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Hauptplatz 8 – Tafelbäck

Das Erbauungsjahr des attraktiv in der Achse der Illerberger Str. liegenden Gebäudes ist unklar. Es war Handwerkerhaus, Gaststätte, Bäckerei, Zigarrenfabrik, Supermarkt und Einzelhandelsgeschäft.

Von der ersten Erwähnung an

Das Haus ist eines der wenigen, dessen Baujahr archivalisch nicht nachweisbar ist. An keiner Stelle wird ein Neubau erwähnt oder lässt sich aus den Steuerdaten ableiten. Es ist auch archivalisch nicht zu klären, wann der Giebel mit der Scheitelzinne gebaut wurde. Vermutlich handelt es sich um eine Änderung vom Ende des 19. Jhdts., evtl. gleichzeitig mit der gestalterisch ähnlichen Giebeländerung am Nachbarhaus Hauptplatz 7 um 1866, evtl. aber auch später. Ein näherer Aufschluss wäre nur durch eine dendrochronologische Untersuchung der Holzteile möglich.

Der erste nachweisbare Eigentümer ist 1465 Contz [Conrad] Neff. Eigentümer vor 1465 sind archivalisch nicht feststellbar. Die verschiedenen Eigentümer vor 1548 sind baugeschichtlich nicht relevant und können bei Interesse dem beil. Datenblatt entnommen werden.

1548 sind Jacob Rentz und Urban Vantz (Rentz?) die Eigentümer. Die Schreibweise der Namen wechselt stark. Es ist dennoch anzunehmen, dass es sich hier um ein Brüderpaar handelt. Es dürfte Verwandtschaft zu Rentz auf Hauptplatz 7 bis 1511 sein. 1553 wird Urban Vanntz als Bäcker genannt. Leonhart Holl ist an dieser Stelle im Steuerbuch als weiterer Eigentümer zu finden. 1556 ist statt Leonhart Holl jetzt Erhardt Holl an dieser Stelle zu finden. Auch hier könnte es sich um einen Schreib- oder Lesefehler und somit um dieselbe Person handeln. Im Jahr 1559 ist Urban Kretz (andere Person oder Schreibweise ?) jetzt Alleineigentümer. 1567 übernimmt Jacob Kretz von seiner Mutter als Witwe das Anwesen.

1594 durchbricht der Maurer Lenhart Schmidt die Reihe der Familie Kretz, die sich aber 1607 mit Christoph Kretz wieder fortsetzt. 1614 ist die Immobilie als Behausung, Hofraiten, Stadel und Garten mit einem Wert von 900 fl beschrieben.

Am 19.09.1633 kauft der Bräuer Hans Schmidt, (Bruder des Martin Schmidt, HP06) das Haus und erhält auf Antrag durch den Stadtrat ein Braurecht auf dem Haus, was aber nicht übertragbar oder veräußerbar sein soll. ‘hat E.E.Rat auf Anhalten Hans Schmidts, Bierbräuen, ihme für seine Person aus sonderbaren Ursachen ain Breustatt in sein Haus dergestalt, daß ihm und sinen Benachbarten unschädlich sei, zu errichten und sein Handwerk darin zu treiben, bewilligt, so doch daß er es ohne Rats Bewilligung einnichen anderen zu verkaufen nit befugt sein soll, sondern wann er nachlassen oder darvon ziehen wollt, es wieder in alten Stand verbleiben solle‘. Hans Schmidt eröffnet also eine Brauereigaststätte hier, so dass drei Wirtschaften nebeneinander liegen. 1634 stirbt Hans Schmid, sein Erbe wird aufgeteilt. Der Sohn Johannes Schmidt, Bräuer, Tillin genannt, übernimmt die Gaststätte mit einem Wert von 600 fl. Johannes Schmidt schien um 1655 in finanzielle Schwierigkeiten zu kommen. Daher wurde ein Grundstück in der Handtgasse mit 3/4 Jauchert und einem Wert von 60 fl wegen “beschehener Saumseeligkeit” unter die Pflegschaft von H. Marx v. Laupheim (MM10) gestellt, welches er “guat möglich anderwertts zue verkauffen” hatte, dies geschah an Melchior Käuffele zu 100 fl. Johannes Schmidt starb 1658. Sein Sohn Hans (Jörg) Schmidt übernahm die Gaststätte. Für die beiden unmündigen Geschwister Matheiß und Jacob wurde bis 1676 ein Pfleger eingesetzt. Vielleicht auch wegen dieser finanziellen Probleme wurde das Haus 1674 geteilt, wobei Schmidt den kleineren Teil B behielt. Außerdem erbte Hans Jörg Schmidt wohl vor 1674 das Haus Hauptplatz 6 seines Onkels, welches er sofort nach der Erbschaft verkaufte.

Teil A

1674 kauft der Bäcker Hans Müller den halben Teil, auch des Gartens; Wert 450 fl, die andere Hälfte bleibt bei Hans Schmidt. Es wird auch eine Bäckergerechtigkeit erwähnt, ohne aber zu sagen, woher diese kam, denn auf dem Haus lag eine solche vorher nicht. 1695 stirbt Maria Müller, Witwe des Hans Müller. Ihr Erbe wird aufgeteilt. Vermutlich wurde der Hausteil anschließend an den Bäcker Franz Dietsch verkauft.

