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Der Gasthof Grüner Baum – Schulstr. 1

Der Grüne Baum war ‘nur’ von 1651 bis 1802 als Brauereigasthof in Betrieb. Es war die kleinste der Weißenhorner Brauereien und war während dieser Zeit vermutlich auch nicht ununterbrochen in Betrieb. Das vermutlich 1674 errichtete Gebäude wurde 1985 wegen Baufälligkeit abgebrochen und das Grundstück anschließend neu bebaut.

Vorgängerbebauung vor 1674

Die Baugeschichte vor 1548 kann nicht sicher rekonstruiert werden. Zwischen 1518 und 1547 liegen keine Aufzeichnungen vor. 1548 steht ein Victor Bertele, Fuhrmann, im Steuerbuch B 84-16. Demnach hätte ein Victor Bertele das Haus hier zwischen 1518 und 1548 neu erbaut. Unter der südlich angrenzenden Beethovengasse und dem Gebäude Schulstr. 3 befindet sich eine Kelleranlage, die zu der Erstbebauung dieses Grundstücks gehören dürfte.

1578 ist Victor Berteles Witwe die Besitzerin, 1581 ist es Abraham Wagner, gefolgt 1604 vom Bleicher Georg Stigele, dessen Töchter 1610 eingetragen sind. Im Steuerbuch 1614 ist der Besitz näher beschrieben: Behausung, Stadel und Hofraiten; Wert 600 fl. Als Eigentümer ist Hans Geßler aufgeführt.

1636 gehört ein Garten mit zum Besitz, der Eigentümer heißt Christian Nepperschmied. 1651 ist bei ihm jetzt eine neu erbaute Bräustatt mit Braugerechtigkeit erwähnt, Wert 800 fl. Zu Nepperschmieds Besitz gehört auch der Garten zwischen Schulstr. und Hollstr. sowie der Garten beim Anwesen. Die Bräustatt war das spätere Gebäude Reichenbacher Str. 2.

Neubebauung 1674

1674 wird Christoph Bader das Haus und die Bräu zugeschrieben. Ein Christoph Bader ist von 1656 bis 1660 auf dem Bären, Hauptstr. 21, zu finden. Es könnte sich um dessen Sohn handeln. Christian Nepperschmied ist ab 1674 auf dem Haus Hauptplatz 1 zu finden, jedoch als Bäcker. Wahrscheinlich handelt es sich um einen gleichnamigen Sohn. Die Gebäudebeschreibung und der Wert von 1200 fl sind im Steuerbuch gestrichen. Daraus wird auf einen Abbruch des alten Gebäudes mit anschließendem Neubau durch Christoph Bader geschlossen.

Schon 1684 geht die Brauerei an den Metzger Michael Müller über. 1692 wird Johann Krötz, der Rösslewirt auf der gegenüberliegenden Straßenseite als Besitzer genannt. 1693 wird der Gasthof Hans Kröz’ Witwe für 1500 fl zugeschrieben, ab 25.09.1696 dem Unteren Garnsieder Michael Müller und ab 1706 ist wieder Metzger Michael Müller Eigentümer. Diese Situation ist etwas verworren. Folgende These soll eine Klärung versuchen:

Der Metzger Michael Müller starb 1692. Johann Kröz kaufte den Gasthof für seinen Sohn Hans Kröz, der die Witwe des Michael Müller heiratete. Hans Krötz starb aber auch schon 1693, wonach seine Witwe den Gasthof übernahm. Doch auch sie starb schon 1696. Frau Krötz, verw. Müller, hatte einen Sohn aus erster Ehe. Für diesen wurde der Garnsieder Michael Müller (vielleicht der Großvater) als Vormund eingesetzt. Diese Vermutung fußt auf dem Umstand, dass der Rat am 07.01.1698 den Wert auf 1200 fl geschätzt hat. Dies legt die Vermutung nahe, dass mit dem Garnsieder Müller nur ein Vormund für minderjährige Kinder eingeschaltet wurde. Zudem ist der Kauf des damals unbebauten Grundstücks Untere Mühlstr. 10 im Jahr 1696 durch den Garnsieder Michael Müller bei dem hiesigen Grundstück im Steuerbuch vermerkt. 1706 wurde das Grundstück wieder verkauft. Garnsieder Müller könnte so das Kapital des Metzgers Müller angelegt haben. Mit Eintritt der Volljährigkeit (21 Jahre nach einer angenommenen Geburt in 1685, wenn 1684 Hochzeit war) tritt Michael Müller die Nachfolge seines Vaters an.

