Verkehr, Post

Die Vizinalbahn Senden-Weißenhorn – Planungen

Als Vizinalbahn [1]von lat. vicinus; der Nachbar wurden früher die Nebenbahnen bezeichnet. Seit 1878 ist Weißenhorn an das Schienennetz angebunden und seit 2013 sogar über die heutige Regio-S-Bahn wieder mit Personenverkehr. Lesen Sie, wie Weißenhorn zur Bahn kam und wie sich der Verkehr entwickelte.

Das komplexe Thema wird in mehreren Einzelartikeln behandelt, die durch Links miteinander verbunden sind. Der erste Artikel beschäftigt sich mit den generellen Planungen des Eisenbahnbaus, weitere Artikel sind Bau und Entwicklung, Fahrplan und Betrieb, der städtebaulichen Situation und der heutigen Entwicklung gewidmet.

Entwicklung der Eisenbahn in Bayern

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der Eisenbahn, mit der sich erst die Industrialisierung so richtig entwickeln konnte. Wenn man heutige Planungs- und Genehmigungsprozesse betrachtet, ist man erstaunt, in welch kurzer Zeit mit den damals vergleichsweise einfachen Technologien ein im wesentlichen bis heute funktionierendes Netz geschaffen werden konnte.

1829 fuhr die erste nach heutigen Begriffen ‚richtige‘ Eisenbahn von Manchester nach Liverpool und schon 1840 gab es in den USA ein Schienennetz von 4800 km Länge! In Deutschland fuhr 1835 die erste Eisenbahn in Bayern von Nürnberg nach Fürth und 1839 die erste Fernbahn in Sachsen von Leipzig nach Dresden über 100 km.

In Bayern erkannte man recht schnell die Bedeutung des neuen Verkehrsmittels und  erließ am 28.09.1836 „Fundamentalbestimmungen für sämtliche Eisenbahnstatuten in Bayern“. Hierin wurde bereits der Charakter der Eisenbahn als gemeinnützige Anstalt unter den besonderen Schutz des Staates gestellt. Im November 1837 trat das ‚Expropriationsgesetz‘ (Enteignungsgesetz) in Kraft, was gerade beim Bau der Strecke Ulm-Augsburg mehrfach angewendet wurde.

Die erste Fernbahn in Bayern wurde am 04.10.1840 zwischen Augsburg und München in Betrieb genommen. Mit der Gründung der königlichen Eisenbahnbaudirektion in Nürnberg für die Strecke Hof-Nürnberg-Augsburg mit Weiterführung bis Lindau wurde der Bahnbau in Bayern zur Staatssache. Diese Ludwig-Süd-Nord-Bahn wurde 1854 vollendet.

Parallel dazu begann man mit Gesetz vom 04.05.1851 mit dem Bau der sog. Maximiliansbahn von Ulm über München nach Salzburg, deren Teilstück Ulm-Augsburg ab 01.05.1854 vollständig befahrbar war. Jetzt war ein Bahnanschluss in Nersingen für die Weißenhorner nur noch 15 km entfernt!

Bau der Illertalbahn Ulm – Kempten

Allerorten gründeten sich zu dieser Zeit Komitees, die für ihre Gemeinden einen Anschluss an das Bahnnetz wollten. 1843 setzten sich Bürger aus Kempten zusammen, um eine Bahnstrecke nach Ulm zu erreichen. Doch der bayerische Staat zeigte kein großes Interesse an diesem Projekt. Erst 1856 gründete sich in Memmingen ein Komitee, welches sich für eine Linienführung über Memmingen durch das Illertal einsetzte. Nun endlich organisierte man sich auch in Weißenhorn und bildete 1857 auch in Weißenhorn ein Komitee unter dem Vorsitz des Kupferschmieds Ignaz Dirrheimer, der auch Gemeindebevollmächtigter war. Weißenhorn war damals die wirtschaftlich stärkste Stadt zwischen Ulm und Memmingen. Daher wollte man es nicht hinnehmen, dass die Eisenbahn in 10 km Abstand an der Stadt vorbeiführen sollte. Man wies auf die Bedeutung der Schranne für den Getreidehandel hin und argumentierte, in Weißenhorn würden 43.000 Schäffel Getreide (ca. 2150 Tonnen) im Jahr umgesetzt. Daher propagierte man eine Linienführung durch das Rothtal, von Heimertingen bis Nersingen. Ein Blick auf die damalige Karte zeigt, dass mit Weißenhorn und Pfaffenhofen sowie den umliegenden Orten wesentlich mehr Orte erreicht worden wären als mit einer Trassenführung durch das weitgehend unbebaute Ulmer Ried, auch Ulmer Steppe genannt. Es entwickelte sich ein regelrechter Wettstreit über die Linienführung. Die Stadt Weißenhorn beauftragte den kgl. Bauinspektor Beyschlag vom Oberbahnamt Kempten mit einem Gutachten einer Verbindungsbahn von Weißenhorn zur Ludwig-Süd-Nord-Bahn bei Nersingen, welches im Dezember 1856 vorgelegt wurde. Man beauftragte den Rechtsanwalt Dr. Franz Josef Völk, Friedberg, mit einem Schriftsatz an den König unter Beifügung des Gutachtens Beyschlag, in dem bemängelt wurde, dass die Linienführung über Illertissen einen geringeren Bevölkerungskreis und ein geringeres Frachtaufkommen umfasse und es daher wirtschaftlicher sei, die Trasse durch das Rothtal zu legen.