Teil B

Bei der Teilung des Hauses behält Hans (Jörg) Schmidt, genannt Tillin, den halben Teil und halben Garten, Wert 220 fl. Das Braurecht wurde gleichzeitig mit der Aufteilung auf das Anwesen Memminger Str. 11 übertragen (obwohl es eigentlich nicht übertragbar war!), wo Hans Dietsch dann das Gasthaus Kanne einrichtete. Vermutlich waren Hans Dietschs Vater Christoff Dietsch und der Bäcker Franz Dietsch miteinander verwandt, evtl. waren es Brüder, so dass die Übertragung daher als rechtens angesehen wurde. Hans Schmid stirbt 1675, sein Erbe wird aufgeteilt. Hans Schmidts Witwe (Ursula?) kauft 1682 das Nachbarhaus Memminger Str. 1 und zieht dorthin. Es ist nicht dokumentiert, wem zwischen 1682 und 1700 das Haus gehört hat bzw. wer es bewohnte. Am 22.03.1700 geht die Haushälfte der Witwe Schmid an den Waagmeister Hans Schmidt (ihr Sohn?) für 220 fl. Dieser hat aber seine Dienstwohnung im Waaghaus AM02 und verkauft daher das hiesige Haus an den Eigentümer der anderen Haushälfte, den Bäcker Franz Dietsch, dem nun das ganze Haus gehört.

Ungeteiltes Haus

Spätestens ab 1706 gehörte dem Bäcker Franz Dietsch das gesamte Haus mit einem Wert von 600 fl. 1716 baut er einen neuen Stadel hinzu, was den Wert auf 700 fl erhöht. 1744 heiratet Franz Dietsch in 2. Ehe die Jungfrau Maria Miller. Franz Dietsch stirbt 1746. Seine Witwe heiratet den Bäcker Johannes Kretz und bringt ihm ihr Haus zu. Um 1760 starb auch Johannes Kretz, seine Witwe Maria (Miller/Dietsch/Kretz) müsste in 3. Ehe einen NN Schön geheiratet haben.

1765 geht die Bäckerei an Franz Josef Dietsch, den Sohn des Franz Dietsch. Franz Josef Dietsch heiratet am 18.10.1765 seine Stiefschwester, die Jungfrau Maria Anna Kretz. Diese stirbt 1773, das Erbe wird verteilt, Erbe ist u.a. ihr Stiefvater Michael Schön. Dessen Sohn Johann Michael Schön, Bäcker, hatte schon 1772 nach F.J. Schöns Tod die Bäckerei übernommen. Als Johann Michael Schön 1785 stirbt, wird seine Ehefrau Helena Erbin. Helena heiratet am 17.04.1785 den Bäcker Gotthard Kast, Sohn des Metzgers Ulrich Kast, MM31, welcher 1050 fl für die Bäckerei zahlt. Doch auch Helena stirbt schon 1786, so dass die Söhne Anton und Johann Schön Waisen werden, deren Erbe bis 1787 von verordneten Pflegern verwaltet wird. Johann Schön finden wir ab 1806 wieder auf dem Haus Wettbach 5, vermutl. als angestellter Bäcker, da auf WB05 keine Backgerechtigkeit ruhte.

Gotthard Kast bleibt auf der Bäckerei, er wird ‘Tafelbäck’ genannt und ist ab 1786 auch Bürgermeister. Er stirbt am 19.04.1804. Die Bäckerei übernimmt am 29.03.1804 sein Sohn Anton Kast. Dieser Sohn muss aus einer ersten Ehe des Gotthard Kast entstammen, denn ein evtl. Sohn mit Helena Schön hätte frühestens 1786 geboren werden können, wäre also 1804 noch nicht volljährig gewesen (damaliges Volljährigkeitsalter 21 Jahre). Im Urkataster 1823 ist die Liegenschaft als Wohnhaus und Stall unter einem Dach, ein alleinstehender Stadel, ein allein stehender Schweinestall, dann Hofraum und Ausgang auf die hintere Straße beschrieben.

1849 geht die Bäckerei an den Sohn Sebastian Kast. 1858 bricht Sebastian Kast seinen alten Stadel ab und baut an diese Stelle einen neuen Viehstall. Anschließend wird ein neuer Getreidestadel nach Osten angebaut. Im Jahr 1875 werden Kast Sebastian und Cäcilia als Eigentümer genannt.

Auch 1882 noch ist Sebastian Kast im Einwohnerverzeichnis. als Eigentümer genannt, aber schon 1883 hat er an seinen Sohn Joh. Nep. Kast übergeben. Dieser wölbt den Stall ein und baut einen Viehstall zur Waschküche um.

Bis 1897 wird Karl Schuster neuer Eigentümer der Bäckerei. Er baut Kamin und Backofen um. Am 03.02.1904 übergibt er seine Bäckerei an Ludwig Huber. Von ihm liegt aus dem Jahr 1908 ein Bauantrag zur Zaunerneuerung und 1926 einer zum Einbau eines neuen Kamins vor. 1927 war das Geschäft an Anton Huber übergegangen, wie ein Bauantrag zur Zaunerneuerung zeigt.

