Der geplante Rathausbau in Weißenhorn 1833 – 1860
6. Juli 2021/Lageplan
Über den Bau eines neuen Rathauses mit Schranne wurde in Weißenhorn fast 30 Jahre lang diskutiert und geplant. Zeitweise war die Baufrage eng mit der Diskussion über einen neuen Pfarrhof verwoben. Allen Planungen und Wünschen machte dann der Einsturz der Stadtpfarrkirche am 22.02.1859 einen dicken Strich durch die Rechnung; das Projekt wurde ad acta gelegt. Aus heutiger Sicht beschert uns diese vergebliche Planung mit der Schranne ein Baudenkmal, an welchem nun seit 250 Jahren keine wesentlichen Maßnahmen mehr vorgenommen wurden und das in dieser Form einzigartig ist. Im Folgenden sollen die Vorgänge um diese Rathausplanung ausführlich dargestellt werden. Hochinteressant ist in diesem Zusammenhang, wie vor fast 200 Jahren Planungs- und Entscheidungsprozesse abliefen und inwiefern sich dies bis heute beibehalten oder verändert hat.
Inhalt
- 1 Vorgeschichte: Kauf der beiden hinter der Schranne gelegenen Häuser
- 2 Zwischenphase: Die Verwendung des Baderschen Hauses als Aushilfs-Schrannen-Lokal 4
- 3 Parallelvorhaben: Bau eines neuen Pfarrhauses
- 4 Hauptsache: Der Rathausneubau
- 5 Intermezzo: Der neue Pfarrhof
- 6 Hauptsache 2. Akt: Bau eines Rathauses mit Schrannenhalle9
- 7 Nachspiel: Reparatur der Schranne und Zwischendach
Vorgeschichte: Kauf der beiden hinter der Schranne gelegenen Häuser
Hinter der Schranne befand sich bis zum Jahr 1556 der alte Marktplatz. Dann wurde der Markt auf den Kirchplatz verlegt und die Fläche hinter der Schranne als Bauplatz verkauft. Es wurden die beiden Häuser Nr. 31 (Seb.-Sailer-Str.x) 1 und Nr. 34 (Martin-Kuen-Str. xx) 2 neu erbaut, letzteres unter Einbeziehung der Vorgängerbebauung Martin-Kuen-Str. 2, welche abgebrochen wurde. Ab 1690 war die Familie Bader/Deininger auf diesem Anwesen ansässig, zuletzt ab 1799 der Metzger Mathias Bader. Dieser geriet wohl um 1825 in finanzielle Probleme, weswegen er zwischen 1824 und 1829 den Stadel des Hauses an den Mousselin-Händler Leopold Jann verkaufte, der ihn als Wohnhaus nutzte, welches die Hs.Nr. 34/2 erhielt. Aber auch Jann konnte das Haus nicht halten, so dass das Haus zur Versteigerung kam.
Zu gleicher Zeit konnte auch Bader sein Haus nicht mehr halten, weswegen auch für dieses die Versteigerung angeordnet wurde.
Der Stadtmagistrat erkannte schnell die Entwicklungsmöglichkeiten an dieser Stelle und beschloss am 05.02.1833 das Haus Nr. 34 des Mathias Bader im Gegenzug für die auf dem Grundstück lastenden Forderungen der Commune und der Spitalstiftung, das Haus für 2000 fl an sich zu bringen. Zeitgleich kam auch die Hs.Nr. 34/2 des Leopold Jann zur Versteigerung. Um auch in den Besitz dieses Hauses zu kommen, beschloss der Magistrat dann am 08.02.1833:
In Erwägung, daß das hiesige Rathhauß und Schrannengebäude in der Art mehr und mehr baufällig wird, daß keine Reparatur mehr möglich und jede Ausgabe hieran verschwendet ist u. daß sonach dasselbe in Bälde ganz neu erbaut werden muß; in Erwägung, daß eben so nützlich als schön seyn dürfte, wenn bei Erbauung des Rathhauses dasselbe von der Strasse weiter zurück = und dadurch ein Vorplatz hergestellt werden könnte; hat sich der Magistrat den gegenwärtigen Zeitpunkt, wo das Mth. Badersche Haus zum öffentlichen Verkauf ausgebothen wurde, benützend beschlossen, dasselbe zu diesem Zwecke für die Commune anzukaufen und ein Anboth von ~ 2000 fl durch einen Mandator zu legen. …. Anbei wird bemerkt, daß es zur Realisierung des Planes nicht schwer fallen dürfte, seiner Zeit auch das hiezu erforderliche Hauß des Glasers Millers käuflich an sich zu bringen.3
Bei der Versteigerung am 18.02.1833 konnte Adv. Bauer das Haus für 1553 fl ersteigern. Als nächstes trat man am 27.02.1833 an den Glaser Georg Miller, Eigentümer der Hs.Nr. 31, heran und bot ihm das Stadel-Grundstück Hs.Nr. 34/2 im Tausch an. Miller ging den Tausch ein und bezog wohl unmittelbar danach das eingetauschte Gebäude. Nachdem 1835 der rückwärtige Verbindungsbau zum ehem. Baderschen Haus Nr. 34 abgebrochen wurde, errichtete Miller einen Neubau, der nun traufständig zur Martin-Kuen-Str. zu liegen kam und ab dann die Ecke zur jetzigen Schrannenstr. bildet. Das Haus steht bis heute. (siehe Baugeschichte Martin-Kuen-Str. 2)
Bis 1840 verschlechterte sich der bauliche Zustand des Hauses offenbar stark. Am 09.05.1840 beriet der Magistrat:
Auf die Anzeige, daß das so genannte Müllersche, der Kommune angehörige Haus baufällig geworden, daß durch dem Gutachten des Maurermeister Deibler täglich dem Einsturz drohe und zwar gegen das vormals badersche, nunmehr zur Sommerschranne gewandten Wohnhaus, hat der Magistrat gestern beschlossen, daß das Müllersche Haus zur öffentlichen Sicherheit gestützt, übrigens aber sobald immer möglich auf den Abbruch verkauft werden.
Der kgl. Gerichtsarzt Dr. Beck gab am 17.01.1841 über die hygienischen Verhältnisse im Bereich des Millerschen Hauses wegen der Metzgerabfälle des Matthias Bader ein negatives Gutachten ab, wonach das LG die Stadt aufforderte, diesen Übelstand schleunigst zu beseitigen.
Das LG ordnete am 08.03.1841 den sofortigen Abbruch an. Den durch die Verzögerung entstandenen Minderpreis haben der Magistrat und die G.B. zu gleichen Teilen zu tragen. (Ein solcher Vorgang, im Klartext: ‚Wärt ihr nicht so stur gewesen und hättet euch geeinigt‘ wäre heute nicht mehr denkbar.) Am 29.06.1841 wurde der Vollzug des Abbruchs an das Landgericht gemeldet.