In Memmingen ging man das Eisenbahnprojekt sehr gezielt an. Man ließ 1857 ein technisches Gutachten von Oberingenieur Ruland über die gewünschte Strecke ausarbeiten und als Denkschrift drucken. 4,5 Mio. Gulden waren für das Projekt nach dem Kostenvoranschlag erforderlich. Der volkswirtschaftliche Nutzen wurde, besonders wegen der zahlreichen Weber im Illertal und der Wasserkraft der Iller, auf der Illertaltrasse für größer angesehen als bei einem Verlauf durchs Rothtal. Am 16.07.1857 wurde vom Bay. Handelsministerium für die Planung eine Konzession erteilt. In Memmingen gründete sich eine Aktiengesellschaft auf Betreiben des Großhändlers Adolf Keim und Konsorten zur Durchführung der Bauarbeiten.

Am 01.08.1857 äußerte Dr. Völk in einem Brief an den Vorstand der Gemeindebevollmächtigten, Herrn Dirrheimer, den Vorwurf, dass er die Sache zu lange habe liegen lassen und daher jetzt eine andere Entscheidung getroffen wurde. Ing. Beyschlag beschwichtigte mit der Bemerkung, dass die Konzession für Memmingen nur die Ausarbeitung der Planung beinhalte und noch keine endgültige Entscheidung für die Trasse sei. Man könne einen Alternativentwurf ausarbeiten, für den er 5000 fl veranschlagte. Am 12.08.1857 beschloss der Magistrat aber, keine Alternativplanung in Auftrag zu geben und sich passiv zu verhalten. Das Eisenbahncomité Memmingen bat am 09.09.1857 um Vorlage der ‘Elaborate’ für die Trassenführung durch das Rothtal zur Prüfung, ob weitere Ausarbeitungen zu veranlassen seien. Beyschlag riet in einem Schreiben vom 11.09.1857, die Stadt solle bedenken, dass bei einer Trassenführung über Weißenhorn einige Landwirte ihr Getreide nach Memmingen auf den Markt bringen würden und so die Schranne in Weißenhorn geringeren Umsatz hätte. Am 26.09.1857 beschloss der Magistrat Weißenhorn aber, die Sache auf sich beruhen zu lassen und zahlte 10 fl 5 x als Honorar an Dr. Völk.

Die Planungsarbeiten an der Illertalbahn schritten fort und die Weißenhorner Wünsche fanden kein Gehör. Als am 22.02.1859 in Weißenhorn die alte Stadtpfarrkirche einstürzte, hatte man vielleicht auch andere Sorgen und betrieb die Eisenbahnfrage wohl auch nicht mehr mit dem notwendigen Druck.

Erst Anfang 1860 formierte sich das Eisenbahn-Comité in Weißenhorn neu. Den Vorsitz erhielt jetzt der Teichelfabrikant Anton Benegger. [2]Anton Bennegger, Sohn des 1835 verstorbenen fugg. Forstverwalters Anton Bennegger, kaufte vor 1853 die Fugg. Ziegelei am Ohnsang und baute diese zu einer Teichelfabrik aus. 1853 kaufte er das Schloss … Continue reading Da mittlerweile Illertissen Sitz des Bezirksamts geworden war, versuchte man jetzt eine Verbindung von Illertissen über Weißenhorn nach Nersingen zu erreichen, um eine Verbindung mit der geplanten Donautalbahn von Günzburg nach Donauwörth herzustellen. Zunächst erkundigte man sich beim Eisenbahn-Comité Memmingen über den Sachstand und erhielt am 27.03.1860 die Mitteilung, die Conzession zum Bau der Bahn sei noch nicht erteilt worden, man erwarte die allerhöchste Entscheidung in ca. 8 Wochen. Man bat um Verständnis, dass man zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sei, über Anschlusspunkte und Stationsplätze zu verhandeln. Daraufhin formulierte man ein Eingabeschreiben an den König und bat den Eisenbahningenieur Saller aus Straubing um eine Stellungnahme zu der Linienführung nach Nersingen. In der Niederschrift wurde auf die militärische Bedeutung der Führung Donauwörth-Memmingen über Nersingen-Weißenhorn eingegangen, da so die Transporte nicht durch den Festungs-Rayon der Bundesfestung in Neu-Ulm geführt werden müssten.

Man lud die Städte Memmingen, Donauwörth, Höchstädt, Lauingen, Gundelfingen und Günzburg zu einer Besprechung am 21.07.1860, Vormittags 10 Uhr, im Gasthof zum Mondschein in Dillingen ein zu einer Besprechung über eine Streckenführung weiter über Nersingen-Weißenhorn-Illertissen nach Memmingen. Mit Leutnant Anton Schledter aus Gundelfingen wurde ein militärischer Berater als Ehrenmitglied hinzugezogen. Die Stadt Günzburg antwortete, dass man sich anfangs auch für eine Weiterführung der Bahn von Günzburg nach Kempten eingesetzt habe, hiermit aber nicht durchgedrungen sei. Weil die Eingabe der Stadt Weißenhorn voraussichtlich keinen Erfolg haben werde, würden seitens der Stadt Günzburg keine Schritte in dieser Richtung mehr unternommen. Alle anderen Donautal-Städte unterstützten die Weißenhorner Initiative.

