Verkehr, Post

Die Vizinalbahn Senden-Weißenhorn – Bau und Entwicklung

Im August 1877 wurde mit dem Bau der Vizinalbahn Senden-Weißenhorn begonnen und nach nur etwas mehr als einem Jahr Bauzeit ging die Bahn am 15.09.1878 in Betrieb.

Der Planung der Strecke mit allen Varianten ist ein separater Artikel gewidmet.

Die Staatsbahnzeit (KBayStE)

Nachdem König Ludwig II. am 29.07.1876 den Bau der Vizinalbahn Senden-Weißenhorn als Gesetz angeordnet hatte, begann man unverzüglich mit den weiteren Planungsarbeiten. Schon am 31.08.1876 wurde die Trasse abgesteckt um die erforderlichen Grundabtretungen kenntlich zu machen. Im April 1877 wurden Bodenproben zur Anlage einer Kiesgrube gezogen. Man entschied sich, am Weißenhorner Bahnhof eine Kiesgrube anzulegen, den heutigen Eisenbahnweiher.

Die Planung für den Bahnhof Witzighausen wurde nochmals geändert. Zuerst war hier nur ein Haltepunkt vorgesehen, nun sollte ein richtiger Bahnhof mit Güterexpedition und Ausweichgleis mit Ladeplatz entstehen, was Mehrkosten von 5150 M verursachte.

Am 30.06.1877 wurde der Baubeginn bekanntgegeben mit der Aufforderung an die Alteigentümer der Grundstücke, diese zu räumen und abzuernten.

Die Vergabe der Tiefbauarbeiten und der Gleisbauarbeiten ist nicht dokumentiert. In einer Streckenbeschreibung ist erwähnt, dass 19.120 m alte Birnkopfschienen zu 36 kg/m und 1949 m neue Vizinalbahnschienen zu 27,2 kg/m verbaut wurden, das entspricht einer Gesamtgleislänge von ca. 10,5 km. Am 15.06.1878 konnte der Bauzugverkehr auf der Trasse aufgenommen werden und am 04.09.1878 fand eine erste Probefahrt statt. Parallel zu den Bauarbeiten liefen immer noch die Grunderwerbsverhandlungen. Diese wurden für jede Gemarkung getrennt durch das Fiscalat durchgeführt. Wie immer konnten nicht alle Wünsche befriedigt werden. Noch am 07.09.1878 fand ein Termin zur gütlichen Einigung mit den renitenten Grundeigentümern über die Entschädigung statt.

Am 15.09.1878 wurde die Bahn feierlich eingeweiht. Im Gasthaus Hasen wurde den geladenen Gästen ein Festdiner geboten.

Haltepunkt Wullenstetten

In Wullenstetten war zunächst keine Haltstation vorgesehen. Im Jahr 1880 beantragten die Bürger dann die Installation eines Haltepunktes. Dieser wurde durch die Direktion Kempten aber abgelehnt, weil der Haltepunkt Kosten von 21.000 M verursachen würde, welche sich nicht rentieren würden.

Es ist nicht dokumentiert, wann dieser Haltepunkt dann eingerichtet wurde, 1926 stand die Station dann im Fahrplan.

Nach Einstellung des Personenverkehrs 1966 wurde das Wartehäuschen im März 1969 abgebrochen.

Bahnhof Witzighausen

Der Bahnhof Witzighausen stellte von Anfang an eine Besonderheit dar. Schon die Lage am Scheitelpunkt der Strecke war etwas besonderes. Hier, am höchsten Punkt der Strecke, musste die Bahn in einen etwa 5 m tiefen Einschnitt gelegt werden. Das Bahnhofsgebäude wurde allerdings auf der Höhe des natürlichen Geländes errichtet, es lag also höher als die Gleise. Auch der Güterschuppen wurde auf der Höhe gebaut, so dass alle Waren und Reisenden den Weg zur Bahn herunter nehmen mussten. Am Gleis baute man daher einen zweiten Güterschuppen, in welchen die Güter kurz vor dem Beladen verbracht wurden.

Um den Einschnitt überqueren zu können, musste eine Brücke über die Bahn hinweg gebaut werden. Ursprünglich war hier nur ein Haltepunkt vorgesehen, nun sollte ein richtiger Bahnhof mit Güterexpedition und Ausweichgleis mit Ladeplatz entstehen, was Mehrkosten von 5.150 M verursachte.

An der nördlichen Bahnhofsausfahrt folgte in der Topograhie sofort ein Einschnitt, in dem die Landstraße I.Ordnung verlief. Diese Straße musste mit einer dreibogigen Brücke überspannt werden.

1975 wurde der Bahnhof Witzighausen mit einem Kostenaufwand von 70.000 DM renoviert um danach die Feuerwehr unterzubringen.