Zwischenphase: Die Verwendung des Baderschen Hauses als Aushilfs-Schrannen-Lokal 4
Nachdem die Gebäude-Rochade am 10.06.1833 endgültig von der Curatell-Behörde genehmigt war, ging man an die Umnutzung des neu erworbenen Baderschen Hauses Nr. 34. Die fehlende Handelsfläche in der Schranne war ja ein Hauptgrund dafür, den Bau eines neuen Rathauses mit Schrannenhalle zu beschließen. Weil aber ein Neubau nicht sofort durchführbar war, musste eine Zwischenlösung her. Am 29.10.1833 beschloss der Magistrat:
Da die Schranne so stark besucht wird, daß der Raum zur Unterbringung der Früchte nicht ausreicht, soll das Badersche Haus zur Schrannennutzung umgebaut werden. Hierzu wäre das Erdgeschoß auszuweiden und auf Stützen zu stellen um es für diesen Zweck verwendbar zu machen.
Maurermeister Kerner wurde mit einer Umbauplanung beauftragt. Er schätzte die Kosten des Umbaus auf 215 fl 24 x. Es seien alle Innenwände zu entfernen und eichene Unterzüge auf eichenen Stützen einzubauen. Die Kellergewölbe sollen ausgenommen und verfüllt, der Fußboden um ca. 50 cm abgesenkt werden um eine lichte Höhe von 3,10 m zu erreichen. Alle Fenster wären zu vermauern, nur die besten Fensterstöcke könnten weiter verwendet und vergittert werden. In den Eingangsvorbau soll ein Tor mit 2,50 m Breite eingebaut werden. Alle Mauern wären mit den neuen Unterzügen zu verschlaudern. Die Wohnung im OG soll über eine Außentreppe erschlossen werden und die Kammer im DG zu einer weiteren Wohnung ausgebaut werden. Bader sen. und jun. könnten in dem Haus wohnhaft bleiben.
Das LG Roggenburg schlug am 02.12.1834 vor, den Verbindungsflügel des Baderschen Hauses abzubrechen und dort eine Durchfahrt anzulegen, ‘was nicht nur in Bezug auf Reinlichkeit, sondern auch in Betreff der Feuers-Gefahr für die ganze Nachbarschaft von großem Vortheile sey’.
Der Abbruch des Verbindungsflügels wurde am 12.03.1835 genehmigt und am 28.04.1835 versteigert, Abbruch und Beseitigung binnen 8 Tagen, Schutt könne in den Stadtgraben beim oberen Tor geführt werden. Das Meistgebot mit 61 fl erfolgte durch Karl Fahrenschon.
Parallelvorhaben: Bau eines neuen Pfarrhauses
Stadtpfarrer Nikolaus Knappich war seit 1810 Stadtpfarrer in Weißenhorn und verstarb am 27.04.1843. Über die Zuständigkeit für die Renovierung des Pfarrhauses Konrad-Huber-Str. 2 für den Nachfolger, Stadtpfarrer Bisle, entspann sich eine längere Diskussion. Bisle brachte den Vorschlag eines Neubaus ins Spiel. Der Magistrat unterstützte dieses Projekt, die Gemeindebevollmächtigten waren dagegen. Der Magistrat meinte dann in einem Beschluss vom 08.05.1846
… daß der Bau eines neuen Rathauses und resp. Schrannen-Gebäudes noch wohl verschüblich und zur Ausführung dieses Neubaus die Mittel noch nicht umso weniger gegeben sind, als noch viel dringendere Bauten, insbesondere die Herstellung dreier neuer durch Hochwasser zerstörter Brücken in nächste Aussicht gestellt sind.
Das Innenministerium erklärte im Dez. 1846, dass weder das Pfarrhaus noch das Rathaus sich in einem Zustand befänden, der einen Neubau als dringende Notwendigkeit erkläre.
Nachdem die Stadt nun den Rathausbau und den Pfarrhofbau in Verbindung gebracht hatte, erging am 13.01.1847 eine Aufforderung des LG an die Stadt, für die Neubauten des Pfarrhofs und des Rathauses Kostenvoranschläge vorzulegen und über die Finanzmittel der Stadt zu berichten. Am 15.03.1847 fasste man einen Beschluss über den Rathausbau, erwähnte den Pfarrhof aber nicht.
Nach 3 Monaten mahnte das LG die Vorlage der angeforderten Pläne an. Der Magistrat antwortete, die G.B. hätten sich noch nicht abschließend zu dem Bauprogramm geäußert, daher habe auch der Kostenvoranschlag noch nicht in Auftrag gegeben werden können. Auf die nochmalige Mahnung des LG wurde am 14.05.1847 nochmals die gleiche Antwort gegeben, die G.B. hätten sich noch nicht geäußert. Letzte Fristsetzung des LG auf den 27.05.1847 mit der Anweisung, dass, wenn sich die G.B. bis dahin nicht äußerten, ihnen der Steuerlohn aberkannt werde.
Am 26.05.1847 wurde endlich Maurermeister Kerner mit der Anfertigung eines Planes und Kostenanschlages beauftragt.
Die G.B. arbeiten am 24.05.1847 eine umfangreiche Stellungnahme zu Rathaus- und Pfarrhofneubau, genannt ‚Votum‘, aus, die man am 28.05.1847 an das LG übermittelte. In diesem Votum behaupteten die G.B., von dem Pfarrhofneubau nichts zu wissen und die Regierung habe sich geirrt. Das LG ließ diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen, widerlegte den Vorwurf des Irrtums und rügte die G.B. wegen ihrer Verzögerung. Für die Planvorlage erhielt die Stadt einen Fristaufschub von 10 Tagen.
Der Magistrat entwickelte eine Kostenaufstellung über den Finanzbedarf des Rathaus- und Pfarrhofneubaus, der sich auf 42.600 fl belief, wovon 18.050 fl über einen Kredit zu finanzieren wären, der in 7-8 Jahren zu tilgen wäre. Auch wurde eine Aufstellung über die Herkunft der Kapitalien mitgeliefert. Das LG erkannte diese Finanzierung am 02.07.1847 an.
Nachdem der Magistrat fast 9 Monate lang der Aufforderung des LG zur Planvorlage nicht nachgekommen war, beauftragte das Innenministerium das LG am 23.09.1847, die Stadt anzuweisen für die Projekte des Pfarrhofbaus und des Rathaus- und Schrannenbaus Kostenvoranschläge anfertigen zu lassen und die Finanzmittel der Stadt darzulegen. Doch auch jetzt ging das Hick-Hack um den Pfarrhofneubau weiter. Endlich kam mit Datum vom 17.12.1847 das Bauprogramm für den Pfarrhofneubau mit Benefiziaten- und Mesnerwohnung von der Pfarrei. Die Stadt legte das Programm am 20.12.1847 dem LG vor.