Anton Bennegger ließ nichts unversucht und schrieb sogar einen Brief an einen Hauptmann Blumenfreund in Ludwigsburg beim württ. König mit der Bitte um Unterstützung in der militärischen Argumentation. Ingenieur Saller schrieb am 24.07.1860 an Benegger, dass er die Illertalbahn projektiert habe und den Auftrag zur Bauausführung erhoffe. Die Führung über das Rothtal werde kostenmäßig ungefähr auf den gleichen Preis kommen, die Entscheidung werde aber wohl aus kommerziellen Gründen getroffen.

Die Fortsetzung der Donautalbahn Donauwörth-Günzburg durch das Rothtal ab Nersingen hatte aber keine politische Chance. Vielmehr wurde eine Verbindung von Günzburg über Krumbach nach Memmingen protegiert. Im Stadtarchiv sind mehrere Zeitungsblätter enthalten, in denen in Leserbriefen und redaktionellen Beiträgen eine Trassierung der Eisenbahn statt durch das Illertal durch das Günztal vorgeschlagen wird [3]Stadtarchiv Weißenhorn, A 156-8.

Im September 1860 erklärte der Vorsitzende des Eisenbahncomités, Teichelfabrikant Benegger, seinen Austritt aus dem Gremium und begründete diesen Schritt mit der zögerlichen Bearbeitung der Angelegenheit durch die Stadt. Man ernannte zwar noch den 2. Vorstand, Herrn Dr. Mahler, zum neuen Vorsitzenden, beschloss aber am 14.10.1860: In Erwägung, daß die fragl. Angelegenheit in ein Stadium getreten, in welchem eine Privatthätigkeit nicht den mindesten Erfolg mehr haben dürfte, sey das bisherige Eisenbahn-Baucomité aufzulösen. Am 12.01.1861 wurde der Antrag auf Bau der Verbindungsbahn vom LG Roggenburg offiziell mit der Begründung abgelehnt, die Verbindung liege nur im speziellen Interesse eines kleinen Bezirks und könne daher aus öffentlichen Geldern nicht finanziert werden. Wenn die Bahn privat projektiert und gebaut würde, könnte eine nähere Würdigung erfolgen.

Im November 1860 wurde die Trasse der Illertalbahn ausgesteckt und 1861 erteilte König Max II. von Bayern die endgültige Konzession. Am 21.10.1861 erfolgte der erste Spatenstich. Weißenhorn bäumte sich noch einmal auf und intervenierte, zumindest den im genehmigten Projekt vorgesehenen Bahnhof Wullenstetten nicht nach Senden zu verlegen, um so näher an die Stadtgrenze zu kommen, aber auch dieser Vorschlag blieb unerhört, obwohl Wullenstetten damals wesentlich größer als Senden war. Die Regierung entschied am 29.04.1862, dass die projektierte Station Wullenstetten nach Senden in die Nähe des Zollhauses verlegt und die Haltestelle Gerlenhofen gestrichen werden solle. 1897 erhielt Gerlenhofen dann aber doch noch einen Haltepunkt. Am 11.10.1862 war die Strecke fertig und wurde feierlich eröffnet.

Ersatz: Postkurse und Stellwagenfahrten

Durch den Bau der Illertalbahn war Weißenhorn nun nicht mehr gut an das Verkehrsnetz angebunden. Noch vor Eröffnung der Bahn sagte der kgl. Oberpost- und Bahnmeister Lauböck aus Augsburg bei einer Besprechung am 16.09.1862 eine Postverbindung Weißenhorns zur Illerbahn zu und bat um die Entscheidung für Senden oder Illertissen. Wegen der kürzeren Entfernung nach Ulm und den bestehenden Handelsbeziehungen fiel die Wahl der Stadt auf den Anschluss in Senden. Allerdings hob das Ober-Post- und Bahn-Amt gleichzeitig die bestehende Postkutschenverbindung zum Bahnhof in Nersingen auf. Das lag nun auch nicht im Interesse der Stadt, denn die Fahrt nach Augsburg oder München verlängerte sich durch den Umweg über Ulm um mehr als zwei Stunden! Die Posthalterswitwe Bachthaler bot sich zwar an, die Postkurse nach Senden und Nersingen zu übernehmen, das bedeutete aber ein private Stellwagenfahrt und keine staatl. Postfahrt! Zudem hielt Frau Bachthaler eine täglich zweimalige Verbindung nach Senden nicht für erforderlich und bat um eine nur einmalige Fahrt. Der Stadtmagistrat hielt eine zweimalige Fahrt nach Senden jedoch für erforderlich oder eine einmalige Fahrt nach Senden und eine solche nach Nersingen. Das Ober-Post- und Bahn-Amt entschied am 22.12.1862, dass eine einmalige Fahrt nach Senden dem Verkehr genüge. Die Fahrt nach Nersingen könne durch eine Stellwagen-Conzession ersetzt werden.

