Hauptplatz 4 – ehem. Österr. Zollhaus
19. September 2021/Lageplan
In Weißenhorn war das Haus Hauptplatz 4 das Erzfürstlich Österreichische Zollhaus, das besonders auch den Salzzoll zu überwachen hatte. Bis 1982 drehte sich auf diesem Haus als Wetterfahne der österreichische Doppeladler als letztes Symbol seiner einstigen Bestimmung. Interessant ist die Auseinandersetzung über den Einbau eines Cafés im 19. Jhdt.
Inhalt
Erster Vorgängerbau
Der erste archivalisch bestimmbare Eigentümer ist hier 1465 Jacob Schlegel. Eigentümer vor 1465 sind archivalisch nicht feststellbar. 1475 gehört das Haus Peter Schlegel, dem auch das Vorgängergebäude Fuggerstr. 2b gehörte. 1507 ist Peter Schlegels Witib Eigentümerin, 1508 Peter Schlegels Witib und Jacob Schlegel (der Sohn?). 1509 wechselt Jacob Schlegel auf Reichenbacher Str. 1, wohl während der Bauzeit seines neuen Hauses, und kommt 1511 hierher zurück. Es wird angenommen, dass das Haus zu dieser Zeit neu erbaut wurde.
Zweiter Vorgängerbau
1511 erscheint Jacob Schlegel wieder von Reichenbacher Str. 1 zurück in das neu erbaute Haus. 1515 wohnen hier Jacob Schlegel und Jacob Sayler (vorher Hauptplatz 6). Für die Jahre 1518-1548 liegen keine Aufzeichnungen vor. 1548 ist der Bleicher Hans Seytz Eigentümer und bleibt auf diesem Haus bis 1572.
Im Jahr 1575 ist Lenhart Kauth, Zoller, hier als Bewohner verzeichnet. Er ist nicht als Bürger aufgeführt! Nachdem Weißenhorn zur damaligen Zeit zu Vorderösterreich gehörte, strebte die kaiserliche Verwaltung eine verbesserte Steuereinnahme an und setzte auch hier ein Steueramt ein. Der Zoller war kaiserl. Untertan und hatte daher hier kein Bürgerrecht. 1601 ist Hans Käckh, Frh. Markgräfl. Zoller, hier Einwohner und auch steuerpflichtig. 1614 wohnt hier seine Witwe. Die Immobilie ist als Behausung und Stadel mit einem Wert von 455 fl beschrieben.
Neubau 1620
1623 ist Christoph Schwarz der Zoller, ab 1629 österr. Zoller genannt; Behausung und Stadel haben einen Wert von 1000 fl. Zwischen 1614 und 1623 wurde der Wert des Gebäudes von 450 fl auf 1000 fl heraufgesetzt. Das lässt auf einen Neubau schließen, wobei nicht ersichtlich ist wann der Bau erfolgte und wer als Bauherr auftrat.
1636 ist das Haus jetzt als Österreichisches Zollhaus bezeichnet; vermutlich wurde es nun von der Markgrafschaft gekauft; Wert 800 fl. 1660 lautet die Bezeichnung Erzfürstlich Österreichisches Zollhaus; Jörg Schmid ist als Zoller erwähnt. 1674 übernimmt Andreas Claus (Hauptstr. 3) den Dienst als oberösterreichischer Hochzoller und zieht vermutlich nach 1679 auch hierhin, denn 1679 stirbt Anna Schmid, Witwe des Jörg Schmid. Ihr Erbe wird aufgeteilt.