Im Oktober 1848 schlug Stadtpfarrer Bisle vor, ihm die oberen 2 Stockwerke der Stadtmagistratur (Kirchplatz 7) zu überlassen und die Wohnung des Amtsdieners für sein Pferd umzubauen. Der alte Pfarrhof könnte von der Stadtmagistratur genutzt werden. Der Vorschlag wurde von Magistrat und G.B. am 19.11.1848 angenommen. Bisle war sehr erfreut, stimmte dem Vertrag am 19.11.1848 zu und zog schon am nächsten Tag in die neue Wohnung.
Mit Beschluss vom 09.12.1848 nahm der Magistrat förmlich von den Plänen zu einem Pfarrhofneubau Abstand.
Die Regierung hatte aber noch den Antrag für den Rathaus- und den Pfarrhofbau zur Entscheidung auf dem Tisch und verlangte mit Schreiben vom 26.01.1849 eine Klarstellung. Das LG monierte, dass die Stadt nur über den Rathausbau einen Planungsauftrag erteilt habe, obwohl das LG auch eine Planung über einen Pfarrhofneubau gefordert habe. Die Stadt wurde zu einer Stellungnahme binnen 14 Tagen aufgefordert. In einem 16-seitigen Schriftsatz erklärte die Stadt gegenüber dem Landgericht, warum der Bau eines Rat- und Schrannenhauses notwendiger als ein Pfarrhofneubau sei. Das LG Roggenburg genehmigte nach Rücksprache mit dem bischöfl. Ordinariat am 14.04.1849 die Zurückstellung des Pfarrhofneubaus und die Anfertigung von Plänen für den Rathausbau.
[Wenn Sie hierüber mehr wissen wollen]
Hauptsache: Der Rathausneubau
Die erste Erwähnung eines Rathausneubaus fand im Rahmen des Ankaufs der Häuser hinter der Schranne am 08.02.1833 statt (siehe Kapitel 1)5
In Erwägung, daß das hiesige Rathhauß und Schrannengebäude in der Art mehr und mehr baufällig wird, daß keine Reparatur mehr möglich und jede Ausgabe hieran verschwendet ist u. daß sonach dasselbe in Bälde ganz neu erbaut werden muß; in Erwägung, daß eben so nützlich als schön seyn dürfte, wenn bei Erbauung des Rathhauses dasselbe von der Strasse weiter zurück = und dadurch ein Vorplatz hergestellt werden könnte; hat sich der Magistrat den gegenwärtigen Zeitpunkt, wo das Mth. Badersche Haus zum öffentlichen Verkauf ausgebothen wurde, benützend beschlossen, dasselbe zu diesem Zwecke für die Commune anzukaufen und ein Anboth von ~ 2000 fl durch einen Mandator zu legen. Um nun diese von Seite der k: Regierung zu erholen, werden vor allem auch die Gemeinde-Bevollmächtigten aufgefordert, über dieses Vorhaben ihre Erklärung, sobald immer möglich, abzugeben.
Wie schon in Kapitel 1 aufgeführt, waren die Gemeindebevollmächtigten gegen diesen Tausch, ihre Argumente wurden aber vom Landgericht zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 10.06.1833 wurde die Stadt aufgefordert:
Das königliche Landgericht hat dieses dem Magistrat und den Gemeindebevollmächtigten zu eröffnen und zu veranlassen, daß diese Erwerbungen nunmehr verbrieft und in Vollzug gesetzt werden, daß ferner der Magistrat einen Bauplan über das neu aufzuführende Rath- und Schrannen- Haus mit Kostenvoranschlag, wobei auf eine gedeckte Schrannenhalle Rücksicht zu nehmen ist, entwerfen lasse und einfach endlich daß für dieses Jahr und solange der Bauplan nicht zur Ausführung kommt das neue erworbene Müllersche wie das Badersche Haus zum Besten der Kämmerey-Kassa vermiethet werde.
Nach diesem Grundsatzbeschluss geschah erst einmal 12 Jahre lang gar nichts mehr. Erst am 04.05.1845 ergriffen dieses Mal die Gemeindebevollmächtigten die Initiative und beschlossen:
daß in betreff des Rathhauses an den Mgstr. eine Eingabe um nemlich denselben Neugebau gemacht werde wonach eine genaue Erörterung gemacht um nächstens den G.B. zur Vorlage gebracht werden
Am 10.06.1845 stellten sie den Antrag an den Magistrat, den seit 10 Jahren beabsichtigten Rathaus-Neubau jetzt in Ausführung zu bringen. Ein Neubau sei kein Luxus, da man schon in den 1790er-Jahren einen Neubau für notwendig gehalten habe und seitdem keine Reparaturen an dem alten Gebäude mehr durchgeführt wurden. Der Magistrat ließ den Antrag erst einmal liegen und wurde am 26.07.1845 von den G.B. gemahnt. Der Magistrat ließ sich aber keine Arbeit anschaffen und lehnte am 08.08.1845 den Antrag ab, weil das Gebäude die erforderlichen Räumlichkeiten noch erfülle und in diesem Zustand noch 20-30 Jahre bestehen könne.
Gegen diese Ablehnung legten die G.B. Beschwerde bei der kgl. Regierung von Schwaben und Neuburg in Augsburg ein. Der Magistrat erklärte seinen Standpunkt mit Schreiben vom 26.09.1845 gegenüber der Regierung.
Über die weitere Behandlung des Vorgangs findet sich nichts im Akt. Lediglich im Rahmen der Diskussion über den Pfarrhofneubau (Kapitel 3) tauchte am Rande einer Vorlage am 03.01.1846 an das LG der Vorschlag auf, ‚das gegenwärtige Magistratsgebäude als Pfarrwohnung zu bestimmen und die Magistratskanzlei in das neue Schrannengebäude zu verlegen‘. Am 05.06.1846 befand der Magistrat, ebenfalls im Rahmen der Diskussion über einen Pfarrhofneubau,
daß der Bau eines neuen Rathauses und resp. Schrannen-Gebäudes noch wohl verschüblich und zur Ausführung dieses Neubaus die Mittel noch nicht umso weniger gegeben sind, als noch viel dringendere Bauten, insbesondere die Herstellung dreier neuer durch Hochwasser zerstörter Brücken in nächste Aussicht gestellt sind.
Im Dezember 1846 erklärte das Innenministerium, dass weder das Pfarrhaus noch das Rathaus sich in einem Zustand befänden, der einen Neubau als dringende Notwendigkeit erkläre.[6]A 58/25
Im Jahr 1847 wurde es aber Ernst. Am 13.01.1847 erging die Aufforderung des LG, für die beiden infrage stehenden Neubauten (Rathaus und Pfarrhaus) Kostenvoranschläge vorzulegen und über die Finanzmittel der Stadt zu berichten.