1865 stand der nächste Ärger ins Haus. Von den kgl. bay. Verkehrsanstalten wurde geplant, eine Postomnibuslinie von Illertissen über Roggenburg nach Krumbach mit Weiterführung nach Augsburg einzurichten, ohne diese aber über Weißenhorn zu führen. Weißenhorn beschwerte sich, man habe nur eine Postlinie nach Senden und so seien Fahrten nach Augsburg oder München nur mit Umwegen und viel Zeitverlust möglich. Das Gesuch der Stadt um Führung des Postomnibusses von Krumbach nach Illertissen über Weißenhorn wurde vom Ober-Post- und Bahn-Amt abgelehnt, ebenso der Antrag auf die Postverbindung nach Nersingen; die Stellwagenfahrt müsse genügen. Eine nochmalige Beschwerde und ausführliche Begründung der Notwendigkeit der Verbindung, verbunden mit der Einschaltung des Landrats für Schwaben und Neuburg brachte einen Teilerfolg. Im Akt A 156-15 ist in einem Schreiben des Ober-Post- und Bahn-Amtes der Hinweis enthalten, dass hierzu eine sog. Cariolfahrt von Weißenhorn nach Roggenburg eingerichtet wurde. Die zweimalige Fahrt nach Senden wurde durch eine Fahrt nach Senden und eine nach Nersingen ersetzt. Am 01.07.1883 teilte das Oberpostamt mit, dass die Postverbindung nunmehr von Weißenhorn nach Krumbach verkehre und die Cariolpost von Illertissen nach Weißenhorn. [4]Stadtarchiv Weißenhorn II 850.100.1-4

1864 beantragte der Magistrat eine Stellwagenfahrt zur Bahnstation Vöhringen zweimal jeden Mittwoch zur Beförderung des Schrannenverkehrs. Die Posthalterin Bachthaler war bereit, diese Fuhren für 15 x je Passagier durchzuführen. Am 11.04.1864 wurde die Angelegenheit jedoch zurückgestellt, bis die Abtragung des Berges bei Illerberg bewerkstelligt sei.

Am 22.06.1863 schrieb das Ober-Post- und Bahn-Amt an die Stadt Weißenhorn: Man hat in Erfahrung gebracht, daß ein großer Theil des auf dortiger Schranne gekauften Getreides für die Schweiz bestimmt ist, und trotz der näher gelegenen Illerbahn noch seinen Weg auf Landfuhrwerken nach Ulm und von da per Bahn nach Fredrichshafen nimmt. Um diese nicht unerhebliche Transporte der bayerischen Bahn zuwenden zu können, ist zu wissen nöthig, wie viel Fracht für den Zentner Getreid auf dem Landfuhrwerk bis Ulm bezalt, und wie viel Zentner Getreid aproximativ für die Schweiz bestimmt, von dort jährlich wohl ausgeführt wird. Man stellte fest, dass es sich um 30.000 Zentner (1500 t) Getreide zu 5 x Frachtkosten handelte, was zu einer Reduzierung der Frachttarife und Umleitung nach Lindau führte.

Bevor am 15.09.1878 der Eisenbahnverkehr auf der neuen Vizinalbahn Senden-Weißenhorn aufgenommen wurde, beantragten die Städte Weißenhorn und Ichenhausen gemeinsam die Einrichtung eines Postkurses. Das Oberpostamt lehnte den Antrag am 15.09.1878 aber ab, da hierzu kein ausreichendes Verkehrsbedürfnis bestehe. [5]Stadtarchiv Weißenhorn II 850.100.1-3

Das Vizinalbahngesetz

Am 29.04.1869 trat das sog. Vicinalbahn-Gesetz in Kraft. Dieses Gesetz sah recht großzügige Planungs-Parameter hinsichtlich der Radien und Steigungen bei der Trassierung vor, verlangte von den Gemeinden aber auch neben den Grunderwerbskosten noch einen erheblichen Beitrag zu den Erdarbeiten. Ein kompliziertes Überschuss- und Verzinsungsverfahren sollte einen Ausgleich für diese Leistungen erbringen, dies bewährte sich in der Praxis aber nicht. Die erhofften Verzinsungen waren nicht zu erreichen und die Planungsparameter stellten sich als unwirtschaftlich dar. Insbesondere die Stadt Altdorf bei Nürnberg intervenierte beim Landtag, die Modalitäten zu ändern. Auch die Stadt Weißenhorn schloss sich dieser Eingabe mit einer Petition an. Eine umfangreiche Denkschrift aus dem Jahr 1882 beschreibt detailliert alle 15 bisher erbauten Vizinalbahnen hinsichtlich ihrer Strecken, Kosten, Einnahmen und Amortisationen.

Nachdem sich die Abgeordnetenkammer selbst für eine Änderung der Finanzierung einsetzte, wurde die Petition mit Schreiben vom 12.05.1882 als erledigt angesehen. Am 28.04.1882 wurden mit dem Lokalbahngesetz die Grundlagen geändert und die Trassierung erleichtert. Die noch nach dem Vicinalbahngesetz finanzierten Strecken wurden auf die neue Gesetzeslage angepasst, die betroffenen Gemeinden erhielten die Hälfte ihrer Beiträge zurück. Am 21.07.1882 teilte die Generaldirection mit, die Rückvergütung nach Vorlage der Voraussetzungen durchzuführen. Die Rückvergütung ließ aber dennoch noch lange auf sich warten, Am 12.11.1883 reichte die Stadt Weißenhorn gemeinsam mit der Gemeinde Murnau eine erneute Petition ein. Wann die Beträöge nun letztendlich zurückerstattet wurden, ist im Akt nicht verzeichnet.