Im Jahr 1929 wird vor dem Haus eine Tankstelle des Benzolverbandes (BV) Aral aufgebaut. Zuerst wurde die Tankstelle am 12.04.1929 noch abgelehnt, weil die Frage der Gehwege noch nicht geklärt sei, am 05.07.1929 war dies aber offenbar geschehen, denn der Tankstelle wurde zugestimmt.

Im Jahr 1931 erwarb Anton Huber die Gebäude Maria-Theresia-Str. 14-16 von der Stadt aus der Konkursmasse der Fa. Anton Kling und richtete dort einen Lebensmittelgroßhandel ein.

1936 wurde die Tankstelle nochmals erweitert. 1939 sollte die Tankstelle gem. eines Beschlusses des Stadtrats vom 18.12.1939 stillgelegt werden. Dies geschah aber nicht. 1952 wurde durch die Aral ein neuer 5000 l-Tank im Straßenraum eingebaut. Die Tankstelle ist noch auf Fotos um1960 zu sehen.

Nach dem Krieg baute Anna Huber die Bäckerei zu einer Großbäckerei aus. Die rückwärtigen Gebäudeteile wurden 1947 großenteils abgebrochen und in einer Südfassade zusammengefasst. Nach der Planzeichnung sollte der 1858 erbaute Stadel erhalten werden. Man entschied sich dann aber doch zum Abbruch des Stadels und für eine durchlaufende Fassade.

Um 1957 wurde die Bäckerei aufgegeben. Die Zigarrenfabrik Schaefer GmbH aus Heidenheim übernahm die umfangreichen Räume der Großbäckerei, baute sie für ihre Zwecke um und stellte hier Zigarren unter dem Namen “Weiße Eule”her. [4]Die Zigarrenfabrik Schaefer wurde 1847 in Heidenheim gegründet und betrieb neben Weißenhorn Filialen in Schnaitheim, Gerstetten, Rödersheim, Langenau und Steinheim. 1977 wurde sie von der Fa. … Continue reading Zeitgleich hat die Fa. Schaefer auch das Gebäude Memminger Str. 45 erworben und dort ebenfalls Zigarren produziert. Hier am Hauptplatz wurden bis ca. 1969 Zigarren hergestellt.

1969 legte die Konsum-Handelsgesellschaft einen Bauantrag vor, nach welchem die Bäckerei und die Zigarrenfabrik zu einem Großraumladen zusammengefasst und über einen Anbau im Süden erschlossen werden sollte. Stadtbauamt und Denkmalamt vertraten die Auffassung, dass das über die gesamte Hausbreite reichende Vordach mit Einbeziehung des Anbaus die Platzansicht des Hauptplatzes zerstören und einen unproportionierten Baukörper ergeben würde. Ein Zurücktreten des Anbaus hinter die Giebelkante wurde gefordert. Das Denkmalamt fertigte noch eine Skizze als Gestaltungsvorschlag. Mit knapper Mehrheit (3:4) wurde der Bauantrag vom Bauausschuss abgelehnt. Für den Bauantrag einigte man sich dann auf einen zurückgesetzten Anbau mit Flachdach, Verzicht auf das Vordach und drei einzelne Schaufenster in der Fassade.

1971 wechselte die Firmierung des Supermarktes auf CO OP mit einer entsprechenden neuen Werbeanlage. Diese fand weder die Zustimmung der Stadt noch des Denkmalamtes. Erst 1973 konnte man sich auf eine Werbung einigen. Es wurden einflügelige neue Fenster in die Fassade eingebaut. Hierbei wurden auch die Gliederungselemente der Fassade entfernt. Auf COOP folgte die Supermarktgruppe ‘in’.

1992 gab CO OP den Einzelhandelsladen auf. Der Laden wurde vom örtlichen Elektrohändler Erwin Merk am 15.03.1993 übernommen, umgebaut und mit einer entsprechenden Werbeanlage versehen. 2007 wurde das Haus renoviert und bekam in diesem Zusammenhang wieder Sprossenfenster. Eine Solaranlage erhielt aus Gründen des Denkmalschutzes keine Genehmigung.

2013 wurde der Elektrogeräteladen aufgegeben. Die Räume wurden von der Textilhandelskette NKD übernommen.

Quellen:

Quellen:
1, 2, 3, 5, 8, 9, 10, 11 Stadtarchiv Weißenhorn; Foto: Heimatmuseum Weißenhorn
4 Die Zigarrenfabrik Schaefer wurde 1847 in Heidenheim gegründet und betrieb neben Weißenhorn Filialen in Schnaitheim, Gerstetten, Rödersheim, Langenau und Steinheim. 1977 wurde sie von der Fa. Villiger Söhne übernommen und produziert dort heute noch Zigarren unter dem Namen Weiße Eule.
6, 7, 12, 13 Heimatmuseum Weißenhorn; Foto: Heimatmuseum Weißenhorn

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