirtschaft genannt, vielleicht beruht der Name auch auf dem Vornamen ihres Wirts. Im Jahr 1654 wird das Eigentum größtenteils auf den Sohn Martin Bader übertragen.

Ab 1674 ist Christoph Wagner jun., der Sohn des Bürgermeisters Christoph Wagener von Hauptstr. 7+9, Eigentümer der Georgenwirtschaft.

Neubau 1706

1706 ist im Steuerbuch verzeichnet: Christoph Wagner, Behausung neuerpaut, Hofraithin, Stadel und Garten, Wert 1600 fl, dann 1800 fl mit dem Neubau. Das Haus in der jetzigen Form wurde also 1706 neu gebaut. Am 25.06.1716 ist dem (Sohn?) Franz Wagner; Metzger, Gastgeber zum Ritter; per 1800 fl die Wirtschaft überlassen und zugeschrieben worden. Um 1727 muss Franz Wagner in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sein, aktenkundig ist ein Schuldenprozess gegen den Weinhändler Christoph Fingerle in Ulm. Wagner war gezwungen, sein Haus zu verkaufen.

Ursula Roth ist die Tochter des Sonnenwirts Johann Roth aus der 1. Ehe. Sie kauft 1729 von ihrem Erbteil den Gasthof Georgen MM04 für 3650 fl aus der Gant des Franz Wagner. Sie heiratet 18.04.1733 den Traubenwirt Michael Zeller, der die Traube verkauft und auf den Georgen zieht. Zeller stirbt schon 1735. Ursula heiratet in 2. Ehe den Sohn des Glockenwirts, Anton Keuffel, welcher 1729 den Engel übernommen hatte und zieht auf den Engel.

Man sieht hieran die Heiratspolitik der Weißenhorner Gastwirte. 1766 stirbt Anton Keuffel, die Wirtschaft wird von Jakob Zeller, dem Sohn aus Ursula Zellers kurzer 1. Ehe mit Michael Zeller, der den Gasthof nach dem Tod seines Stiefvaters Anton Keuffel 1767 erbte. Er muss 1734 geboren sein und führte die Georgenwirtschaft ab seiner Volljährigkeit 1755. Die Liegenschaft wird mit Ritterwirt, Behausung, Hofraiten, Stadel und Garten; Wert 1500 fl, beschrieben. 1783 heißt es Weinwirt auf der Jörgenwirtschaft.

1795 ist Josef Zeller als Besitzer genannt, während der andere Bruder Johannes am 21.09.1793 das Lamm kauft. Am 11.11.1798 folgt Anton Zeller auf dem Georgen. Anton Zeller, geboren 1777, heiratet Walburga Kretz, die Tochter des Sonnenwirts Johannes Kretz. Auch bei ihm muss um 1835 das Geld knapp geworden sein, denn am 17.08.1835 erwirbt Josef Mennel die Wirtschaft aus der Gant (Privatinsolvenz). Schon am 09.02.1837 ist ein Vinzenz Unold der Eigentümer, wahrscheinlich ein Zwischenkäufer, denn das Haus wird am 19.10.1837 schon wieder weiterverkauft, und zwar an Karl Kreuzer.