Aber noch ein weitere Punkt aus dem Vizinalbahngesetz sorgte für Verstimmung bei den Gemeinden. Der Güterverkehr auf den Vizinalbahnen wurde mit einem Frachtzuschlag von 6 Mark je Waggon gegenüber dem Güterverkehr auf Hauptbahnen belegt. Dies führte zu einer wirtschaftlichen Schlechterstellung, wogegen sich die betroffenen Kommunen wandten. Mit ihrer Petition vom 12.11.1883 wandte sich die Stadt auch gegen diese Zuschläge und erhielt am 15.12.1883 die Nachricht, die Abgeordnetenkammer habe die Petition an die Staatsregierung weitergereicht m.d.B, die Frage der Beibehaltung der Vizinalbahn-Frachtzuschläge in ihrer jetzigen Höhe einer erneuten Prüfung insbesondere mit Rücksicht auf die Rentabilität der Vizinalbahnen zu unterziehen. Am 22.01.1884 antwortete die Abgeordnetenkammer, dass sich die Petition durch das Gesetz vom 28.04.1882 erledigt habe und ein Anlass auf weitere Abänderung nicht bestehe. Die Frachtzuschläge wurden aber nicht abgeschafft, so dass die Stadt am 22.11.1885 erneut Unterstützung bei den Nachbarkommunen für eine Petition zur Abschaffung des Vizinalbahnzuschlags von 6 M je Bahnwaggon sammelte. Die Abgeordnetenkammer gab die Petition am 12.12.1884 an die Staatsregierung zur Würdigung weiter, es geschah aber wieder nichts. Erst 1894 führte eine erneute Petition dazu, dass das Oberbahnamt Kempten eine Erhebung über Versand und Empfang von Waren auf der Strecke Senden-Weißenhorn durchführte. Am 15.01.1895 wurden dann endlich die Frachtzuschläge durch Staatsministerium und Generaldirection aufgehoben. [6]Stadtarchiv Weißenhorn, II 850.100.1-5

Bahnprojekt Weißenhorn-Nersingen

Der Wunsch nach einer Eisenbahnverbindung ließ die Weißenhorn Stadtväter nicht los. Wenn man schon die Führung der Hauptstrecke nach Memmingen nicht über Weißenhorner Gebiet erreichen konnte, wollte man wenigstens einen Nebenbahnanschluss erhalten und propagierte eine Bahn nach Nersingen.

Nach Inkrafttreten des Vicinalbahngesetzes am 29.04.1869 beauftragte man den Zivil-Bauingenieur Carl del Bondio, München, mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für die Strecke Nersingen-Weißenhorn und einer Fortführung nach Vöhringen. [7]Stadtarchiv Weißenhorn I A 156-10, die betr. Pläne sind leider im Stadtarchiv nicht vorhanden Während er Ende 1869 eine Planung für den Abschnitt Nersingen-Weißenhorn vorlegte, riet er von einer Weiterführung nach Vöhringen ab: Auf besonders geäußerten Wunsch hin, werde ich das Project Weißenhorn-Vöringen nochmalens ausarbeiten lassen, halte jedoch die darauf verwendete Zeit für verloren, da die Vertikalprojektion eine durchaus ungünstige ist, ein bedeutendes Neigungsverhältniß (1:100) beinahe durchgängig angewendet werden muß, außerdem auch die erforderlichen Erdarbeiten sehr bedeutend werden. Ich habe die feste Überzeugung, daß das Bestreben eine Verbindungsbahn Nersingen-Weißenhorn-Vöringen oder selbst Illertissen hervorgerufen nicht zum gewünschten Resultat führen wird, da diese Linie nur eine parallelle Linie zur Bahn Nersingen-Ulm-Illertissen wäre und demgemäß nur eine Concurrenzlinie würde welche den genannten Weg nur etwa 2-3 Stunden abkürzt, daß in diesem Falle der Staat durchaus kein Interesse haben könne, sich eine solche Concurrenzlinie zu schaffen um im Gegentheile absolut gegen das Zustandekommen einer solchen Linie sein wird, ist zu klar, daher ist das Anregen einer durchgehender Bahn für sehr gefährlich hinsichtlich Ihres Wunsches halte. Ich glaube daher, daß die gewünschte Verbindung mit einer bereits bestehenden Bahn für Weißenhorn am sichersten und ehesten erreicht werden kann, wenn die Genehmigung jener Linie betrieben wird, welche am billigsten zu bauen und am leichtesten zu betreiben ist und welche den bestehenden Linien keine Conkurrenz macht, und daß wäre offenbar die vorgeschlagene Strecke Nersingen Weißenhorn.

Er glaube auch nicht an eine Fortführung der Donautalbahn nach Memmingen durch das Rothtal: In [eine topographische Karte] habe ich die wahrscheinliche Fortführung der Donauthalbahn in die Richtung gegen Memmingen eingezeichnet. Sollte diese Richtung res. die Erkuerung einer Linie Offingen oder Günzburg-Memmingen je in frage kommen, so ist es höchst unwahrscheinlich, daß die Fortführung dieser Bahn Weißenhorn berühren würde. Wenn die Donauthalbahn je in der Richtung nach Memmingen verlängert wird, so wird das Bestreben maßgebend sein, den kürzesten u. nebenbei betriebs [samsten] Weg zu verfolgen, welcher offenbar durch das Günzthal geboten wird. Die Führung einer Bahn über Weißenhorn wird die Linie etwa 4 1/2 Stunden verlängern und durch Übersteigung zweier Wasserscheiden der Betrieb jedenfalls ein erschwerter werde. Ich halte es daher im Interesse der Stadt Weißenhorn durchaus für nöthig, die Fortsetzung der Donauthalbahn ja nicht zu unterstützen, sondern dieselbe ganz unerörtert zu lassen.