So beschloss der Magistrat am 15.03.1847 einstimmig
Das Rath- und Schrannen-Gebäude soll auf die Stelle des bisherigen mit Einschluß der westlich früher angekauften Gebäude gestellt werden und eine Länge von circa 120′ und Breite von circa 54′ erhalten. Dasselbe soll enthalten:
über Erde eine Schrannenhalle mit dem Schrannen-Büro und Stiegenhaus nebst einer Wendeltreppe
im ersten Stockwerk einen großen Versammlungssaal, zwei kleine dito und ein Zimmer nebst einem Abtritt
im zweiten Stockwerk die Fruchtböden
zur Weiterbeförderung der Sache seien nun die Gemeindebevollmächtigten mit ihrer Erklärung zu hören
Der örtliche Maurermeister Kerner hatte sich ‚privatim‘, also ohne offiziellen Auftrag, Gedanken über das Bauvorhaben gemacht und einen Grundrissentwurf zu einem Raumprogramm gemacht, den er dem Bürgermeister übergab, der ihn am 29.03.1847 an die G.B. zur Stellungnahme weiterleitete.[7]A 115/23Die G.B. arbeiteten am 24.05.1847 eine umfangreiche Stellungnahme zu Rathaus- und Pfarrhofneubau, genannt ‚Votum‘, aus, in welchem sie sich vor allem gegen den Pfarrhofneubau positionierten.
Der Magistrat entwickelte eine Kostenaufstellung über den Finanzbedarf des Rathaus- und Pfarrhofneubaus, der sich auf 42.600 fl belief, wovon 18.050 fl über einen Kredit zu finanzieren wären, der in 7-8 Jahren zu tilgen wäre. Auch wurde eine Aufstellung über die Herkunft der Kapitalien mitgeliefert. Das LG erkannte diese Finanzierung am 02.07.1847 an.
Nachdem der Magistrat fast 9 Monate lang der Aufforderung des LG zur Planvorlage nicht nachgekommen war, beauftragte das Innenministerium das LG, die Stadt anzuweisen, für die Projekte des Pfarrhofbaus und des Rathaus- und Schrannenbaus Kostenvoranschläge anfertigen zu lassen und die Finanzmittel der Stadt darzulegen.
Erst am 06.12.1847 hielten Magistrat und Gemeindebevollmächtigte erstmals eine gemeinsame Sitzung ab, in der ein Raumprogramm für den Rathausbau festgelegt wurde. Am nächsten Tag wurde dieser Beschluss an das LG weitergeleitet.
Jetzt lag der Ball beim Landgericht. Dieses ließ sich auch Zeit. Am 10.07.1848 stimmte das LG dem Bauprogramm zu und forderte die Stadt auf, Pläne mit Kostenanschlag fertigen zu lassen. Dieser Aufforderung kam die Stadt nach und beauftragte am 29.07.1848 Maurermeisters Kerner mit der Anfertigung von Plänen.
Diesem war die Aufgabe aber entweder zu groß oder politisch zu heikel, er lehnte die Planung am 11.08.1848 nämlich ab. Die Stadt beabsichtigte zuerst das ‚Komisbau-Bureau‘ mit der Planung zu betrauen, fand dann aber in Civil-Bau-Inspector Freiherr Georg von Stengel in Augsburg (der schon 1846 seitens der Regierung in den geplanten Pfarrhof-Neubau involviert war) einen qualifizierten Architekten. Das LG war mit dieser Wahl einverstanden und Stengel nahm am 31.08.1848 den Auftrag an. Am 12.10.1848 kam Stengel nach Weißenhorn, machte sich mit der Örtlichkeit vertraut und besprach das Bauvorhaben.
Da man für die Pfarrhoffrage mittlerweile eine andere Lösung gefunden hatte, nahm der Magistrat mit Beschluss vom 09.12.1848 förmlich von den Plänen zu einem Pfarrhofneubau Abstand.
Stengel machte sich offenbar sofort an die Arbeit und kam am 14.01.1849 schon wieder nach Weißenhorn um den Entwurf zu besprechen. Danach ‘sollte für Gewinnung von Raum in der Schrannenhalle des Neubaus zu ebener Erde das Schrannenbüro wegbleiben und in einem Zwischengeschoß über der Polizei-Wachstube angebracht werden, durch eine Treppe von der Schrannenhalle aus zugänglich u. ebenso sollte auch die gesteine Wendeltreppe cassieren können. – Ferners erscheint es bei der gegenwärtig eingeführten Öffentlichkeit der Sitzungen des Magistrats und der Gemeindebevollmächtigten zweckmäßig, statt der projektierten 2 kleinen Sitzungszimmer, – einen größeren Sitzungssaal außer dem großen Gemeindesaal einzubringen ob hierdurch das von kgl. Regierung genehmigte Programm alterniert wird, ersuche ich hierüber mir eine schriftliche Erklärung nach etwaiger Vernehmung der Gemeindebevollmächtigten zukommen zu lassen‘. Die G.B. stimmen am nächsten Tag den Planänderungen zu.
Die Regierung hatte aber noch den Antrag für den Rathaus- und den Pfarrhofbau zur Entscheidung auf dem Tisch und verlangte mit Schreiben vom 26.01.1849 eine Klarstellung. Das LG monierte, dass die Stadt nur über den Rathausbau einen Planungsauftrag erteilt habe, obwohl das LG auch eine Planung über einen Pfarrhofneubau gefordert hatte. Die Stadt wurde zu einer Stellungnahme binnen 14 Tagen aufgefordert. In einem 16-seitigen Schriftsatz erklärte die Stadt gegenüber dem Landgericht, warum der Bau eines Rat- und Schrannenhauses notwendiger als ein Pfarrhofneubau sei. Das LG Roggenburg genehmigte nach Rücksprache mit dem bischöfl. Ordinariat am 14.04.1849 die Zurückstellung des Pfarrhofneubaus und die Anfertigung von Plänen für den Rathausbau.
Schon am 01.04.1849 legte Frh. v. Stengel einen Entwurf und eine Skizze mit entsprechenden Erläuterungen vor. Magistrat und Gemeindebevollmächtigte hatten offenbar aus dem Debakel um den Pfarrhofneubau gelernt und für den Rathausbau eine gemeinsame Kommission am 29.04.1849 gebildet um Entscheidungswege zu kürzen und um direkter diskutieren zu können. In der Sitzung am 08.05.1849 beriet die Kommission, nahm Stellung und brachte Änderungswünsche vor. Der Magistrat als zuständiges Entscheidungsgremium nahm am 13.05.1849 die Anregungen der Baukommission auf und beschloss, den Planfertiger aufzufordern, auf dieser Grundlage die eigentlichen Pläne zu fertigen.