Eine interessante Episode stellt ein Bauantrag des Karl Kreuzer aus dem Jahr 1840 dar [1]A 122-K-7/8. Der Georgenwirt Karl Kreuzer hat sein Ökonomiegebäude abgebrochen, um seinen Garten zu erweitern und möchte stattdessen ein neues Gebäude an seinen bestehenden Bau anbauen. Dieses soll ein abgeschlepptes Dach erhalten und in Fachwerk ausgeführt werden. Die städt. Bau-Komission erhebt Bedenken gegen diesen Bau aus Feuerschutzgründen und ist auch gegen das abgeschleppte Dach “welches in Städten u. überdies von solcher Grösse nicht stattfinden u. gegen allen guten Bau-Geschmack anstossen dürfte”. Das LG Roggenburg teilt diese Meinung und lehnt den Bauantrag am 25.05.1840 ab. Schon am 29.05.1840 legt der Georgenwirt Kreuzer einen neuen Bauplan vor und möchte nun das Gebäude mit einem gleich hohen Walmdach an den Bestand anschließen. Die städt. Baukomission stimmt dem Plan zu unter der Bedingung, dass der Sockel aus Backsteinen gemauert und das Fachwerk verblendet werde. Dieser Bauplan wird vom LG Roggenburg unter dieser Voraussetzung am 17.06.1840 genehmigt. Am 22.06.1840 wird angezeigt, dass Kreuzer den Bau schon vor der Genehmigung begonnen habe und den Sockel nicht gemauert, sondern nur mit einer eichenen Schwelle ausgeführt habe. Der Zimmermeister Abt wird zur Verantwortung gezogen, welcher sich auf den Auftrag des Bauherrn beruft. Das LG Roggenburg verhängt eine Strafe von 8 Ster Holz (resp. 12 fl) an die städt. Armenkasse, lässt den Bau aber in dieser Form bestehen. Kreuzer bezahlte diese Strafe aber nicht. Wiederholt forderte die Stadt das LG Roggenburg auf, die Strafe beizutreiben. Erst am 08.11.1843 ist vermerkt, dass die Strafe bezahlt worden ist.

1845 beabsichtigt der Georgenwirt Karl Kreuzer in den westlichen Teil seines Ökonomiegebäudes eine Wohnung über drei Geschose einzubauen. Die ehemalige Kegelbahn im EG lässt er auf. Er bringt vor, auch früher schon habe im ersten und zweiten Stock des Gebäudes eine Wohnung bestanden.

Am 11.08.1849 geht die Jörgenwirtschaft an Thomas Hieber und seine Ehefrau Anna über, am 26.11.1863 an Anton Huber und dessen Ehefrau Anna, geb. Späth. 1881 gerät wieder ein Wirt hier in Finanznot. Am 22.04.1881 wird der Privatier Mathias Kircher (ehem. Engelwirt) durch Zwangsversteigerung Eigentümer des Grundstücks. Kircher verkauft nach 4 Monaten am 10.08.1881 die Wirtschaft an Johann und Anna Bissinger.

Von 1864 bis 01.06.1883 befindet sich das Postlokal hier im Gebäude, es war vorher in der Heilig-Geist-Str. 3 und danach im Wollhaus, An der Mauer 2.

Der Gastwirtschaft war in den nächsten Jahren kein Glück vergönnt. Sie ging schnell durch viele Hände: 1887 gehörte sie dem Malzfabrikanten Zimmermann, ab 1890 einem Privatier aus Heidenheim (Alfred Manz), 1892 Anton Schnell, 1897 Carl Stiefel, 07.09.1905 ein nicht benannter Herr aus Kirchheim/Teck als Zwischeneigentümer und 1 Monat später an Walter und Maria Hörmann, am 16.02.1906 die Baderseheleute Simon und Katharina Engelbreit, und am 23.03.1906 die Gebrüder Leibinger, wieder durch Zwangsversteigerung. Doch immer noch kehrte keine Ruhe ein. Die folgenden Wirte dürften nur Pächter gewesen sein: 18.05.1906 Josef und Theresia Waldmann; 10.04.1907 Johann und Maria Eberle und ab 13.09.1907 Anton Seif. Dieser blieb zumindest bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.

Die Baderseheleute Engelbreit hatten bereits 1903 ihren Salon in das Haus des Herrn Stiefel verlegt.

1919 wurde die Wirtschaft endgültig aufgegeben. Der Textilkaufmann Ludwig Schmöller kaufte das Haus und richtete dort sein Bekleidungsgeschäft ein, welches bis 2015 Bestand haben sollte. Das Wirtshausschild fand seinen Weg ins Heimatmuseum.