Von 1674 bis ca. 1692 wird Andreas Claus als österreichischer Hochzoller genannt. Er wohnt wohl hier im Haus, besitzt aber auch noch das Haus Hauptstr. 3. Um 169x wird er noch kurz auf dem Haus Wettbach 16 genannt, ab 1691 auch noch auf Wettbach 12. Es wird sich hier um Zweitbesitze handeln, er dürfte dort nicht gewohnt haben. Andreas Claus stirbt am 04.08.1716. Das Erbe wird aufgeteilt. Im Inventarium wird kein Grundbesitz aufgeführt, demnach dürfte er das Haus Hauptstr. 3 bereits verkauft oder übergeben haben. Seine Witwe Anna Claus stirbt am 13.01.1733. Auch in ihrem Inventarium ist kein Grundbesitz aufgeführt.
Als Nachfolger von Andreas Claus kommt Josef Zollicher als Zoller (Name und Beruf sind gleich!). Er stirbt am 13.09.1756. sein Erbe wird aufgeteilt (kein Grundbesitz). Seine Ehefrau Magdalena lebt noch bis zum 20.01.1764.
Am 25.10.1757 heiratet Anton Stüx, Wundarzt aus Burgau, Sohn des Bürgermeisters Joseph Stüx aus Burgau, die Jungfrau Maria Anna Amann, Tochter des Andreas Amann [MM26], (Nichte der Magdalena Zollicher) und übernimmt den Posten des KK-Hochzollers. Um die Stelle zu bekommen, muss er eine Kaution von 150 fl hinterlegen, für die er einen Kredit aufnehmen muss. Am 10.04.1766 heiratet Anton Stüx in zweiter Ehe die Jungfrau Maria Josepha Magdalena Catharina Müller, Tochter des Fugg. Kanzleidirectors Benedict Müller und seiner Ehefrau Maria Franziska seel. Anton Stüx stirbt am 05.06.1772. Er hinterlässt drei Kinder aus erster Ehe, für die bis 1783 verordnete Pfleger das Erbe verwalten. Bei den Kindern handelt es sich um Maria (6 Jahre) (ca. 1781 als Jehle verheiratet), Edda (Idda) (8 Jahre) und Nepomuk.
Die Witwe Stüx heiratet am 05.04.1773 den Wachszieher Thaddäus Jann, jetzt O.Ö. Hochzoller in Weißenhorn, Sohn des Bonifacius Jann [WB05x]. Jann konnte das Haus 1773 kaufen, so dass er auch Eigentümer war Dieses Zollhaus ist von einem Bürger ea conditione erkauft word, daß der Contract gemeiner Stadt und ihren hergebrachten Juribus im Mindesten nachtheilig seye mithin ist Civitas in den Contract mit eingezogen worden und wird obige Steur Kaufcontract mäßig bezahlt, und ist bey nebens Zoller bishero so wohl in realibg ac personalibg auch für sich der Stadt responsable gewesten. 1786 wird das Gebäude im Einwohnerverzeichnis als Kaiserl. Zollhaus bezeichnet.
Im Frieden von Pressburg 1805 musste Österreich seine vorderösterreichischen Besitztümer angeben, die dann 1806 dem neuentstandenen Königreich Bayern einverleibt wurden. Es ist nicht erkennbar, wem das Haus dann gehörte, wer es wie nutzte. Nachdem im Einwohnerverzeichnis 1818 bereits Johanna Abt hier eingetragen ist, deren Mann auch 1818 starb, kann angenommen werden, dass der Wachszieher Abt schon früher auf diesem Haus war und so eine privat/geschäftliche Beziehung zum Wachszieher Jann bestand.
Exkurs: Dissens über den Einbau eines Cafés 1828-1862
Josef Abt hat 1821 die Wachszieherei von seinem Vater übernommen. Er hat das Handwerk bei Wachszieher Schmid in Weißenhorn erlernt und beantragt die Befreiung von der Wanderpflicht, da der Vater bereits 1818 gestorben sei und er den Betrieb führen und seine Mutter unterhalten müsse. Außerdem möchte er die Krämerlizenz wieder aufnehmen. Der Magistrat ruft die anderen örtlichen Krämer vor, die keine Einwände erheben. Das LG Roggenburg dispensiert von der Pflicht zur Wanderschaft und der Magistrat erteilt die beantragte Konzession.