Entwurf des Architekten Stengel, Augsburg, 1847
Im Akt endet hier die Beratung über den Rathausneubau. Erst 8 Jahre später, im Jahr 1857 wird wieder über den Rathausbau diskutiert. Es gibt (scheinbar) keinen offiziellen Beschluss zur Unterbrechung der Planungsarbeiten. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Da in der Mediation 1848/49 die Gerichtsbarkeit vollständig auf den Staat überging, fiel für die Fugger als Ortsherren ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor fort. Die Fugger entschlossen sich daher, sich vollständig aus Weißenhorn zurückzuziehen und alle Immobilien zu verkaufen. In diesem Zuge erwarb die Stadt u.a. die Schlösser und das Herrschaftsgericht Hauptstr. 8. Es ist anzunehmen, dass der hierzu erforderliche Kapitalaufwand dazu führte, die Rathausplanung nicht weiter zu betreiben.
Intermezzo: Der neue Pfarrhof
Nachdem der Kirchengemeinde am 10.11.1848 das 1. und 2. OG des Kanzleigebäudes KP07 als Pfarrhaus zugewiesen wurde, beschloss der Magistrat, das alte Pfarrhaus Konrad-Huber-Str. 3, das Kaplanhaus An der Mauer 15 und den Pfarrstadel an der damaligen östlichen Stadtmauer zu verpachten. Die Verpachtung wurde am 30.12.1848 bekannt gemacht und am 10.01.1849 durchgeführt. Stadtpfarrer Bisle wandte sich noch gegen die Verpachtung des Wurzgartens, den er gerne behalten wollte, was ihm aber nicht zugestanden wurde.
Bei der Pachtversteigerung am 10.01.1849 bot für das Pfarrhaus Alois Schwager 31 fl und für das Ökonomiegebäude 15 fl, für das Kaplanhaus bot Hartung 14 fl und für den Wurzgarten 5 fl Für das Gesamtpaket gab jedoch Ganz mit 100 fl das Höchstgebot ab. Somit erhielt Ganz den Zuschlag.6
Auch die Holzhütte bei dem ehem. Haus des Bäckers Ried7 war entbehrlich. Schreinermeister Alois Schwager erhielt die Holzremise zur Unterbringung seiner Marktstände für 7 fl 30x auf 3 Jahre ohne Versteigerung zur Pacht.8
Bis 1856 war der Stadtpfarrer im Stadtkanzleigebäude Kirchplatz 7 nur wohnhaft, es ist nicht bekannt ob als Mieter oder ohne Gegenleistung. 1856 entschied man sich nun endgültig, die Stadtverwaltung in das Kraygebäude Kirchplatz 2 (Altes Rathaus) zu verlegen, wo sie die nächsten 150 Jahre auch bleiben sollte. Das alte Kanzleigebäude sollte jetzt ganz Pfarrhof werden und die Häuser getauscht werden.
Am 03.07.1862 beantragte die Stadt beim Bezirksamt Illertissen – welches die verwaltungstechnische Nachfolge des Landgerichts Roggenburg übernommen hatte – die Zustimmung zum Verkauf des alten Pfarrhofs. Vorher musste sich der Magistrat noch erklären, die Baupflicht auf den neuen Pfarrhof zu übertragen. Am 04.12.1862 wurde die Genehmigung erteilt und der Eigentumswechsel am 10.01.1863 im Grundbuch vollzogen. Sofort ging man an den Verkauf des Gebäudes und inserierte die Versteigerung am 31.01.1863 im Ulmer Landboten.
Bei der Versteigerung mit vorheriger Bekanntgabe der Bedingungen erhielt nach 60 (!) Geboten, beginnend bei 2100 fl, der Schreiner Konrad Kunzmann mit 3520 fl den Zuschlag. Das Kaplanhaus wurde am 17.03.1863 versteigert, hier erhielt nach 8 Geboten, beginnend bei 700 fl, Josef Glassenhart mit 1005 fl den Zuschlag. Der Pfarrstadel an der Mauer verblieb bei der Stadt zur Nutzung durch die Pfarrei.
Mit der Genehmigung des Vorgangs durch das Bezirksamt Illertissen am 25.04.1863 endete die öffentliche Nutzung des alten Pfarrhofs.
[Wenn Sie hierüber mehr wissen wollen]
Hauptsache 2. Akt: Bau eines Rathauses mit Schrannenhalle9
Mit einem Beschluss vom 30.01.1857 beginnt der nächste Akt der Rathausplanung. Civilbauinspektor Freiherr Georg von Stengel war auch in die Planung der Friedhofserweiterung mit Leichenhalle eingebunden. Seine Entwürfe für die neue Leichenhalle und das Rathaus schienen dem Magistrat aber zu kostspielig, so dass im Rahmen der Beratung über die Planung beschlossen wurde
…. in Erwägung dagegen, daß das gegenwärtig bestehende Schrannenhaus nicht allein äußerst baufällig, sondern bei der fortwährend sich steigenden Belegung des Schrannen-Verkehrs zu beschränkt und deshalb die Herstellung eines neuen zweckmäßigen Schrannen-Hauses ein viel dringenderes Bedürfnis ist, in Erwägung jedoch, daß die Ausführung des Neubaus eines Rath- und Schrannen-Hauses nach den bereits vorliegenden Plänen viel zu großartig und für die Kommune zu kostspielig erscheint und mit den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen keineswegs in Einklang steht, beschlossen, vorläufig den Neubau eines Leichenhauses auf dem Gottesacker in Suspense zu belassen und dagegen unter Zurücksetzung der früheren projektierten Neubaus eines Rath- und Schrannenhauses eine den Bedürfnissen angemessene Schrannenhalle mit gusseisernen Säulen herzustellen, das Programm hierüber zu entwerfen, zu beraten, sodann Pläne und Kostenvoranschläge von einem kunstgeübten Techniker einzuholen, sodann die in dieser Gelegenheit weiter nothwendigen Schritte vorzulassen.
Am 27.02.1857 beriet der Magistrat dann schon über ein von Maurermeister Kerner erarbeitetes Raumprogramm. Kerner legte dabei einen Rohentwurf vor, der das Rathaus und die Schranne unter einem Dach vorsah, welches giebelständig zur Hauptstraße stehen sollte und den gesamten zur Verfügung stehenden Platz ausfüllen sollte. Die Gemeindebevollmächtigten hielten bei ihrer Beratung die projektierte Schrannenhalle aber nicht für groß genug und empfahlen, die ca. 90 cm weiten Dachvorsprünge zu unterbauen. Auch wandten sie sich gegen eine Dachdeckung aus Schiefer. Sie empfahlen die Institution einer gemeinsamen Commission.
Erstentwurf Maurermeister Kerner, Februar 1857
Daraus kann geschlossen werden, dass mehrere Jahre lang über den Rathausbau nicht mehr beraten wurde, denn man hatte ja bereits 1847 eine solche Kommission bestimmt, die ansonsten ja weiter fortbestanden hätte.
Der Keller unter der Schranne gehörte dem Engelwirt Kircher, der diesen als Bierkeller nutzt. Um den Schrannenneubau durchführen zu können, trat man mit Kircher am 20.03.1857 in Kaufverhandlungen. Kircher verlangte für den Keller 2000 fl mit der Begründung, er müsse sich dafür einen neuen Bierkeller außerhalb der Stadt bauen, welcher diese Kosten benötigen würde. Er erklärte sich aber auch bereit, für den Preis von 10.500 fl seinen Gasthof (damals noch der Vorgängerbau des heutigen Engel) auch zu verkaufen.