In den 1710er-Jahren ist Michael Seybold als Bräuer genannt. Er heiratete die Tochter des Michael Müller. Ab 1739 ist sie Witwe und übernimmt den Gasthof. In den 1760er-Jahren erscheint Mathias Frick in den Büchern, erstmals wird jetzt der Name der Wirtschaft als Grünbaum bezeichnet. Am 16.06.1775 übernimmt der Sohn Josef Frick Behausung, Hofraithin, Stadel und Garten sowie Bräugerechtigkeit. Am 15.04.1790 stirbt Blasius Frick, ein lediger Bruder des Joseph Frick. Das Erbe wird aufgeteilt. Zum 20.03.1802 übernimmt Franz Sailer den Grünen Baum. Im Nebenhaus RB02 ist eine Marianne Frick, *1756, gemeldet, als alte Grünbaumwirtin benannt. Ab jetzt fehlen Bezeichnungen als Wirtschaft, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Gastwirtschaft zu dieser Zeit aufgegeben wurde.

Am 09.11.1804 wird Josef Mausperger neuer Eigentümer, im Jahr 1818 der Ziegler Valentin Winkle. Bei der Übernahme durch Valentin Winkle wird das Haus geteilt, das Bräuhaus (späteres Haus RB02) geht an den gegenüberliegenden Rösslewirt, der die Braustätte für seine Brauerei mitnutzt.

Mit dem Kauf des Gebäudes durch den Kupferschmied Sebastian Metzger am 05.03.1825 trat endlich wieder für die nächsten 100 Jahre Ruhe in die Baugeschichte ein. Die Kupferschmiede etablierte sich in der Stadt gut, am 12.03.1861 übernahm der Sohn Leonhard Metzger Gebäude und Handwerksbetrieb. In den Bauakten ist ein Bauplan von 1862 für einen Umbau mit Erweiterung enthalten, der nicht verwirklicht wurde. Im Jahr 1889 geht die Kupferschmiede an den Schwiegersohn Wenzel Turnwald über. Dieser baut das vorhandene Ladenlokal um. 1921 geht der Betrieb mit der Übernahme durch den Sohn Ernst Turnwald in die 4. Generation. Ernst Turnwald wollte 1921 auf dem Grundstück der Bahnhofrestauration in der Bahnhofstr. 15 eine Lagerhalle errichten, die ihm der Stadtrat aber ablehnte, weil hierdurch das Stadtbild verunstaltet werde und an der Baulinie nur Hauptgebäude zulässig seien.

Während des 2. Weltkriegs wurde die Kupferschmiede aufgegeben. 1948 ist Anton Kerler mit einem Elektro-Installationsbetrieb auf dem Haus, später ab 1959 die Schneiderin Rosa Rafensteiner, die bis 1968 im Adressbuch zu finden ist. Danach wurde das Haus untergeordnet vermietet, der bauliche Zustand verschlechterte sich ständig.

Wegen der schlechten Bausubstanz vergrößerten sich die vorhandenen Risse im Gebäude. Im Herbst 1985 neigte sich die Außenwand gegen die Straße, so dass wegen der Verkehrssicherung eine Straßensperrung, eine Abstützung des Gebäudes und ein sofortiger Abbruch des Gebäudes erforderlich wurde.

Neubau 1989

Im Zuge des Abbruchs und Aushubs der Baugrube wurde die Kellersituation durch den Weißenhorner Heimatforscher Hans Burkhart aufgenommen, leider nicht in der für eine archäologische Beurteilung erforderlichen Form. Es wurde festgestellt, dass vom Keller des Gebäudes nach Norden früher ein Verbindungsgang zum Rössle, RB05, und ein Gang nach Süden zu Gebäude SH03 bestand. Dieser Gang verläuft noch heute unter der Beethovengasse und ist vom Keller Schulstraße 3 aus zugänglich. Dieser Gang ist insofern rätselhaft, als das Grundstück Schulstr. 3 erst 1827 bebaut wurde. Möglicherweise führte der Gang zu einer älteren Vorgängerbebauung. Dann müssten sich Teile der Wirtschaft “Grüner Baum” früher hier befunden haben, z.B. ein Lagerkeller. Dies ist aber aus den archivalischen Aufzeichnungen nicht abzuleiten. Auch die Verbindung nach Norden zu Reichenbacher Str. 5 ist nicht zu erklären. Die kurze Zeit von 1693 bis 1696, in der der Grüne Baum zum Rössle gehörte, hat sicher nicht zu einer solchen Verbindung geführt. Vermutungen über ein noch älteres Gängesystem sind rein spekulativ.

Das Grundstück wurde vom örtlichen Bauträger Schmid Komplettbau gekauft und 1987 mit einem Neubau im damaligen Zeitgeschmack neu bebaut. Um die Situation für Fußgänger zu verbessern, wurde der Gehweg auf der Nordseite unter Arkaden geführt. Seit der Eröffnung ist im Laden des Gebäudes ein Optiker ansässig.

Quellen:

Quellen:
1, 2 Heimatmuseum Weißenhorn; Foto: Heimatmuseum Weißenhorn

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