Bahnhof Weißenhorn

Der Endbahnhof Weißenhorn wurde von Anfang an großzügig angelegt. Er erhielt ein Bahnhofsgebäude, eine Lokstation, ein Abortgebäude und einen Güterschuppen. Dem Bahnhofsgebäude ist ein eigener Artikel gewidmet.

Die Gleisanlagen waren bei der Betriebseröffnung einfach, aber funktional. Zwei Bahnsteiggleise, ein Umfahrgleis und 5 Weichen. Bemerkenswert ist eine Waggon-Drehscheibe am nördlichen Gleisende. Der Standort dieser Drehscheibe war in den Katasterplänen bis zu deren Digitalisierung um 2000 immer noch enthalten!

Im Jahr 1884 waren dann schon einige Änderungen zu sehen. Neben dem Lokschuppen hatte man eine Torfremise für das Brennmaterial der Lokomotive erbaut, es gab jetzt eine Güterhalle und im südlichen Bereich stand eine Getreidelagerhalle und eine Torfremise des Engelwirts Kircher. Das Ladegleis wurde durch eine weitere Weiche angeschlossen.

Das Stationsgebäude wurde nach Standardbauplänen der bay. Staatseisenbahn errichtet, den sog. bayerischen Würfel. Die Fassade war aus Sichtmauerwerk mit Werksteingewänden. Im EG war die Expedition sowie ein Wartesaal vorhanden, in den Obergeschossen entstanden Wohnungen für die Bediensteten. Der Bahnhof Witzighausen war nach den gleichen Prinzipien gebaut.

Neben dem Stationsgebäude wurde ein Abortgebäude in Holzkonstruktion errichtet. In ähnlicher Holzkonstruktion wurde auch eine kleine Güterhalle gebaut. Ansonsten wurde der Güterverkehr überwiegend im Freien auf zwei Ladehöfen abgewickelt.

Der Lokschuppen

Zur Unterbringung der Lokomotiven erhielt die Station einen Lokschuppen. Es ist hier der einzig bekannte Fall, dass dieser Lokschuppen Plätze für zwei Lokomotiven hintereinander erhielt. Angebaut an den Lokschuppen wurde ein Wasserhaus, d.h. ein Reservoir für das Wasser der Lokomotiven. Das Speisewasser wurde dem Grundwasser entnommen, da Weißenhorn im 19.Jhdt. noch keine zentrale Wasserversorgung besaß. 1913 erfolgte der Anschluss des Maschinenhauses an das städt. Wassernetz. Die Eisenbahnverwaltung garantierte eine Abnahme von 440 m³ Wasser im Jahr bei 60 M Wasserzins. Da die Lokomotiven zu Beginn des Betriebs noch mit Torf beheizt wurden, erbaute man neben dem Maschinenhaus eine Torfremise zur Lagerung des Brennmaterials. Später kam ein Kohlenbansen hinzu.

Gleisanschluss Molfenter

Am 02.07.1885 erhielt der Sägewerkbesitzer Laupheimer die Erlaubnis zur Anlage einer Rollbahn mit 2 Pferden zum Transport seines Holzes zum Bahnhof. Bereits 1882 hatte er an der Herzog-Georg-Str. ein Schutzdach zur Aufbewahrung von Holzmaterial errichtet. 1889 erbaute er hier auch ein Wohnhaus und verlegte sein Sägewerk von der Fuggerstr. hierher. Bei der genannten ‘Rollbahn’ handelte es sich nicht um einen Gleisanschluss, sondern um ein schmalspuriges Feldbahngleis, auf welchem mit Holzsträmmen beladene Schemelwagen mittels Pferdekraft bewegt wurden. Nach der Übernahme des Sägewerks durch die Gebr. Molfenter wurde 1900/1901 ein vollwertiger Gleisanschluss hergestellt. Hierbei war zuerst geplant, den Gleisanschluss aus dem Zufahrtsgleis heraus zu führen, dann wurde doch der Gleisanschluss in Verlängerung des Ladegleises angelegt.

Zum Ende der Staatsbahnzeit wurde der Gleisplan nochmals wesentlich verändert und wies nun insgesamt 11 Weichen auf. Die Waggondrehscheibe am nördlichen Bahnhofskopf war wohl noch in Betrieb.

Die Reichsbahnzeit

Zum 01.04.1920 gingen die ehemaligen Länderbahnen in die Deutsche Reichsbahn über. Dies hatte u.a. zur Folge, dass das Rollmaterial nun deutschlandweit eingesetzt wurde. Die Eisenbahn entwickelte sich zum Hauptverkehrsträger, was eine stetige Zunahme, besonders des Frachtverkehrs, mit sich brachte.