Am 24.06.1857 wurde eine gemeinsame Kommission gebildet, zu der die Maurermeister Kerner und Deibler sowie Zimmermeister Gaiser als Sachverständige benannt wurden.
Das Grundstück für den Rathausbau wurde am 02.07.1857 abgesteckt. Man ermittelte, dass für die Schranne 5962 Quadratfuß (ca. 580 m²) Fläche zur Verfügung stehe, auf welcher 1764 Schäffelsäcke aufgestellt werden könnten. Unter Mitbenutzung der Außenflächen könnten max. 2214 Säcke aufgestellt werden.
Im Zuge der Mediation wurde das ehem. Fuggersche Herrschaftgericht am 10.10.1848 aufgelöst. Es war dann zu dieser Zeit eine Verlegung von Ämtern im Gespräch. Die G.B. stellten daher am 16.08.1857 den Antrag, die Behandlung des Rathausneubaus noch zurückzustellen, bis entschieden sei, ob Weißenhorn Sitz des Landgerichts werde.
Ohne dies abzuwarten wurden am 08.11.1857 die Beratungen zur Schranne wieder aufgenommen. Die G.B. sprachen sich dafür aus, das Angebot des Engelwirts um Ankauf seines Gasthofs nicht anzunehmen, die neue Schranne aber auch nicht nach den vorliegenden Plänen zu bauen, da so nicht genügend Getreidesäcke untergebracht werden können. Es wurde vorgeschlagen, einen Plan nach Vorbild der Münchener Schranne im kleineren Umfang zu entwerfen.
Ohne dass ein Auftragsschreiben im Akt enthalten ist, zeichnete Maurermeister Deibler einen Entwurf, stellte diesen am 12.11.1857 dem Stadtschreiber Huber vor und gab seine Erläuterungen zu Protokoll. Nach diesem Plan war die Schranne 21,85 m lang und 12,48 m breit geplant mit einer Nutzfläche von 1755 Quadratfuß (~171 m²). Als Schrannenhalle war eine erdgeschossige offene Halle mit abgewalmtem Dach in gusseiserner Konstruktion vorgesehen mit den Maßen 28,70 / 17,47 m mit einer Fläche von ca. 502 m², auf welcher 2100 Schäffelsäcke unterzubringen wären, unter den Vordächern weitere 400 Säcke.
Entwurf Maurermeister Deibler als offene Schrannenhalle, November 1857
Das Landgericht Roggenburg forderte einige Planergänzungen, u.a. eine Aufstellung über die Schrannenverkäufe der letzten 10 Jahre, welche die Stadt am 30.11.1857 vorlegte.
In gemeinsamer Sitzung des Magistrats mit den G.B. wurde am 14.12.1857 das Raumprogramm diskutiert und festgelegt. Neben der Festlegung des Bauplatzes auf Abbruch der alten Schranne sollte die neue Schrannenhalle als geschlossene Halle errichtet werden, da die Getreidehändler, die auch die Münchner Schranne bedienten, deren offenen Bau für unpraktisch hielten. Die Dachvorsprünge sollten ‘im schweizer Stil’ hergestellt werden, als Tore wären Schiebetore vorzusehen. Der Keller des Engelwirts solle unverzüglich erworben werden. Es wurde weiterhin ein Platz für mind. 2000 Schäffelsäcke für erforderlich gehalten. Die Planung sollte Maurermeister Deibler übernehmen, alle Handwerkerleistungen sollten öffentlich ausgeschrieben werden.
Bereits am 27.12.1857 stellte Maurermeister Deibler Bürgermeister Jann und Stadtschreiber Huber seinen neuen Entwurf vor. Er habe zuerst einen Bestandsplan des Kellers, einen Lageplan und ein Nivellement des Geländes hergestellt. Der Baukörper wurde in einer Größe von 133 x 60 Fuß (41,50 x 18,72 m) in zwei Geschossen geplant und hätte im EG Platz für 1880 Schäffelsäcke geboten, im 1. OG sollten 2 Fruchtböden für je 600 Säcke angebracht und über einen Aufzug verbunden werden. Der Deiblersche Entwurf wurde von der gemeinsamen Kommission gebilligt und beschlossen, die Vorarbeiten fortzuführen.
Entwurf Maurermeister Deibler als geschlossene Schrannenhalle, Dezember 1857
Am gleichen Tag (27.12.1857) schätzten Maurermeister Deibler und Zimmermeister Gaiser gemeinsam den Wert des Kellers des Engelwirts unter der Schranne auf 400 fl und erhöhten wegen der besonderen Umstände auf 600 fl. Das kam Magistrat und G.B. wohl etwas zu niedrig vor, sie boten dem Engelwirt für seinen Keller einen Preis von 1200 fl, weil er gezwungen sei einen neuen Keller zu bauen der von seiner Wirtschaft weiter entfernt sei. Falls Kircher das Angebot nicht annähme, wäre das ‘Expropriationsgesetz’ [Enteignung] anzuwenden. Hiervon ließ sich Kircher aber nicht einschüchtern, er lehnte das Angebot ab und betsand auf seiner Forderung. Am 28.02.1857 kam Kircher der Stadt etwas entgegen und reduzierte seine Forderung auf 1800 fl. Auf diesen Vorschlag ging die Kommission ein.
Kircher erbaute übrigens mit dem Kaufpreis in der Hagenthalerstr. 20 sofort im Jahr 1858 den sog. Engelkeller, der bis ca. 1970 auch als Biergarten betrieben wurde. 2006 wurde der Engelkeller abgebrochen und das Grundstück mit Wohnhäusern bebaut.
Maurermeister Deibler fertigte danach die Reinzeichnung seines Entwurfs, die am 07.01.1858 beim LG Roggenburg eingereicht wird.
Am 10.02.1858 hatte das LG Roggenburg die vorgelegte Planung genehmigt. Für die geschätzten Baukosten der Schranne von 36.000 fl erarbeitete die Stadt einen Schuldentilgungsplan, nach welchem die Summe bis zum Jahr 1865 abzuzahlen gewesen wäre. Der Plan des Maurermeisters Deibler, der Kostenvoranschlag, der Schuldentilgungsplan und die Erwerbung des Kellers wurden von der Baukommission gebilligt und am 18.06.1858 zur Genehmigung beim LG Roggenburg eingereicht.
Drei Tage später forderte das LG Roggenburg eine ausdrückliche Stellungnahme der Gemeindebevollmächtigten, die die Stadt am 27.06.1858 herbeiführte und den Vorgang am 28.07.1858 an das LG zurücksendete. Wegen des Umfangs der Baumaßnahme hielt das LG eine allerhöchste Genehmigung durch den König für erforderlich und leitete die Akten nach München weiter.