Nach diesem beherzten Anfang schlief die Sache aber offenbar ein. Erst im Jahr 1873 kam wieder Bewegung in die Angelegenheit. [8]Stadtarchiv Weißenhorn II 850.100.1-2 Am 30.07.1873 beauftragte man den Augsburger Rechtsanwalt Dr. Karl Barth – vermutlich wegen seiner guten Verbindungen zur Politik – mit der Interessensvertretung. In einem vernichtenden Beschluss des Bezirksamts Illertissen zeigte dieses die Unwirtschaftlichkeit des Vorhabens auf.

Die Stadt ließ sich hiervon jedoch nicht entmutigen und legte über den RA Dr. Barth am 29.09.1873 Rekurs ein. Dieser hatte sogar Erfolg und die Regierung in Augsburg hob die Ablehnung des Bezirksamtes auf, weil ‘die Beschlüsse des Stadtmagistrats und der Gemeindebevollmächtigten von Weißenhorn keineswegs die Gründung einer Gemeindeanstalt im Sinne des Artikels 159 Ziff. 5 der Gemeindeordnung zum Gegenstand haben u. durch denselben auch eine Haftung der Stadtgemeinde Weißenhorn für die Rentabilität der bebsichtigten Eisenbahnanlage gegenüber irgendwelchen Betheiligten nicht übernommen worden ist.‘ Mit den sachlichen Gründen der Unrentabilität setzte sich die Regierung jedoch gar nicht auseinander.

RA Dr. Barth kündigte am 25.10.1873 die Eingabe an das Staatsministerium noch für die laufende Woche an. Er werde sich persönlich in München für die Sache verwenden. Das Staatsministerium leitete die Angelegenheit zur Begutachtung an die Generaldirektion der Verkehrsanstalten weiter. Deren Vorstand, Herr Hocheder, machte RA Dr. Barth aber keine günstigen Eröffnungen: ‘Er glaubte nämlich diese Bahn aus verschiednen technischen und localen Gründen, namentlich auch deßwegen nicht begutschten zu können, weil er befürchtet, die zu nahe liegende Eisenbahnstation Senden werde einen großen Theil des Verkehrs ableiten. Jedenfalls fordert er, daß die von ihm angeregten Bedenken vom kgl. Staatsministerium genau gewürdigt und Erhebungen darüber gepflogen werden.‘ Da wegen der Sitzungstermine des Landtags ohnehin erst Mitte April die Angelegenheit auf die Tagesordnung käme, regte Dr. Barth an, durch eine Deputation an das Ministerium nachzuhelfen, da hierdurch die Möglichkeit bestünde, das Gutachten in mündlicher Diskussion zu entkräften. BM Kircher stimmte dem Vorgehen zu und erwähnte Herrn Grafen Moy (Obenhausen) und Herrn Oberförster Schieferl aus Seeshaupt (?) als Vertreter der Deputation.

Am 04.04.1874 wurde das Projekt aber seitens des Staatsministeriums des kgl. Hauses und des Äußeren endgültig abgelehnt, wobei im Wesentlichen die gleichen Argumente wie in der Ablehnung durch das Bezirksamt vorgebracht wurden. Allerdings brachte das Ministerium die Möglichkeit eines Bahnanschlusses in Senden ins Gespräch, weil ‘Weißenhorn nur zwei Wegstunden von der Station Senden auf der Illerbahn entfernt ist. Da hiernach die Bewohner Weißenhorns auf dieser Bahn nur 2 1/2 Bahnstunden zurückzulegen haben um nach Neu-Ulm zu gelangen, während der Weg dorthin auf der Bahn über Nersingen 6 1/2 Stunden betragen würde, so dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, daß ersterer Weg auch nach Herstellung der angestrebten Verbindung mit Nersingen von Vielen vorgezogen würde.‘ Man schränkte aber sogleich ein, dass das Ministerium nicht in der Lage sei, eine solche Bahn zu planen.

Die Stadt griff den Vorschlag einer Bahnverbindung nach Senden auf und beauftragte Dr. Barth, einen entsprechenden Vorstoß beim Staatsministerium zu unternehmen. Die Stadt erklärte sich bereit, die Planungskosten zu übernehmen.

Bahnbau Senden-Weißenhorn als Vizinalbahn

Die Intervention des Dr. Barth hatte Erfolg. Bereits am 11.07.1874 wurde die Generaldirektion der kgl. Verkehrsanstalten vom Staatsministerium ermächtigt, bis zur nächsten Landtagssession ein Projekt für eine Bahnverbindung von Weißenhorn mit Vöhringen oder Senden ausarbeiten zu lassen und am 23.03.1875 wurde die Generaldirektion angewiesen, einen Gesetzesentwurf für den Bau der Strecke noch für diese Sitzungsperiode des Landtags auszuarbeiten.

Am 21.07.1875 erfolgte die Planvorlage der Generaldirektion mit Beschreibung der Trasse. Als Steigung wurde 1:60 (1,66%) festgelegt, als Mindestradius 500 m. Der generelle Kostenanschlag entziffert für den bau der Bahn einschließlich der Anschaffung des Fuhrmaterials einen Betrag von 714.000 fl. Hiervon entfällt auf die Stadt ein Betrag von 167.000 fl. Am 13.08.1875 wurde der Plan in einer gemeinsamen Sitzung der Gemeindegremien behandelt, es erfolgte ein einstimmiger Beschluss zur Schuldenaufnahme von 167.000 fl. Ein Schuldentilgungsplan vom 12.09.1875 sah eine Finanzierung über einen Zeitraum von 46 Jahren vor. Ein Finanzierungsplan legte dar, welche Summen von welchen Stiftungen als Darlehen gezogen werden und wie sich die Kapitalisierung der Eigenmittel (Grundstücke) darstellt.