Auf dem Grundstück ruhte aber noch die sog. ‘Taferngerechtsame’, d.h., das Recht, eine Gastwirtschaft zu betreiben. 1919 stimmte der Stadtrat der Übertragung des Rechts auf das Grundstück Hauptstr. 7 (Café Jann) zu, da die Georgenwirtschaft nicht mehr betrieben werde. Die Übertragung kam dann aber scheinbar doch nicht zustande, da am 22.06.1928 über diese Frage nochmals diskutiert wurde. Jetzt sollte das Recht auf das Haus Memminger Str. 2 (Café Habis) übertragen werden. Hiermit war der Stadtrat aber nicht einverstanden, da nach dem Ausschank für Bier kein Bedürfnis bestehe, da sich in nächster Nähe 2 Gastwirtschaften befänden und insgesamt 19 Bierwirtschaften in Weißenhorn vorhanden seien. Am 02.08.1929 startete Herr Schmöller den nächsten Versuch, jetzt sollte das Recht auf das Haus Günzburger Str. 8 (Weinstube Zum guten Tropfen) übertragen werden. Das gefiel dem Stadtrat aber auch nicht. Man bat das Bezirksamt um Prüfung, ob die Gerechtsame nicht durch 10-jährigen Nichtgebrauch erloschen sei. Der letzte Versuch fand 1933 statt, als die Übertragung der Taferngerechtsame für Bier von MM04 auf Bahnhofstr. 4 an Alois Heinrich übertragen werden sollte. Auch dies wurde nicht genehmigt. Später war ein solcher Übertragungsversuch nicht mehr erforderlich, weil die Gesetzesgrundlage geändert wurde und der Bierausschank nicht mehr genehmigungspflichtig war.

Ludwig Schmöller nahm zahlreiche Umbaumaßnahmen an seinem Haus vor. Gleich nach dem Erwerb wurde ein Kamin und ein Teil der Außenwand erneuert, 1923 ein Trottoir vor dem Haus gebaut, 1927 eine Waschküche eingebaut und 1949 auf der Westseite ein neues Treppenhaus angebaut. Die Fläche der bisherigen Treppe wurde dem Laden zugeschlagen. 1950 wurde der Laden umgebaut. Hierbei erhielt das Gebäude im Osten und Süden große Schaufenster. 1952 kam ein Schuppen im Hofraum dazu; 1955 wurden 2 weitere Schaukästen angebracht.

Im Jahr 1958 endlich erfolgte ein großer Umbau, wobei das Gebäude weitgehend entkernt wurde. Das 1. OG wurde der Verkaufsfläche zugeschlagen und hierzu eine neue Treppe eingebaut. Das Haus erhielt Einscheibenfenster, die im 1. OG bis auf 40 cm Brüstungshöhe abgesenkt wurden. Der Schuppen im Hof wurde 1962 aufgestockt und nahm ein Schlafzimmer auf. In dieser Form verblieb das Haus im Wesentlichen bis heute, nur der Eingangsbereich wurde noch mit Naturstein verkleidet.

2015 wurde das Textilgeschäft aufgegeben. Es zog ein Fachgeschäft für Brautmode ein, welches vorher in der Memminger Str. 20 ansässig war. Doch auch dieses blieb nicht allzu lange. 2021 übernahm eine Weinhandlung den Laden.

Quellen:

Quellen:
1 A 122-K-7/8
2, 3, 4 Stadtarchiv Weißenhorn; Foto: Heimatmuseum Weißenhorn
5, 7 Heimatmuseum Weißenhorn; Foto: Heimatmuseum Weißenhorn
6 Das Foto muss 1906 entstanden sein als die Baderseheleute Engelbreit Eigentümer waren. Neben der Haustüre hängt die typische Barbierschale, die damals Erkennungszeichen eines Friseursalons war.

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