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Die Vizinalbahn Senden-Weißenhorn – Reaktivierung

Was kaum jemand für möglich gehalten hatte: die ehemalige Vizinalbahn Senden-Weißenhorn war die erste bayerische Eisenbahnstrecke, die 50 Jahre nach ihrer Stillegung reaktiviert wurde und heute einen rentablen Betrieb abwickeln kann. Möglich wurde dies durch einige beharrliche Streiter, die die Gunst der Stunde zu nutzen wussten.

Die Darstellung der Entwicklung der Reaktivierung der Eisenbahnstrecke erfolgt in diesem Artikel nur anhand der wesentlichen Parameter. Ein genaue historische Aufarbeitung der Entscheidungsfindungen und der Durchführung bleibt einem späteren ausführlichen Artikel vorbehalten.

Die Ausgangssituation

Nach der Einstellung des Personenverkehrs am 24.09.1966 blieb der Güterverkehr auf der Strecke erhalten. Es entstanden sogar noch neue Gleisanschlüsse.

Der Güterverkehr über die Bahn nahm aber immer mehr ab. Nach der sog. ‘Wende’ gab auch die Bundeswehr das Tanklager im Eschach auf. Sogar der Zuckerrübenverkehr, viele Jahre ein stabiler Faktor, wurde auf die Straße verlagert. Mitte der 90er-Jahre wurde auch der Stückgutverkehr aufgegeben, der Bahnhof war nicht mehr besetzt. Die Gleisanlagen wurden nicht mehr gepflegt, Unkraut überwucherte das Gelände. Insgesamt machte die Bahnhofsgegend immer mehr einen ungepflegten und heruntergekommenen Eindruck.

Überlegungen zur Reaktivierung

Bereits im Jahr 2003 untersuchte die Stadt Weißenhorn die städtebauliche Situation und legte das Ergebnis in einem Rahmenplan fest. Hierbei wurde die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Personenverkehrs bedacht und großzügige Park-and-Ride Parkplätze vorgesehen. Insgesamt sollte die Straße aufgewertet werden. Der vorgesehene Neubau der Raiffeisenbank erfolgte, die Fläche für den Hotelneubau liegt leider heute noch brach.

[2]Stadtbauamt Weißenhorn

Im Jahr 2008 wollte die DB AG die Strecke stilllegen. Gemäß den gesetzlichen Vorgaben musste die Strecke aber vorher zum Verkauf angeboten werden. Die SWU (Stadtwerke Ulm) entschieden sich, die Strecke zu kaufen und als Personenverkehrsstrecke zu reaktivieren. Die SWU kaufte die reine Eisenbahnstrecke, die Gleisanlagen mussten aber vollständig erneuert werden. Auch musste die Sicherungstechnik auf den neuesten Stand gebracht werden, d.h., die schienengleichen Bahnübergänge mussten mit Schrankenanlagen versehen werden. Hierzu gehörte auch die Installation einer Ampel, welche die Räumung des Übergangs vor Schließen der Schranken sicherstellt.

Durch die Erneuerung der Gleisanlagen hätten aber auch die Gleisanschlüsse erneuert werden müssen. Da einige der Anschlüsse aber nicht mehr voll genutzt wurden, konnten sich die Anschlussnehmer nicht mehr zu einem Umbau entschließen. So wurden die Anschlüsse B.C. Keller (Landhandel Weißenhorn), Am Eisenbahnweiher und BayWA mit PERI, ebenfalls Am Eisenbahnweiher, im Anschluss abgebaut. Restschienen liegen heute noch an diesen Stellen.

Der Gleisanschluss in das ehem. Bundeswehr-Tanklager war schon früher stillgelegt und das Gleis am Bahnübergang Daimlerstr. ausgebaut worden, um die Gleisquerung zu erleichtern. Die Fa. Oetinger wollte ihren Anschluss erhalten, gab ihn ein paar Jahre später dann aber doch auf. Die Fa. Groer setzte zunächst weiter auf die Bahn, besonders da sie viel Eisenbahnschrott verarbeitete. Sie ließ sogar noch eine neue Abzweigweiche einbauen. Ein Eigentümerwechsel brachte aber eine neue strategische Ausrichtung des Betriebes, der Transport über die Eisenbahn wurde eingestellt, so dass die neue Abzweigweiche nun ungenutzt in der Strecke liegt.

Nur die Westfalen AG ließ ihren Gleisanschluss bestehen und nutzt ihn bis heute.

Immerhin war die SWU als neuer Eigentümer so weitsichtig, dass immer noch ein Freiladegleis, eine Kopf- und seitenrampe vorhanden sind, so dass einem Güterverkehr zumindest theoretisch nichts im Wege stünde.

Der Haltepunkt Wullenstetten wurde erneuert, und in Witzighausen wurde ein neuer Haltepunkt neben der Schrankenanlage eingerichtet. In Weißenhorn-Eschach kam sogar ein neuer Bedarfshaltepunkt hinzu, am Bahnübergang Daimlerstraße.

In Weißenhorn wurden die Gleisanlagen bis auf 2 Gleise zurückgebaut, zumindest ermöglicht eine Weichenverbindung noch immer das Umsetzen einer Lokomotive!

Die Strecke wurde für eine Geschwindigkeit bis 100 km/h ausgelegt, die Streckentrassierung der Vizinalbahn-Normalien von 1869 ließ dies zu!

Der Landkreis Neu-Ulm als ÖPNV-Träger stieg in das Projekt mit ein. Nach einem Verkehrsgutachten wurden die Buslinien und deren Fahrpläne dem neuen S-Bahn-Konzept angepasst.

Bauarbeiten

Am 14.12.2013 wurde die Strecke eröffnet und bietet nun von 05:00 bis 24:00 stündlich eine Fahrmöglichkeit über Senden nach Ulm an. Eine solche Möglichkei mit 20 Zugpaaren am Tag gab es früher nie!

Städtebauliche Neuordnung

Die Stadt Weißenhorn konnte die anderen Grundstücke und Gebäude der DB kaufen. Güterschuppen und Abortgebäude wurden abgebrochen. Die Stadt Weißenhorn verlegte den Busbahnhof vom alten Standort Illerberger Str. an den Bahnhof und stellte acht Bushaltestellen einschl. eines digitalen Anzeigesystems her.

Im Zuge des Umbaus des Bahnhofgeländes wurde auch eine Überdachung des Bussteigs vorgesehen. Diese sollte eine gewisse städtebauliche Bedeutung erhalten um auf der Westseite der Herzog-Georg-Str. einen gestalterischen Abschluss zur Raumfassung gegenüber dem dahinter liegenden Gewerbegebiet erhalten. Die hierfür veranschlagten Kosten schienen aber einigen Stadträten zu hoch, so dass eine Entscheidung mehrfach vertagt wurde. Auch ein kleiner Wettbewerb für das Dach brachte keine günstigeren Ergebnisse, so dass der Planungsauftrag mit nur 1 Stimme Mehrheit dann doch an den Berliner Architekten Philipp Koch erging. Probleme mit der Baufirma sorgten für eine weitere Verzögerung, so dass das Dach erst im Jahr 2016 fertiggestellt werden konnte.

Quellen:

Quellen:
1 Heimatmuseum Weißenhorn; Foto: Heimatmuseum Weißenhorn
2 Stadtbauamt Weißenhorn
3, 4 GIS-Neu-Ulm

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