Am 06.06.1876 wurde ein Gesetzentwurf für den Bau weiterer 4 Vicinalbahnen bei der Abgeordnetenkammer eingebracht, eine von ihnen war die Strecke Senden-Weißenhorn, für die jetzt 914.000 M [16]ab 01.01.1876 galt die die Mark als einheitliche Währung im Deutschen Kaiserreich, 1 fl = 2,40 M veranschlagt waren. Die Stadt erklärte sich bereit, diese Summe vorzufinanzieren und so wurde der Bau von der Abgeordnetenkammer am 10.07.1876 einstimmig beschlossen. König Ludwig II. unterzeichnete das Gesetz am 29.07.1876.

Schon im Dezember 1875 hatte Bürgermeister Kircher im Roththal-Boten vorauseilend den Bau der Eisenbahn verkündet und die Eröffnung für den Mai 1877 bekannt gegeben. Ganz so schnell ging es aber nicht. Immerhin wurde schon am 31.08.1876 die Trasse abgesteckt um die erforderlichen Grundabtretungen kenntlich zu machen. Hierzu nahm der Magistrat Kontakt zu den Bürgermeistern der betroffenen Nachbargemeinden auf. Außerdem musste ja auch noch die Finanzierung unter Dach und Fach gebracht werden. Das Fiscalat der Generaldirektion legte einen Vertragsentwurf nach den Mustern der Strecken Neustadt-Windsheim und Bießenhofen-Oberdorf vor. Die Stadt holte Kreditangebote bei verschiedenen Kreditinstituten ein, parallel wurde ein neuer Finanzierungsplan erarbeitet und auf die mittlerweile gültige Mark ausgestellt. Letztlich erhielt die Bay. Hypotheken- und Wechselbank den Zuschlag über 310.000 M zu einem Zinssatz von 4 1/2 % bei 1/2 % Tilgung und einer Laufzeit von 49 Jahren.

Im April 1877 wurden Bodenproben zur Anlage einer Kiesgrube gezogen. Man entschied sich, am Weißenhorner Bahnhof eine Kiesgrube anzulegen, den heutigen Eisenbahnweiher.

Die Planung für den Bahnhof Witzighausen wurde nochmals geändert. Zuerst war hier nur ein Haltepunkt vorgesehen, nun sollte ein richtiger Bahnhof mit Güterexpedition und Ausweichgleis mit Ladeplatz entstehen, was Mehrkosten von 5150 M verursachte.

Am 30.06.1877 wurde der Baubeginn bekanntgegeben mit der Aufforderung an die Alteigentümer der Grundstücke, diese zu räumen und abzuernten.

Die Vergabe der Tiefbauarbeiten und der Gleisbauarbeiten ist nicht dokumentiert. Am 15.06.1878 konnte der Bauzugverkehr auf der Trasse aufgenommen werden und am 04.09.1878 fand eine erste Probefahrt statt. Parallel zu den Bauarbeiten liefen immer noch die Grunderwerbsverhandlungen. Diese wurden für jede Gemarkung getrennt durch das Fiscalat durchgeführt. Wie immer konnten nicht alle Wünsche befriedigt werden. Noch am 07.09.1878 fand ein Termin zur gütlichen Einigung mit den renitenten Grundeigentümern über die Entschädigung statt.

Am 15.09.1878 wurde die Bahn feierlich eingeweiht. Im Gasthaus Hasen wurde den geladenen Gästen ein Festdiner geboten.

Die fertige Eisenbahnstrecke wurde stolz auf einer lithographierten Postkarte dargestellt

I

Nicht realisierte Projekte

Neu-Ulm – Pfaffenhofen – Weißenhorn – Babenhausen

Im Jahr 1908 kam wieder Bewegung in Pläne zum Bau weiterer Eisenbahnen. Insbesondere der Markt Pfaffenhofen fühlte sich übergangen und gründete unter Vorsitz des Bräumeisters Seitz ein Eisenbahnkomité, welches sich für den Bau einer Strecke von Neu-Ulm über Pfaffenhofen und Weißenhorn weiter nach Babenhausen einsetzte. Am 26.07.1908 fand hierzu eine Besprechung mit den beteiligten Kommunen im Gasthof Seitz in Pfaffenhofen statt.

Illertissen – Krumbach – Thannhausen

Zeitgleich entstand auch in Illertissen der Wunsch nach einer weiteren Bahnverbindung. Diese sollte von Illertissen über Krumbach nach Thannhausen führen und von dort über die bereits bestehende Lokalbahn nach Dinkelscherben an der Hauptstrecke Ulm-Augsburg. Es war auch an eine Verbindung ins Württembergische über Dietenheim nach Laupheim gedacht. Am 24.07.1908 ließ man eine entsprechende Denkschrift drucken. Weißenhorn musste sich jetzt also mit gleich zwei Projekten beschäftigen.