Die Stadt beantragte am 16.07.1858 beim LG Roggenburg die Betreuung der Baumaßnahme durch die kgl. Bauinspection Illertissen. Bereits am nächsten Tag teilte das LG mit, dass die Bauinspection die Baubetreuung nicht als öffentliche Behörde übernehmen könne, sie sei aber befugt, in speziellen Fällen die Bauführung von Gemeindebauten zu übernehmen, wenn sie hierzu von der Gemeinde beauftragt werde. Noch am gleichen Tag fragte der Magistrat bei der Bauinspektion Illertissen an. Die Stellungnahme des kgl. Baubeamten Kröber von Illertissen ist im Akt nicht enthalten, nur die Weiterleitung seiner Erklärung an das LG.
Dem Innenministerium missfiel aber die vorgelegte Planung. Am 01.09.1858 gab es seine Stellungnahme ab:
Nach der beachtlichen Vorlage vom 25. des Monats soll das zu Weißenhorn neu zu erbauende Rathaus mit Schrannenhalle nicht alle Amtslokalitäten enthalten, so daß künftig die Amts- und Kassen-Lokalitäten in einem anderen Gebäude verbleiben, die Sitzungszimmer nebst Arrest aber in das neue Rathaus verlegt werden. Diese unzweckmäßige Einteilung kann bei einem noch überdies kostspieligen Neubau nicht gebilligt werden, vielmehr ist in Erwägung zu nehmen, dem Neubau eine solche Einrichtung zu geben, daß sämtliche Magistratlichen Lokalitäten darin untergebracht werden oder, wenn die damaligen magistratischen Amtslokalitäten zweckmäßig sind, sonach keine Verwendung erheischen der Neubau auf den Bau einer Schrannenhalle beschränkt werde. Sofern dem Ersteren der Vorzug gegeben wird, fällt das damalige magistratische Amtslokal der Gemeinde zu anderweiter Verfügung anheim und ist offen möglichst nutzbringender Verwendung oder Benutzung in Betracht zu nehmen.
Deibler überarbeitete die Pläne noch einmal. Die neuen Pläne wurden am 20.09.1858 dem Landgericht vorgelegt. Doch auch diese Pläne vermochten scheinbar nicht voll zu überzeugen. Am 01.02.1859 gab die Regierung in Augsburg ihre Stellungnahme ab:
Der an die höchste Stelle in Vorlage gebrachte Plan zu dem Neubau eines Rath- und Schrannenhauses in Weißenhorn wurde durch den Bau-Kunstausschuß bezüglich der Facade nach dem beiliegenden Plan abgeändert. Durch diese Abänderung ist auch eine teilweise Abänderung der Grundpläne bedingt, so soll hierzu ein neuer Kostenvoranschlag angefertigt, sodann die Zustimmung der Gemeinde zur Ausführung dieser Planung unter Nachreichung der Kostendeckung erholt werden. Zur Beschleunigung der Sache wurde die Anfertigung des Kostenvoranschlages dem königlichen Kreis-Baubeamten Freiherr von Stengel übertragen welcher bereits eine Kopie des neuen Plans gewonnen hat, welcher sodann die neuen Elaborate mit den früheren dem Magistrat Weißenhorn unmittelbar zur Beschlußfassung und Nachweisung der Mittel zu stellen wird.
Das war zum einen eine symbolische Ohrfeige für den Planer und ein klares Beispiel für Protegierung eines genehmen Planers.
Freiherr von Stengel machte sich wohl sofort an die Arbeit, denn schon am 20.02.1859 kündigte er der Stadt seinen Besuch für den 25.02.1859 an:
Hoher Regierungsauflage zufolge habe ich die von höchster Stelle herabgegebene neuen Ansicht für das Weißenhorner Schrannenhaus nunmehr die Grundpläne angepaßt welche einer vollständigen Überarbeitung bedurften und den Kosten-Anschlag hiernach veranlaßt, welcher nunmehr die hohe Summe von 52.000 Gulden erreicht. Ehe ich diesen der Reinschrift übergebe möchte ich Plan und Anschlag vorerst einem verehrlichen Stadtmagistrate oder einem hierzu bestimmten Comitée vorlegen und werde hierzu am künftigen Freitag den 25. in Weißenhorn eintreffen damit wenn noch Abänderungen gewünscht werden, solche vorher bereinigt werden können.
Am 22.02.1859 trat dann aber das größte Unglück in der Geschichte der Stadt Weißenhorn ein. Um 06:15 Uhr stürzte die Kirche während eines Gottesdienstes ein und begrub 12 Menschen unter sich. Dieses tragische Unglück veränderte schlagartig die Prioritäten.
So beschloss das Baukomitee schon am 24.02.1859, das Projekt eines Rathausneubaus fallen zu lassen, da nach dem Einsturz der Stadtpfarrkirche hohe Kosten auf die Stadt zu deren Wiederherstellung benötigt würden. Das Landgericht beauftragte die Stadt, den kgl. Kreis-Baubeamten Frh.v. Stengel bei seinem angekündigten Ortstermin in Weißenhorn den Zustand der alten Schranne begutachten zu lassen.
Frh.v. Stengel zeigte Verständnis für die Lage der Stadt und hielt seine Ausarbeitungen vorderhand zurück, bis die Rathausfrage zu anderer ruhigerer Zeit wieder in Anregung gebracht werde. Aus der Rathausplanung wurde nichts mehr, dafür spielte Stengel aber beim Neubau der Pfarrkirche in der Anfangsphase eine bedeutende Rolle.
Das LG Roggenburg akzeptierte am 01.03.1859 die Zurückstellung des Neubaus.
Somit war der Plan zum Neubau eines Rat- und Schrannenhauses schon Makulatur und das Vorhaben Geschichte geworden.
Nachspiel: Reparatur der Schranne und Zwischendach
Durch den Einsturz der Kirche war man nun vorsichtig geworden und wollte nicht, dass bei der Schranne, deren schlechten Bauzustand man ja immer betont hatte, etwas Ähnliches passiert.
So empfahl das LG Roggenburg dem Magistrat, den baulichen Zustand und die Sicherheit des alten Schrannengebäudes untersuchen zu lassen. Das LG beauftragte am 11.03.1859 den kgl. Baubeamten Stuiber von Illertissen mit einem technischen Gutachten über die Schranne. Dieser fertigte am 09.03.1859 (also schon vor der Auftragsvergabe!) das technische Gutachten und bescheinigte der Schranne trotz ihres hohen Alters eine weitere Nutzbarkeit von 8 Jahren und schlug Reparaturen vor, insbesondere die Unterstützung der Deckenbalken und das Vermörteln oder Verschalen der Ausmauerungen. Bauinspizient Engelhard meldete am 05.05.1859, dass ‘sämtliche Baugebrechen, wie selber im technischen Gutachten verzeichnet, vollständig gewendet sind’.