Gleisanschluss des Lufttanklagers

Im Zuge der Kriegsvorbereitungen auf den II. Weltkrieg baute die NS-Diktatur über die Tarnorganisation ‘Wifo’ im Eschachwald ein Lufttanklager. Diesem ist ein eigener Artikel gewidmet. An- und Abfuhr des Benzins erfolgte per Bahn. Neben umfangreichen Gleisanlagen im Lufttanklager selbst wurde auch der Bahnhof in die Nutzung einbezogen und entsprechend umgebaut.

Auf der Westseite des Bahnhofs wurden zwei Hinterstellgleise mit je 190 m Nutzlänge hinzugebaut. Um genügend Platz für die Gleisanlagen zu erhalten musste der Eisenbahnweiher teilweise verfüllt werden. Auch die Lagergebäude der Fa. Langenstein/Kling und Hogg (Am Eisenbahnweiher 2) wurden der Gleiserweiterung geopfert. Die Gleise wurden im Süden über eine zusätzliche Weiche angebunden, im Norden wurde die Weiche vor dem Lokschuppen durch eine preußische Doppelkreuzweiche ersetzt. Zur Tarnung wurde über die Gleise ein Tarngerüst gebaut um sich gegen die feindliche Luftaufklärung zu schützen.

Um 1940 wurde der Bahnhof verputzt und neu angestrichen. Hierbei wurden die Werksteingewände entfernt. Bei dieser Baumaßnahme wurde wohl auch das alte hölzerne Abortgebäude abgebrochen und durch einen massiven Neubau ersetzt.

Im Rahmen der Luftangriffe auf das Tanklager zum Ende des Krieges wurde natürlich auch der Bahnhof angegriffen und beschädigt. Schwere Schäden entstanden beim Luftangriff vom 13.09.1944 auf dem Bahnhofsgelände, wo 12 der 40 abgestellten und mit Benzin befüllten EKW zerstört wurden und ausbrannten. Insgesamt fielen zehn Bomben auf das Bahnhofsgelände und lösten einen Großbrand aus. Ein Tankwagen wurde durch die Wucht der Explosion in den benachbarten Eisenbahnweiher geschleudert. Nur mit Menschen- und Pferdekraft konnten die restlichen Wagen unter Lebensgefahr geborgen werden, da weder eine Lokomotive vorhanden noch ein effektives Löschen möglich war. Das Bahnhofsgebäude erhielt an der Nordostecke einen Treffer durch eine nicht explodierende Bombe und wurde stark beschädigt. Weitere 5 Bomben schlugen im Garten der Villa Zimmermann (Bahnhofstr. 14) und im Hof der Unteren Mühle ein und richteten Schäden an Grundstück und Gebäuden an. Am 18.11.1944 gingen bei einem Tieffliegerangriff 20 Kesselwagen in Flammen auf, auch wurde eine Dampflokomotive zerstört.

Die Bundesbahnzeit

Auch nach dem Krieg war die Eisenbahn für den Wiederaufbau der Wirtschaft unverzichtbar. Die Gleisanlagen des Lufttanklagers wurden zwar stark zurückgebaut, die verbliebenen Anschlüsse dienten den Firmen Oetinger und Groer aber als wichtiger Teil ihrer Infrastruktur.

1955 stellte die DB im Einmündungsbereich der Herzog-Georg-Straße in die Ulmer Straße eine große Wellblechgarage auf. Die Stadt protestierte zwar gegen den Bau, weil die Sichtverhältnisse behindert wurden, die DB reagierte aber nicht. Auch spätere Eingaben wurden ignoriert. Nachdem die Garage nicht mehr benutzt wurde, drängte die Stadt ab 1966 nochmals auf einen Abbau, der dann auch endlich geschah.

Am 31.08.1956 trieb bei Witzighausen ein Schäfer seine Herde über die Strecke, als ein Zug kam. Trotz geistegegenwärtiger Vollbremsung fanden 14 Schafe den Tod, mehrere wurden verletzt.

Im Bahnhofsgelände wurden die Hinterstellgleise als Abstellgleise genutzt. Der Lokschuppen wurde aufgegeben und abgebrochen, seine Gleise abgebaut. Die Doppelkreuzweiche wurde abgebaut. Auf einem Luftbild von 1957 sind noch die Fundamentreste und die Untersuchungsgruben zu erkennen.

Im Juli 1958 wurde das Umfeld des Bahnhofs durch Straßenbefestigungen und Straßengräben hergerichtet. Im August 1959 wurde die hölzerne Verladerampe durch eine Betonkonstruktion ersetzt.

1962 wurde an die alte Güterhalle im Norden eine neue Halle in Stahlbetonbauweise als Erweiterung angebaut. 1970 wurde die alte Güterhalle abgebrochen und der moderne Anbau auf diese Fläche ausgedehnt. Hierbei wurden im EG des Empfangsgebäudes auch neue Fenster eingebaut.