Weißenhorn – Krumbach – Thannhausen [17]Stadtarchiv Weißenhorn, II 850.100.2-2

Am 26.11.1908 wurde in Weißenhorn eine Eisenbahnbau-Comite gegründet, welches bei einer Bürgerversammlung im Gasthof Traube am 29.11.1908 das Projekt vorstellte. Zahlreiche Unternehmer der Region bekundeten ihr Interesse an der Bahnverbindung, besonders zur Erschließung der großen Waldflächen. Mit Beschluss vom 11.12.1908 schloss sich die Stadt Weißenhorn dem Projekt der Erbauung einer Eisenbahn von Neu-Ulm nach Weißenhorn [über Pfaffenhofen] voll und ganz an, stellt hierdurch an das genannte Komitee das Ansuchen, die Trasse von Weißenhorn weg zu ändern und dieselbe nicht nach Babenhausen sondern nach Krumbach zu führen, nachdem die Stadt Weißenhorn durch das Vorgehen der Stadt Illertissen und der Aufstellung des Projektes Illertissen – Krumbach gezwungen war, mit dem Projekt Weißenhorn – Krumbach anzutreten. Dieses letztere Projekt soll vom Eisenbahnkomitee in Pfaffenhofen ebenfalls unterstützt werden. Die Erbauung einer Eisenbahn Neu-Ulm – Weißenhorn und Weißenhorn – Krumbach wird als ein dringendes Verkehrsbedürfnis erkannt und wird die Stadt Weißenhorn wenn es nötig wird, für die Grunderwerbungskosten seinerzeit aufkommen. Der ursprüngliche Plan einer Verbindung nach Babenhausen wurde gar nicht mehr erwähnt.

Der Neu-Ulmer Stadtrat Nusser war auch bayerischer Regierungsabgeordneter und konnte im Oktober 1908 nach Illertissen melden, dass sich beide städt Collegien und das Handelsgremium Neu-Ulm mit allen Kräften für die Linie Illertissen-Krumbach einsetzen würden. Aber auch Weißenhorn bat im Januar 1909 um Unterstützung des Handelsgremiums für seinen Vorschlag der Linie Neu-Ulm – Weißenhorn – Krumbach. Eisenbahnpräsident Dr. Vitus Hertel in Augsburg war bereit, eine Delegation bzgl. des Eisenbahnbaus am 16.01.1909 zu empfangen. Am 19.01.1909 legte die Stadt ein gedrucktes Bewerbungsschreiben beim Staatsministerium vor.

Der Augsburger Handels-Verein hielt sich aus der Sache heraus und wollte derzeit keine weiteren Bahnen mehr finanziell subventionieren. Auch das Handelsgremium Ulm bezweifelte seine Unterstützung des Bahnbaus, weil gleichzeitig ein Projekt Illertissen-Krumbach-Thannhausen vorliege.

Am 26.01.1909 beauftragte das Staatsministerium die Eisenbahndirektion Augsburg, Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen der versch. Strecken vorzunehmen. Die Untersuchung werde aber erst 1910 durchgeführt werden. Das reiche jedoch für eine Vorlage bei der nächsten Lokalbahn-Session 1911/12, die nur alle 4 Jahre stattfinde.

Mit Schreiben vom 01.07.1911 zog das Bayerische Verkehrsministerium einen Schlussstrich unter die Diskussion und sah kein dringendes Bedürfnis für den Bau der Localbahnen Thannhausen – Krumbach – Illertissen oder Thannhausen – Krumbach – Weißenhorn. Die Weißenhorner versuchten es noch einmal mit einer Petition an die Bay. Staatsregierung am 09.08.1912, über deren Erfolg in den Akten jedoch nichts ausgesagt ist.

Nicht zuletzt der erste Weltkrieg setzte allen Hoffnungen auf einen weiteren Bahnbau ein Ende. So ganz gab Weißenhorn aber die Hoffnung für eine Fortführung der Eisenbahn noch nicht auf. Im Baulinienplan von 1924 wurde jedenfalls noch eine Vorbehaltsfläche mit dem Hinweis ‘Bei einsetzender Bebauung die Verlängerung der Eisenbahn berücksichtigen’ eingetragen. Mitte der 30er-Jahre wurde sogar ein Umbau des Gleisplans entworfen, aber die Erweiterung der Eisenbahn fand keinen Eingang mehr in den neuen Baulinienplan von 1938. Hierin war der Bereich bereits als Baufläche vorgesehen.


Quellen:

Quellen:
1 von lat. vicinus; der Nachbar
2 Anton Bennegger, Sohn des 1835 verstorbenen fugg. Forstverwalters Anton Bennegger, kaufte vor 1853 die Fugg. Ziegelei am Ohnsang und baute diese zu einer Teichelfabrik aus. 1853 kaufte er das Schloss Schlachtegg bei Gundelfingen. Als Teichelfabrikant hatte er natürlich großes Interesse an einem Bahnanschluss für seine Waren. Vielleicht setzte er sich auch wegen seines Wohnortes in Gundelfingen so für die Verlängerung der Donautalbahn ein.
3 Stadtarchiv Weißenhorn, A 156-8
4 Stadtarchiv Weißenhorn II 850.100.1-4
5 Stadtarchiv Weißenhorn II 850.100.1-3
6 Stadtarchiv Weißenhorn, II 850.100.1-5
7 Stadtarchiv Weißenhorn I A 156-10, die betr. Pläne sind leider im Stadtarchiv nicht vorhanden
8 Stadtarchiv Weißenhorn II 850.100.1-2
9, 10, 11, 12, 13, 14, 15 BayHStA, Verkehrsarchiv 35639
16 ab 01.01.1876 galt die die Mark als einheitliche Währung im Deutschen Kaiserreich, 1 fl = 2,40 M
17 Stadtarchiv Weißenhorn, II 850.100.2-2
18, 19, 20 Stadtbauamt Weißenhorn

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