Doch man war sich der Stabilität des Gebäudes wohl doch noch nicht so ganz sicher. Ein Jahr später, am 31.05.1860 inspizierte der kgl. Kreisbaubeamte Hoffman im Rahmen einer Dienstreise nach Günzburg auch die Schranne in Weißenhorn und analysierte nach einer gründlichen Baubeschreibung die aufgetretenen Schäden des Balkenwerks. Er stellte unfachgemäße Reparaturen der Konstruktion fest und bemängelte das Entfernen von Streben und Absägen oder Durchbohren von Balken, was er als Flickwerk bezeichnet.
Ergänzend zum Gutachten der Illertisser Baubehörde schlägt Hoffman vor, 1. die auf dem Kellergewölbe stehende Holzstütze des EG zu unterfangen, 2. die gemauerten Sockel der Stützen des EG durch Sandsteinsockel zu ersetzen, 3. Zwischen die Stützen [C3 + C4] soll ein weiteres Tragjoch gebaut werden, 4. alle Stützen wieder mit eichenen Streben zu versehen, 5. die Außenwände mit Schlaudern zu verbinden, 6. die 3 bestehenden ‘kolossalen’ Kamine abzutragen und nur 2 notwendige wieder neu aufzuführen und 7. die ausgewichenen Umfassungswände auf der Ostseite mit den Zwischenwänden durch Schlaudern zu verbinden. Nach diesen Maßnahmen könne die Schranne 10 weitere Jahre bestehen bleiben.
Am 09.06.1860 ordnete das LG die sofortige Durchführung der Arbeiten gem. Gutachten und Vollzugmeldung binnen 3 Monaten an. Im Juni 1860 fertigte Maurermeister Deibler eine Kostenberechnung für die Reparaturarbeiten mit Konstruktionsvorschlägen für 546 fl 54 x. Am 22.09.1860 beschloss der Magistrat, die hiesigen Maurer- und Zimmermeister zu Angeboten aufzufordern. Am 26.09.1860 war das Submissions-Anerbieten, von Zimmermeister Gaiser für 397 fl 39 x, Maurermeister Kerner für 400 fl und Zimmermeister Bettighofer für 476 fl, Maurermeister Deibler verlangte die von ihm geschätzten 546 fl. Die Auftragsvergabe erfolgte am 28.09.1860 an Zimmermeister Gaiser. Am 05.01.1860 wurden die Reparaturarbeiten durch die Baubehörde Illertissen abgenommen und am 21.02.1861 der Vollzug und Abschluss der Arbeiten an das LG gemeldet.
Weil aus dem Schrannenneubau nichts mehr wurde, aber dringender Bedarf für die Unterbringung der Sommerfrüchte an Markttagen bestand, musste schnell eine Lösung her. Scheinbar war zunächst dringender Baubedarf an den Dachrinnen vorhanden. Am 04.03.1859 holte man zwei Spenglerangebote von Wörsing und Bader ein, die beide auf 49 fl lauteten. Am 11.03.1859 wählte man dann aber doch die billigeren städt. hölzernen Röhren.
Für den Neubau eines Rathauses hatte die Stadt den Keller unter der Schranne, der dem Engelwirt Kircher gehörte, am 01.03.1858 für 1800 fl gekauft. Nachdem der Rathausbau nun wegen des Kircheneinsturzes nicht durchgeführt werden konnte, verpachtete die Stadt den Keller wieder. Nach öffentlicher Bekanntmachung der Pachtversteigerung erschien zum Termin am 22.11.1860 aber niemand. Der Engelwirt Sebastian Kircher, früherer Besitzer des Kellers, erklärte sich am 28.11.1861 (also ein Jahr später) bereit, den Keller für 3 fl im Jahr zu pachten. Das war der Stadt aber zu wenig, sie verlangte 8 fl/a. Das war Kircher nun zuviel und er verzichtete auf den Keller. Erst im folgenden Jahr 1862 konnte mit dem Seifensieder Nepomuk Reißer ein Pächter für 5 fl/a gefunden werden. 1863 ging die Pacht an Joseph Sälzle für 4 fl 30 x, von 1864-1865 an Thaddäus Hörmann (Löwenwirt) und von 1866-1874 an Anton Harder (Hasenwirt).
Im Herbst 1860 holte man Entwürfe und Kostenvoranschläge über eine Überdachung zwischen Schranne und der Hilfsschranne Hs.Nr 34 von Zimmermeister Gaiser für 209 fl 10 x und Zimmermeister Bettighofer für 215 fl 41 x ein. Den Auftrag erhielt Zimmermeister Gaiser für eine Dachdeckung aus moderner Dachpappe. Mit der Lieferung der Steindachpappe wurde die Fa. Ludwig Hiebler, chemisch-technische Fabrik in Donauwörth, beauftragt, welche eine Garantie von 1 Jahr auf die Dachpappe anbot.
Das Dachpappedach entsprach aber nicht den Erwartungen, bereits nach einem halben Jahr wurden Löcher bemerkt, weswegen die Garantie der Fa. eingefordert wurde. Über die Abwicklung des Garantiefalls sind keine Akten vorhanden.
1872 waren dann auch die Tage dieses Zwischenbaus gezählt. Das alte Badersche Haus wurde abgebrochen und an dieser Stelle die heute noch stehende Sommerschranne errichtet. Damit beginnt ein neues Kapitel der Schrannengeschichte.
- Stadtarchiv B 84-60: Bernhart Bayr verkauft oder übergibt das Haus Hauptstr. 13 (Hasen) um 1556 an Conrad Claus. Er erwirbt das Haus Sebastian-Sailer-Str. 1 und den Bauplatz hinter der Schranne, wo er 1559 das Haus Sebastian-Sailer-Str. x erbaut. Die beiden Gebäude gehören fortan dem gleichen Eigentümer, wobei das Haus SS01 vermutlich untergeordnet oder als Stadel genutzt wurde. ↩︎
- Stadtarchiv B 84-61: Ludwig Gempfher Schreiber und Vogt in der Herrschaft und Grafschafft Achbug (?), erwirbt das Haus Martin-Kuen-Str. 2 und den Bauplatz hinter der Schranne und errichtet über beide Grundstücke einen Neubau. Ludwig Gempfher, später auch Glöpfer geschrieben, zog wohl nach Weißenhorn, denn später ist sein Titel als Vogt nicht mehr erwähnt. Da er mit 10 fl Steuer veranlagt wurde, ist von einem Neubau auszugehen. ↩︎
- Stadtarchiv A 114/100 ↩︎
- Stadtarchiv A 114/10 ↩︎
- Stadtarchiv A 114/100 ↩︎
- Stadtarchiv A 220/9 ↩︎
- neben der alten Stadtpfarrkirche, abgebrochen für den Kirchenneubau ↩︎
- Stadtarchiv A 220/10 ↩︎
- Stadtarchiv A 115/35 ↩︎