1828 beantragt der Wachszieher Jos. Abt, Kaffee, Bier, Wein und gebrannte Getränke ausschenken sowie einen Billard-Tisch aufstellen zu dürfen. Schon früher habe in diesem Haus ein Billard gestanden. Auch könne er die Gäste in einem großen Keller bewirten. Der Magistrat lehnte das Gesuch ab: In Erwägung, daß hier Uiberfluß an Bier- und Weinschänken ist, weder der Genuß des Kaffe noch das Billardspiel Bedürfnis ist, und ähnliche Gesuche deshalb schon früher nicht nur vom Magistrat sondern selbst von der k. Regierung abgewisen worden sind, u. zudem Abt als Wachszimmer, Lebzelter u. Spezereihändler hinlänglichen Erwerb sich zu schaffen Gelegenheit hat, so wird dessen Gesuch als unbegründet abgewiesen. Der hiergegen gerichtete Widerspruch bei der Regierung hatte keinen Erfolg: indem für Weißenhorn daß Bedürfnis eines eigenen Kaffeeschenke mit Billard umsoweniger existirt als in einer jeden Taferne auf Verlangen Kaffe ausgeschenkt wird, und es einem jeden conceßionirten Wirth unbenommen ist zur Unterhaltung seiner Gäste ein BIllard aufzustellen.
1830 versucht Josef Abt es ein zweites Mal. Das erneuerte Gesuch des Jos. Abt wurde aber wiederum abgewiesen. Abt ließ sich nicht entmutigen und stellte 1833 noch einmal einen Antrag auf ein Café. Aber auch dieses Gesuch um die Kaffee-Konzession wurde wiederum abgewiesen und von der Regierung bestätigt. Jos. Abt versuchte etwas anderes und wollte 1840 eine ‘Lohnrössler’-Konzession erhalten. Lohnrössler waren die Vorgänger des Taxi, also ein Personen-Fuhrunternehmen. Doch auch das war nicht so leicht, das LG Roggenburg lehnte den Antrag auf Erteilung einer Lohnrössler-Konzession wegen mangelnden Bedürfnisses ab.
1849 übergab Jos. Abt Spezerei und Wachszieherei an seinen Sohn Josef Abt ab. 1850 baut er einen Schweinestall an
den rückwärtigen Stadel an. 1851 macht er es seinem Vater gleich: Er beantragt die Konzession für ein Café. Aber auch 23 Jahre nach dem ersten Antrag war man nicht liberaler geworden. Die beantragte Konzession für eine Konditorei wurde dem Josef Abt nicht erteilt, weil er die erforderliche Lehr- und Wanderzeit als Konditor nicht nachweisen konnte. Er konnte 1852 aber eine Wanderdispens erhalten und hatte die Meisterprüfung als Konditor in Dillingen abgelegt. Er beantragte somit erneut eine Konzession als Konditor. Der Magistrat erkundigte sich daraufhin bei den Städten Günzburg, Memmingen und Kempten nach deren Erfahrungen mit Konditoreien und ob diese auch eine Konzession zum Branntweinausschank besitzen. In Günzburg dürfen die Konditoren keine hochprozentigen Alkoholgetränke ausschenken, aber Likör, Punsch und Glühwein. Ebenso antworten Memmingen und Kempten. Der Magistrat lehnte das Gesuch nochmals ab, weil Abt die vorgeschriebene Lehr- und Wanderzeit nicht abgeleistet und sich das Prüfungszeugnis daher erschlichen habe und kein Bedürfnis nach einer Konditorei in Weißenhorn bestehe. Abt erhob hiergegen Einspruch beim LG Roggenburg mit einer 16-seitigen Rekursschrift, worauf ihm die Regierung in Augsburg die Genehmigung erteilte und das Prüfungszeugnis bestätigte. Nachdem das LG Roggenburg also bestätigt hatte, dass nach abgelegter Meisterprüfung eine erneute Lehr- und Wanderzeit nicht mehr erforderlich ist, erteilte der Magistrat die beantragte Konditorei-Konzession. Das Café ging hier aber nicht in Betrieb.
Der Erfolg zog aber natürlich Nachahmer an. 1861 kaufte der Konditor Karl Mack das Haus An der Mauer 7. Es ist aber nicht aktenkundig, dass Mack bereits 1861 An der Mauer eine Konditorei betrieb. Erst 1866 baute er in der östl. Promenade 12 ein Haus und eröffnete dort ein Café.
1862 beantragte Josef Abt eine Konzession als Spezereihändler mit der Begründung, dass in Weißenhorn ein zweiter Konditor ein Geschäft aufgemacht habe. Für die Spezerei habe er eine Prüfung in Günzburg abgelegt und er beruft sich auf ein neues Gesetz, welches mehr Gewerbefreiheit zusichert. Der Magistrat lehnte die Konzession aber ab, da sich schon zu viele Spezerei-Händler in der Stadt befänden. Auch die Regierung hielt diese Entscheidung. Daraufhin beantragte er eine Konzession zum Personentransport mit einem einspännigen Fuhrwerk – wie schon sein Vater 1840 -, welche er vom Magistrat dann auch erhielt.
Nutzung als Laden
1865 hat Josef Abt ohne Baugenehmigung einen Stadel begonnen. Das Vorhaben wurde dennoch nachträglich genehmigt.
1875 ging das Haus an den Färbermeister Georg Linder. 1881 wölbte dieser den Stall neu. Ende des 19. Jhdt. wurde ein Laden eingebaut, der allerdings im Bauplanverzeichnis nicht enthalten ist.
1906 war der Kaufmann Franz Reißler Eigentümer des Hauses, 1922 seine Witwe Therese, die auch noch 1932 den Laden betreibt. 1948 hat sie sich zur Ruhe gesetzt und Emilie Bauer führt das Textilwarengeschäft.
1955 lässt Therese Reißler das Haus umbauen. Der Laden wurde aufgegeben und die Schaufenster zu normalen Fenstern zurückgebaut. Der Eingang des Gebäudes wurde auf die Nordseite verlegt. 1959 ist das Hauseigentum an Eduard Singer übergegangen. 1968 wird der baufällige Dachstuhl des rückwärtigen Nebengebäudes abgebrochen und durch ein flaches Dach auf dem bestehenden hohen Kniestock ersetzt. Um 1980 erfolgt ein erneuter Eigentümerwechsel.
1982 wird in das Gebäude wieder einen Laden eingebaut. Auf der Platzseite und auf der Nordseite werden Schaufenster eingebaut. Der Laden erhält einen Zugang zum Hauptplatz. Der Eingang in das Wohnhaus wird nach Osten verschoben. Das DG wird ausgebaut und mit Gauben versehen. Das flache Dach des Anbaus und der hohe Kniestock werden abgebrochen und durch ein Steildach ersetzt. Der Laden wird für einen Rundfunk- und Fernsehbetrieb genutzt, der 1986 eine entsprechende Werbeanlage erhält. 1998 wird die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zum Einbau von Kunststofffenstern mit Sprossenteilung erteilt.
2001 wird der Rundfunk- und Fernsehbetrieb in die Memminger Str. 20 verlegt. Nach Schließung des Farbengeschäftes Lecheler in der Hauptstr. 3 übernimmt Karin Treu 2003 den Betrieb und richtet am Hauptplatz ein Bastelgeschäft ein. 2013 werden auf dem Nebengebäude 2 Dachgauben errichtet und 2014 die Wohnung neu aufgeteilt.
2024 wird das Bastelgeschäft aufgegeben und nach nochmaligem Umbau des Ladens zieht die Goldschmiede von der Bahnhofstr. 3 hier ein.