Weitere Gleisanschlüsse

Aber die beginnende Gewerbeentwicklung erforderte neue Gleisanschlüsse. 1961 erbaute der Landproduktehändler B.C. Keller eine Lagerhalle mit Getreidesilos (Am Eisenbahnweiher 2). 1964 erhielt der Betrieb einen eigenen Gleisanschluss. Dieser war betriebstechnisch ungünstig nur über eine Sägefahrt zu erreichen, was entsprechenden Rangieraufwand erforderte.

Ab 1962 beanspruchte die Bundeswehr die ehem. militärischen Anlagen des Lufttanklagers zurück. Im Lufttanklager selbst wurde der Benzinbahnhof 1964 erneuert und auf ein Gleis zurückgebaut. Im Bahnhofsbereich wurden das innere Hinterstellgleis wieder als solches genutzt. Das äußere wurde stillgelegt, die Gleise verblieben aber noch.

Im Personenverkehr machte sich in den 60er-Jahren die Pkw-Konkurrenz deutlich bemerkbar. Schon 1953 wurde der Sonntagsverkehr zwischen Weißenhorn und Senden von der Schiene auf den Bus verlegt. Am 24.09.1966 wurde der Personenverkehr dann eingestellt. Um 07:27 zog 64 001 den letzten Personenzug aus dem Bahnhof.

Schon 1962 wurde der Gleisanschluss der Fa. Molfenter nicht mehr genutzt. 1971 war der Anschluss stillgelegt, die Abzweigweiche war noch vorhanden, die weiterführenden Gleise zum Betrieb aber bereits abgebaut.

1979/80 fanden wieder umfangreiche Gleisbauarbeiten am Bahnhof statt. Auf dem lange Zeit brach liegenden Grundstück der Fa. Groer richtete die Fa. Bentele einen Stahlhandel ein und reaktivierte hierzu das äußere Hinterstellgleis, allerdings nur als Stichgleis. Die Bundeswehr erneuerte das innere Hinterstellgleis, während Gleis 7 verkürzt und in der Verbindung nach Süden stillgelegt wird. Die Abzweigweiche Molfenter wurde ausgebaut. Die BayWA erhielt für ihr Lagergebäude Am Eisenbahnweiher einen eigenen Gleisanschluss. Dieser neue Gleisanschluss wurde noch vor der Einfahrtsweiche des Bahnhofs über eine flache Innenbogenweiche an die Strecke angebunden.

1971 wünschte auch die Fa. PERI einen eigenen Gleisanschluss. Es wurden 3 Varianten besprochen, die aber alle von der Fortsetzung des Gleisanschlusses Oetinger/Groer ausgingen. Die Firmen Oetinger und Groer wandten sich jedoch gegen eine Weiterführung ihrer Gleisanschlüsse, da zu große betriebliche Probleme gesehen wurden. Zudem müssten die Notunterkünfte In den Krautgärten hierfür abgerissen werden. Dennoch unterstützte der Bauausschuss eine dieser Varianten.

Da sich diese Planung nicht zu verwirklichen war, ließ die Firma PERI im Jahr 1976 kurzerhand den Gleisanschluss der BayWa über die Rudolf-Diesel-Str. hinweg ohne Genehmigung auf ihr Grundstück verlängern. Die Kreuzung wurde aber so unfachmännisch hergestellt, dass sie nicht mehr mit Pkw befahrbar war. Die Straße musste der Gleisanlage angepasst werden, die Kosten trug PERI. 1978 wurde dieser Gleisanschluss noch einmal erweitert. Es wurde eine Weiche eingebaut und ein weiteres Gleis gebaut.

Im Jahr 1996 siedelte sich im Industriegebiet Südl. Eschach die Fa. Westfalen AG mit einem Flüssiggaslager an. Ausschlaggebend für die Standortwahl war die Möglichkeit eines Gleisanschlusses. Dieser erfolgte unmittelbar aus dem Streckengleis östlich des damals noch in Planung befindlichen Bahnübergang Daimlerstraße, welcher 1998 eröffnet wurde.

Quellen:

Quellen:
1, 2, 12, 13, 21, 28 Stadtarchiv Weißenhorn
3, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 14, 15, 16, 17, 18, 22, 23, 26, 29, 30, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41 Heimatmuseum Weißenhorn; Foto: Heimatmuseum Weißenhorn
5 NUZ 1969/70-15
11 NUZ 1975/173-17
19, 20 BayHStA 27030
24, 25 BayHStA 52647
27 Stadtarchiv Weißenhorn II 850.100.2-3
32 NUZ 1966/211-15

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert