Die äußere Badstube – Gasthof Deutscher Kaiser – Illerberger Str. 9
5. September 2021/No Comments
Der heutige Gasthof Deutscher Kaiser besteht seit vor 1475 und zählt somit zu den ältesten im Kern erhaltenen Gebäuden der Stadt. Bis 1836 war hier die äußere Badstube, dann als Wohnhaus und seit 1865 als Gaststätte genutzt. Blicken wir zurück auf eine bewegte Geschichte. Lageplan
Die Stadt Weißenhorn besaß zwei Badstuben, die als kaiserliches Lehen vergeben wurden, die Innere Badstube (Wettbach 6) und die Äußere oder Obere Badstube Illerberger Str. 9. Beide bestanden schon 1475.
Auf der Oberen Badstube ist 1475 Hans Bader verzeichnet mit dem Zusatz ‘die Stat’. Zum einen ist hiermit gesagt, dass die Badstube der Stadt gehört, zum anderen ist der Name des Baders gleich der Berufsbezeichnung. Weiterhin ist angeführt Stadel by dem Statgrabn by dem bad by dem Pronnen. Demnach muss sich vor dem Haus ein öffentlicher Brunnen befunden haben und zu der Badstube gehörte noch ein Stadel.
Hans Bader ist bis 1501 auf der Oberen Badstube. Ab 1508 ist ein Hans Bader auf Memminger Str. 2 zu finden. Bei ihm wird es sich eher um seinen Sohn handeln. 1502 ist Hanns Laurin genannt. Nach 1502 sind die Bader im Steuerbuch nicht mehr namentlich genannt.
Für die folgenden Jahrhunderte bis zum Ende des Lehenswesens 1806 sind mehrere Urkunden über die Lehensvergabe im Archiv enthalten. Das Lehen wurde als gegenseitiger Vertrag angesehen, bei jedem Wechsel des Herrschers oder des Lehensnehmers wurde eine neue Lehensurkunde ausgestellt. Zuletzt, etwa ab 1788, wurde der Lehensbrief nur noch auf den Bürgermeister ausgestellt, der das Lehen dann selbst weitergeben konnte.
Der älteste Lehensbrief stammt aus dem Jahr 1543. In diesem verleiht Anton Fugger die Badstube an Jörgen Algeuer. 1559 verleiht Georg Fugger an Mathäus Klaiber, 1575 Philipp Eduard Fugger an Jacob Krez. 1614 wird ein Stadel als “außere Baadtstuben gehörigen Stadell” erwähnt. Von 1651 stammt der Lehensbrief von Carl Philipp Fugger an Andreas Schnitzer um die äußere Badstube, 1662 Albrecht Fugger an Johann Seitz, 1674 Friedrich Fugger an Bgm. Johann Seitz.
Der nächste überlieferte Lehensbrief ist fast 100 Jahre jünger, Kaiserin Maria Theresia verleiht an Martin Roth die äußere Badstube am 29.12.1769. In einem Immobilienverzeichnis von 1777 ist die Badstube genau beschrieben: ‘…. welches ein großes ansehet gebäude, aber (?) und im Werth von 850 fl ist, hat zur Zeit Johann Neher gegen wochentliche Abgabe zu 1 fl 4 x. Dann besondere 3 fl fur das Mayen Baade in, wird aber von gemeiner Stadt aus dem besonders dahin gewidmeten Baaderholz mit benothichtem Holz versehen. Wir sehen auch gar nicht wie ein größerer Nuzen zum gemeinen als zur Zeit gezogen werden konte: Ja der anzige Imhabere wünscht anderwertiges Unterkommen, gestalten bey dermalig nöthige Zeite, die beplante Einnahme von Baadenden die Abgabe kümerlich auswerfen solle.’ Aus diesen Bemerkungen ist erkennbar, dass das Einkommen des Baders wohl nicht allzu hoch war.
Am 21.08.1782 verleiht Kaiser Joseph II. an Martin Roth die Äußere Badstube. Martin Roth ist im Einwohnerverzeichnis 1786 als Chirurg genannt. Das hat nichts mit dem heutigen Begriff zu tun, vielmehr wurden die Bader als Chirurgen bezeichnet, weil sie sich auch um Knochenbrüche und Zähne kümmern mussten. Der nächste Lehensbrief stammt vom 03.03.1788, als Kaiser Joseph II das Lehen der Oberen Badstube an Bürgermeister Johann Georg Raffler gibt. Wegen der schnellen Regentenwechsel kommt am 06.06.1791 der nächste Lehensbrief von Kaiser Leopold II., und am 08.08.1793 der letzte Lehensbrief von Kaiser Franz II. Damit ist das Lehenswesen Geschichte. Nach den napoleonischen Kriegen und der Institution des Königreichs Bayern 1806 baut Graf Montgelas einen modernen Staat auf.
1831 ist noch Valentin Roth als Chyrurg genannt, danach wird das Bad aufgelöst. Am 13.05.1836 beschließt der Rat: Nachdem der Magistrat nicht gesinnt ist, das äussere Bad als solches brauchbar herzustellen und für die Zukunft zu unterhalten, indem eine Badeanstalt für die Commune kein absolutes Bedürfniß ist und nicht nur die Herstellung u. bauliche Unterhaltung eine bedeutende Last ist, sondern auch hinsichtlich des jährl. Aufwands an Brennholz sehr kostspielig fällt; so hat der Magistrat einstimmig beschlossen: Solle das äussere Bad samt Stadl u. Garten mit Zugabe der vollständigen Gemeindgerechtigkeit u. der Forst-Nutzung p 1 Klftr Holz u. 200 Wellen gegen 1 fl 27 x Macherlohn denn allen weiteren gemeindlichen Kosten öffentl. verkauft, u. hierüber die Erklärung der Gemeindebevollmächtigten erhollt werden Zu dem Ende wird vor allem die Schätzung vorgekehrt. Am 25.05.1836 schätzen Maurermeister Kerner und Zimmermeister Abt den Wert auf insgesamt 1523 fl. Die Gemeindebevollmächtigten stimmen einem Verkauf zu. Am 28.07.1836 berät der Magistrat erneut über das Bad: Nachdem der Bader Röth mit Todt abgegangen und sich das Vertragsverhältnis aufgelöst hat, in welchem die Commune mit demselben als Badmeister gestanden ist; so hat der Magistrat in Uibereinstimmung mit den G.B. den Verkauf des Badhauses so beschlossen, zu der Genehmigung hiemit die Antwort.
Das äußere Badhaus wird im Allgemeinen Anzeiger für das Königreich Bayern vom 24.08.1836 und im Ulmer Landbothen vom 27.08.1836 zur Versteigerung ausgeschrieben. Am 23.09.1836 wird das Gebäude für 1425 fl an Franz Deubler meistbietend versteigert. Da das Meistgebot aber unter dem Schätzpreis lag, akzeptierte der Magistrat das Ergebnis nicht und schrieb das Haus erneut aus. Beim zweiten Versteigerungstermin am 30.01.1837 war außer Franz Deibler niemand anwesend. Dieser beharrte auf seinem Angebot vom 23.9., sofern niemand mehr biete. Am 30.01.1837 fand nach erneuter Bekanntmachung ein dritter Versteigerungstermin statt. Dieses Mal wurde aber das Wohnhaus und der Stadel getrennt angeboten. Für das Wohnhaus gab Joseph Thalhofer mit 1355 fl und für den Stadel Michael Kircher mit 430 fl das Höchstgebot ab, so dass die Versteigerung zusammen 1785 fl erbrachte. Am 09.03.1837 wurde der Verkauf an den Stadtwirt Josef Thalhofer protokolliert.
Joseph Thalhofer baute die von der Stadt gekaufte äußere Badstube zu einem Wohnhaus um. Nach dem Bauplan sind nur die beiden Giebelwände stehen geblieben.
Am 12.05.1843 übernehmen Thalhofer Nikolaus und Thalhofer Joseph, Schrannenmeister, das Eigentum. 1855 sind Thalhofer Nikolaus und Thalhofer Barbara, Witwe des Joseph Thalhofer, Eigentümer.
Mit Kaufvertrag vom 13.03.1865 erwerben die Ökonomenseheleute Xaver und Barbara Böck die ehem. Obere Badstube. Xaver Böck errichtet hier die damals erste und einzige Most-Kelterei im Landkreis und baut das Gebäude zu einer Gastwirtschaft um. Der Bauantrag stammt bereits aus dem Jahr 1862, d.h., Böck hat diesen schon vor dem Kauf gestellt. 1865 wird eine Backküche mit Schweineställen und Futterkammer hinzugebaut.
Am 26.05.1865 überlässt die Stadt Xaver Böck bei seinem Anwesen Illerberger Str. 9 eine Fläche von 10 Dezimal gegen einen jährlichen Grundzins von 3 fl. Nachdem Xaver Böck 1865 im Versteigerungsverfahren das Anwesen des Hafnermeisters Erlenbauer (Bärengasse 3) erworben hat und zu diesem Anwesen auch die sog. Hafnerbrennhütte am Stadtgraben (östlich Wettbach 27) gehört, bietet er der Stadt die Hütte zum Tausch an. Maurermeister Deibler begutachtet die Hafnerbrennhütte am 04.10.1869: Der Brennofen des Hafnermeister Erlenbaur an der Stadtmauer angebaut, ist 28′ lang, 12′ breit, 8′ hoch mit Ziegelplatten gedeckt, hat mit dem Abbruch der Stadtmauer in soweit der Brennofen angebaut ist, solche auf die jetzt bestehende Höhe abzubrechen, einen Materialwert zum Abbruch von zwanzig fünf Gulden dabei würd bemerckt das der Bauschutt an ort und Stölle Liegen bleiben mus. Böck vertauscht die Brennhütte gegen die Fläche bei seinem Anwesen Illerberger Str. 9, welche er bereits im Jahr 1865 von der Stadt erhalten hat. Die Stadt schreibt sofort nach Vollzug des Tausches die Hütte zum Abbruch aus, verfügt jedoch, dass die an die Stadtmauer angebaute Hütte nur bis auf die Höhe der Stadtmauer abgetragen werden darf. Der Zimmermann Thomas Ott gibt mit 25 fl das höchste Gebot ab. Nach dem Grundstückstausch baut Xaver Böck auf der Westseite des Hauptgebäudes einen Stadel an. Es ist nicht ersichtlich, ob der Stadel wie ursprünglich geplant giebelständig zur Illerberger Str. errichtet wurde oder wie jetzt traufständig. 1879 baut Böck auf seinem Grundstück eine weitere Remise.
Am 16.04.1894 übernimmt der Sohn Fridolin Böck die Gaststätte. Er erneuert die Abortanlagen. Am 08.04.1897 heiratet Fridolin Böck die Ökonomenstochter Agnes Galler von Straß.
Um 1900 verkaufte Johann Goßner das Bräuhaus Kirchplatz 6 an Kajetan Kempfle. Im Zuge dieses Verkaufs konnte Fridolin Böck den Bierkeller des Bräuhauses an der Roggenburger Str. 41 erwerben und als Most-Lagerkeller nutzen.
Im Zeitraum zwischen 1900 und 1914 wurde die Roth reguliert. Hierdurch wurde das Grundstück noch einmal vergrößert und die gewonnene Fläche mit einer Stallerweiterung überbaut. Böck erhielt unentgeltlich eine Fläche von 110 m² aus den Restflächen der Regulierung. 1914 erweitert Fridolin Böck auch seinen Stall.
Am 06.06.1919 erhält (vermutlich der Sohn) Fridolin Böck die Gaststättenkonzession für den Deutschen Kaiser. 1920 wird die Stockwerkshöhe des Hauses von 2,20 auf 2,40 m erhöht. Im Zusammenhang mit dieser Baumaßnahme dürfte das Fachwerk im Giebel freigelegt worden sein. Am 29.02.1924 wird eine Gaststättenkonzession an (den Bruder?) Xaver Böck erteilt.
Um dem Gastwirt Böck die Erbauung eines Nebengebäudes zu ermöglichen, tritt die Stadt am 23.03.1928 aus dem Grundstück 155 eine Teilfläche für 1500 RM ab. Die jetzigen Gartenbesitzer sind zu entschädigen und für die Ableitung des Wassers aus den Nachbargrundstücken ein entspr. dimensionierter Kanal zu bauen. Außerdem hat Böck entlang des Neubaus eine entsprechende Straße zu bauen. Um diesen Bau herstellen zu können, erhält Böck die Gartenparzelle, welche bis dahin von den jeweiligen Eigentümern des Hauses Grimmgasse 4, jetzt Gotthard Linsemann, gepachtet war. Linsemann protestiert gegen dieses Vorgehen, Böck erhält aber dennoch die Genehmigung und Linsemann wird bzgl. seiner Entschädigungsansprüche an Böck auf den Zivilrechtsweg verwiesen. 1929 wird der Zaun am Anwesen erneuert.
Böck baut seine Mosterei ständig aus. 1934 wird ein weiterer Stadel errichtet, 1937 ein Stadel- und Stalleinbau in der Grimmgasse. 1942 wird ein weiterer Abort eingebaut und 1944 eine Schlepper-Garage (‘Bulldog-Raum’). 1950 wird die Außenwand der Gaststätte erneuert, 1953 ein Maschinenschuppen angebaut. 1960 finden weitere Um- und Erweiterungsbauten statt. 1969 wird das Satteldach über den Nebengebäuden abgebrochen und durch ein Flachdach ersetzt. 1975 wird der Schweinestall abgebrochen und durch einen neuen Lagerraum ersetzt, 1990 ein Heizraum angebaut.
Um 2000 geriet das Unternehmen in finanzielle Probleme. Wegen Zahlungsunfähigkeit des Eigentümers kam es daher zur Zwangsversteigerung. Beim ersten Termin bot die Stadt 725.000 DM, erreichte damit aber nicht den notwendigen Mindestwert. Bei einem 2. Termin ersteigerte die Schwester des Eigentümers das Anwesen für 1 Mio. DM, konnte die Summe aber nicht aufbringen. Beim 3. Termin steigerte die Stadt bis 1,32 Mio. DM mit, wurde aber von der R&S Vermögensverwaltung überboten, die auch den Zuschlag erhielt 1. Zur Versteigerungsmasse gehörten auch die Grundstücke Roggenburger Str. 37 und 41, die ebenfalls verkauft wurden. Xaver Böck konnte die Wirtschaft aber auch unter dem neuen Eigentümer fortführen.
Im Jahr 2004 stürzte das Dach über dem Stadelanbau ein, wurde aber unmittelbar danach wieder aufgebaut. Die Gaststätte ist zurzeit nur noch sporadisch geöffnet.
- NUZ 26.10.2006 ↩︎